Chlamydien
von altgriechisch: χλαμύς ("chlamys") - Mantel
Synonym: Chlamydia
Englisch: chlamydia
Definition
Chlamydien sind eine Gruppe gramnegativer, obligat intrazellulär lebender Bakterien mit mehreren humanpathogenen Arten.
Taxonomie
- Domäne: Bakterien
- Abteilung: Chlamydiae
- Ordnung: Chlamydiales
- Familie: Chlamydiaceae
- Gattungen: Chlamydia und Chlamydophila
- Familie: Chlamydiaceae
- Ordnung: Chlamydiales
- Abteilung: Chlamydiae
Spezies
Die Gattung Chlamydia bzw. Chlamydophila wird weiterhin in 3 verschiedene Spezies unterteilt:
- Chlamydia trachomatis
- Serotypen A-C als Erreger des Trachoms
- Serotypen D-K als Erreger von Urethritis, genitalen Infektionen und Paratrachom
- Serotypen L1-L3 als Erreger des Lymphogranuloma inguinale
- Chlamydophila psittaci als Erreger der Ornithose
- Chlamydophila pneumoniae als ein Erreger der Pneumonie
Nomenklatur
In der medizinischen Umgangssprache wird die Bezeichnung Chlamydien verwendet. Nach der aktuellen wissenschaftlichen Nomenklatur (2022) handelt es sich um die Gattungen Chlamydia und Chlamydophila. Diese Aufteilung ist allerdings umstritten.
Prävalenz
Chlamydien gehören zu den häufigsten sexuell übertragbaren Krankheiten. Da die Infektionen nicht meldepflichtig sind, gibt es keine genauen Daten zur Prävalenz. Geschätzt sind 6 % der Bevölkerung infiziert, wobei Frauen häufiger betroffen sind.[1]
Im Gegensatz zu HIV sind Chlamydien als Geschlechtskrankheit in der Bevölkerung weitgehend unbekannt. Bei einer Umfrage der BZgA (2013) haben nur 10 % der Befragten Chlamydien als STI aufgezählt.[2]
Einordnung
In der Vergangenheit wurde häufig diskutiert, ob Chlamydien zu den Bakterien oder Viren gezählt werden. Die Überlegung zur Zuordnung zu den Viren beruhte einerseits auf der Tatsache, dass den Chlamydien, im Gegensatz zu vielen anderen Bakterien, Enzyme zur Energiegewinnung fehlen (z.B. ATP-Synthase) und ein Teil ihres Energiebedarfs somit nur über den Stoffwechsel von Wirtszellen gedeckt werden kann. Darüber hinaus fehlt den Chlamydien die Möglichkeit der selbstständigen Fortbewegung, sie leben in Vakuolen des Zytoplasmas. Seit einiger Zeit weiß man jedoch, dass Chlamydien - im Gegensatz zu Viren - eigene Nukleinsäuren, Proteine und Lipide produzieren können und sowohl eine RNA als auch eine DNA besitzen. Aus diesem Grund wurden die Chlamydien schließlich den Bakterien zugeordnet.
Eigenschaften
Chlamydien sind obligat intrazelluläre Keime, die sich in einer Gramfärbung gramnegativ färben. Sie werden vor allem durch Schmierinfektionen übertragen, seltener durch Vektoren. Die Errerger befallen ausschließlich Epithelzellen, insbesondere des Urogenitaltrakts, des Respirationstrakts und der Bindehaut.
Chlamydien haben eine kugelförmige Gestalt. In der äußeren Membran befinden sich Major Outer Membrane Proteins (MOMPs), die zur Stabilität beitragen. Anhand der MOMPs erfolgt die Einteilung von Chlamydia trachomatis in verschiedene Serotypen. Eine richtige Mureinschicht besitzen Chlamydien hingegen nicht.
Chlamydien können in Form ihres widerstandsfähigen Elementarkörperchens bis zu zwei Jahre in getrockneten Exkrementen überleben. Durch ein zehnminütiges Erhitzen bei 60 °C sind sie jedoch leicht abzutöten.
Entwicklungszyklus
Die infektiöse Form der Chlamydien ist das Elementarkörperchen, ein kugelförmiges, etwa 0,3 μm durchmessendes Bakterium mit einer dreischichtigen Zellwand. Das Elementarkörperchen heftet sich an die Wirtszelle an und wird durch Einstülpung der Membran (Endozytose) als Vakuole in die Zelle aufgenommen. Die Vakuole verschmilzt nicht mit einem Lysosom und entzieht sich so der intrazellulären Lyse.
Einige Stunden nach der Aufnahme in die Zelle entstehen durch Querteilung der Elementarkörperchen sogenannte Initial- oder Retikularkörperchen mit etwa 1 µm Durchmesser. Initialkörperchen sind nicht infektiös und stellen die intrazelluläre Verweilform der Chlamydien dar. In der Folge beginnen sich die Initialkörperchen zu teilen. Nach mehrfacher Teilung entstehen dabei erneut Elementarkörperchen. Durch die rege Vermehrung dehnt sich die chlamydienhaltige Vakuole aus und führt letztlich zur Lyse der Wirtszelle. Die so freigesetzten Chlamydien können nun weitere Zellen befallen.
Klinik
Ornithose
Chlamydophila psitacci ist der Erreger der Ornithose, die vor allem durch Vogelexkremente, aber auch durch Tröpcheninfektion auf den Menschen übertragen wird. Die Inkubationszeit beträgt ein bis zwei Wochen.
Es sind zwei Verlaufsformen möglich. Die ungefährliche Form verursacht grippeähnliche Symptome; nach spätestens drei bis vier Wochen ist die Krankheit bei Behandlung mit Antibiotika ausgeheilt. Die gefährliche Form der Ornithose manifestiert sich als Pneumonie und dauert in ihrer schwersten Velaufsform 12-15 Wochen an.
Trachom
Das Trachom, hervorgerufen durch Chlamydia trachomatis, Subspezies A - C, ist eine Augenerkrankung, die vor allem in Entwicklungsländern mit schlechten hygienischen Bedingungen vorkommt. In einigen Staaten ist nahezu die gesamte Bevölkerung durchseucht. Die Inkubationszeit der Erkrankung kann mehrere Jahre betragen, die direkte Übertragung von Mensch zu Mensch ist der übliche Infektionsweg.
Die ersten Krankheitssymptome äußern sich durch eine Körnung der Hornhaut, welche in späteren Stadien zerfällt und vernarbt. Am Ende dieses Prozesses kann eine vollständige Erblindung stehen.
Lymphogranuloma inguinale
Lymphogranuloma inguinale wird durch Chlamydia trachomatis L1-L3 verursacht. Es handelt sich um eine vor allem genital übertragene Erkrankung, sodass die betroffenen Körperregionen der Penis, die Vagina, aber auch - je nach Sexualpraktik - der Enddarm sind.
Nach drei Tagen bis drei Wochen bildet sich ein später zu einem Ulcus zerfallender Knoten, der nicht schmerzt. Nach etwa 15 - 30 Tagen schwellen die Lymphknoten der betroffenen Regionen bis auf Gänseeigröße an. Begleitet wird dies von Kopfschmerzen und Fieber. Später vereitern die Lymphknoten und sind dann schmerzempfindlich. Wird die Krankheit nicht behandelt, kann sie chronifizieren und sich über Jahrzehnte hinstrecken. Vor allem Frauen leiden dann unter eitrigen Geschwüren der Genitalien und des Enddarms, auch Flüssigkeitseinlagerungen in den äußeren Genitalien sind möglich. Ebenso kommen Wucherungen in den inneren Genitalien und im Analbereich vor, die den Stuhlgang erschweren und schmerzhaft machen.
Sonstige
In einer Reihe von Studien wurde der Einfluss von Chlamydophila pneumoniae auf die Entstehung der Atherosklerose untersucht. Eine abschliessende Aussage zur Rolle der Chlamydien steht noch aus (Stand 2021).
Labordiagnostik
Zur Diagnose einer Infektion durch Chlamydien stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung:
Direkter Erregernachweis
Als erregerhaltiges Untersuchungsmaterial dienen u.a. Abstriche (z.B. von Zervix, Urethra, Rektum oder Konjunktiva) oder sterile Körperflüssigkeiten (z.B. Blut, Urin).
- Nachweis der Chlamydien-DNA: meist mittels PCR
- Zellkultur: Anzüchten der Chlamydien auf Zellkulturen
- Antigennachweis
Indirekter Erregernachweis
Indirekt kann man Chlamydien-Spezies serologisch durch Bestimmung von Antikörpern im Blutserum identifizieren. Dazu zählen gewöhnlich Antikörper der Gruppe IgG, IgA und IgM.
Material
Für den Nachweis von Chlamydia-Antikörpern werden 2 ml Serum benötigt.
Referenzbereiche
Test | Norm |
---|---|
Chlamydia trachomatis-IgG-ELISA | negativ |
Chlamydia trachomatis-IgA-ELISA | negativ |
Chlamydia pneumoniae-IgG-ELISA | negativ |
Chlamydia pneumoniae-IgA -ELISA | negativ |
Chlamydia psittaci-IgG-IFT | < 1:64 |
Chlamydia psittaci-IgM-IFT | < 1:20 |
Chlamydia-(Gruppen)KBR | bis Titer 1:5 |
Interpretation
IgA- bzw. IgM-ELISA | IgG-ELISA | Bewertung |
---|---|---|
↑ | negativ | Verdacht auf akute Infektion Kontrolle erforderlich |
↑ | ↑ | Späte akute oder chronisch-aktive Chlamydieninfektion |
negativ | ↑ | Durchstandene Chlamydieninfektion Subakut chronische Infektion |
- Bei Verdacht auf eine akute Chlamydieninfektion zeigt sich in einer angeschlossenen Kontrolle nach 2 Wochen ein signifikanter KBR-Titeranstieg.
Hinweise
- Bei akuten Urogenital- und Konjunktivalinfekten ist der direkte Nachweis die Methode der Wahl, da Chlamydia-Antikörper oft noch negativ sind.
- Bei hohen Titern (frischen Infektionen) werden serologische Kreuzreaktionen zwischen den einzelnen Chlamydien-Spezies beobachtet.
Therapie
Infektionen durch Chlamydien werden meist mit Tetrazyklinen (z.B. Doxycyclin), Makroliden (z.B. Erythromycin und insbesondere neuere Substanzen, wie Clarithromycin oder Azithromycin) sowie Chinolonen (z.B. Levofloxacin) behandelt. Resistenzentwicklungen gegenüber Tetrazyklinen und Erythromycin sind selten (2022), in Einzelfällen können aber Therapieversager auftreten.[3]
Literatur
- Laborlexikon.de, abgerufen am 23.02.2021
Quellen
- ↑ RKI-Ratgeber - Chlamydiosen (Teil 1): Erkrankungen durch Chlamydia trachomatis, abgerufen am 27.10.2022
- ↑ Deutsche Aidshilfe - BZgA veröffentlicht aktuelle Umfrageergebnisse zu sexuell übertragbaren Infektionen, abgerufen am 27.10.2022
- ↑ Fabian Yuh Shiong, Jane Simone Hocking: Treatment challenges for urogenital and anorectal Chlamydia trachomatis. MC Infect Dis. 2015; 15: 293. Published online 2015 Jul 29. doi: 10.1186/s12879-015-1030-9 PMCID: PMC4518511 PMID: 26220080
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