Aortenruptur
Synonym: Aortenriss
Englisch: Aortic Rupture
Definition
Unter einer Aortenruptur versteht man die Zerreißung (Ruptur) der Gefäßwand der Hauptschlagader (Aorta). Sie entsteht meist durch ein Hochrasanztrauma oder auf dem Boden eines Aneurysmas. Eine freie Ruptur der Aorta ist in der Regel tödlich.
Epidemiologie
Die Inzidenz der traumatischen Aortenruptur, nach Autounfällen oder Hochrasanztrauma, wird auf weniger als 1% Prozent geschätzt. Hingegen ist sie für bis zu 16% der Todesfälle nach einer Autokollision verantwortlich.[1]
Einteilung
Eine traumatische Aortenruptur kann in verschiedene Schweregrade eingeteilt werden:
- Grad 1: Einriss der Intima
- Grad 2: Wandhämatom (intramurales Hämatom)
- Grad 3: Pseudoaneurysma (periaortales Hämatom)
- Grad 4: Ruptur der gesamten Wand
Eine weitere Einteilung der Society of Vascular Surgery orientiert sich am radiologischen Befund:
- Grad 1: Intimariss oder Thrombus (< 1 cm)
- Grad 2: Intimariss oder Thrombus (> 1 cm)
- Grad 3: Gedeckte Ruptur, Konturverlust der Aorta
- Grad 4: Konturverlust der Aorta mit Kontrastmittelaustritt als Hinweis auf eine freie Ruptur
Ätiopathogenese
Aortenruptur bei Aortendissektion
Die Aortenruptur bei Aortendissektion entsteht durch eine Aufspaltung der Wandschichten der Aorta, initial verursacht durch einen Einriss der Tunica intima aufgrund degenerativer Gefäßveränderungen (z.B. Atherosklerose). Die nachfolgende Einblutung zwischen die Schichten schwächt die Wandstruktur und kann schließlich in einer zweiten Phase zur Ruptur führen. Zwischen den beiden Phasen liegt ein unvorhersehbarer Zeitraum, der zwischen Sekunden und Jahren variieren kann.[2]
weitere Einzelheiten siehe: Aortendissektion
Traumatische Aortenruptur
Die traumatische Aortenruptur entsteht unter dem Einfluss extremer Scherkräfte. Sie ist meist in der Region des Isthmus der Aorta descendens lokalisiert. Der Isthmus aortae bildet den Übergang des eher mobilen Aortenbogens und der fixierten Aorta descendens. Vermutlich sind die Scherkräfte am Isthmus im Falle eines Aufpralls des Brustkorbs mit hoher Geschwindigkeit besonders hoch. Wenn alle Wandschichten einreißen, spricht man von einer kompletten Ruptur. Sie führt in der Regel sofort zum Tod. Bleibt die Adventitia intakt, liegt eine gedeckte Ruptur vor.
Symptome
Folgende Symptome können vorhanden sein:
- heftigste Schmerzen in der Brust- oder Bauchregion, oft als Vernichtungsschmerz beschrieben
- eine Schmerzausstrahlung in andere Bereiche ist möglich
- Hypovolämischer Schock durch den massiven Blutverlust
- Tachykardie
- Dyspnoe
- Bewusstlosigkeit und Ohnmacht
- neurologische Störungen
Begleitverletzungen können im Rahmen eines Traumas von der eigentlichen Aortenruptur ablenken. Dazu zählen beispielsweise:
- Rippenserienfrakturen, bzw. generell Frakturen
- Milz- und Leberschäden
- Kontusionen im Bereich der Lunge und des Herzens
- Ruptur des Diaphragmas
- Schäden des Rückenmarks
Diagnostik
Bei Patienten mit einem Polytrauma kann der sogenannte TRAINS-Score (kurz für "traumatic aortic injury score") erfasst werden. Dieser hilft, das Risiko für eine Aortenruptur abschätzen zu können. Folgende Kriterien gehören dazu:
- Mediastinalerweiterung (4 Punkte)
- Systolischer Blutdruck unter 90 mmHg (2 Punkte)
- Fraktur proximaler Röhrenknochen (2 Punkte)
- Lungenkontusion (1 Punkt)
- Fraktur des linken Schulterblatts (1 Punkt)
- Vorliegen eines Hämatothorax (1 Punkt)
- deformierte Beckenfraktur (1 Punkt)
Ab 4 Punkten ist das Risiko für eine Aortenruptur erhöht. Es sollte sofort eine CT-Untersuchung erfolgen.
Insbesondere bei vorliegendem Trauma wird die Ganzkörper-CT-Aufnahme zur Diagnosestellung genutzt. Eine transösophageale Echokardiographie (TEE) hat eine sehr hohe Sensitivität und Spezifität, lässt sich aber in der Notfallsituation häufig nicht realisieren.
Differentialdiagnosen
Durch die unspezifischen Symptome kommen beispielsweise folgende Differentialdiagnosen in Frage:
Therapie
Bei einem Einriss der Aortenwand ohne Konturveränderung (Grad 1 und 2) wird teilweise eine konservative Therapie durchgeführt.
Bei einer gedeckten oder offenen Ruptur (Grad 3 und 4) ist eine unverzügliche operative Therapie überlebenswichtig. Mittel der Wahl ist in der Regel eine endovaskuläre Stentgraft-Implantation zur Defektdeckung. Alternativ kommt eine offen chirurgische Versorgung infrage.
Endovaskuläre Versorgung
Die bevorzugte Therapie ist heutzutage die sogenannte thorakale endovaskuläre Aortenreparatur (kurz TEVAR).
Endovaskuläre Aortenreparaturen werden immer beliebter, da sie mit einer geringeren Mortalität und Morbidität verbunden sind. Auch postoperativ ist das Outcome für den Patienten besser. Bezüglich der Langzeitwirkung der TEVAR gibt es aktuell (2023) noch keine ausreichende Datenmenge.[3]
Offen chirurgische Versorgung
Chirurgisch wird im Falle einer thorakalen Ruptur meistens über eine Thorakotomie im 4. Interkostalraum links der Zugang zur Aorta geschaffen. Eine Aortenklemme wird proximal und distal der Ruptur angebracht. Die rupturierte Stelle wird mithilfe eines Interponats ersetzt. Die Zeit der Abklemmung sollte dabei möglichst gering sein.
Um eine Minderversorgung der unteren Extremität zu vermeiden, kann eine extrakorporale Zirkulation für die untere Körperhälfte erfolgen.
Prognose
Die Letalität einer Aortenruptur ist hoch. Schätzungsweise erreicht nur ein Drittel der Betroffenen lebend das Krankenhaus, wovon etwa 50 % der Betroffenen überleben. Die Wahrscheinlichkeit bei einer gedeckten Ruptur zu versterben (20 %) ist deutlich geringer als bei einer freien Ruptur (> 90 %)
Bei der traumatischen Aortenruptur ist die Sterblichkeit sogar noch höher; hier versterben bereits 80 bis 90 % der Betroffenen vor der Einlieferung ins Krankenhaus. Insgesamt wird die Letalität der traumatischen Aortenruptur auf ca. 95 % geschätzt.[2][3] Die Inzidenz der traumatischen Aortenruptur nach Autounfällen oder einem Hochrasanztrauma liegt bei weniger als 1 %. Dagegen wurde bei knapp 20 % aller tödlich verunglückten Opfer von motorisierten Verkehrsunfällen post mortem eine rupturierte Aorta gefunden.[3][2]
Prävention
Um eine Aortenruptur aufgrund von Gefäßpathologien wie einem Aortenaneurysma zu verhindern, wird für Risikopatienten ein Screening auf ein Bauchaortenaneurysma empfohlen. Das Risiko einer Ruptur steigt mit zunehmendem Umfang eines Aneurysmas, sowie bei schneller Größenzunahme des Gefäßdurchmessers. Unter bestimmten Umständen ist eine operative Versorgung eines Aneurysmas indiziert, um die Rupturgefahr zu senken.
Literatur
- Universitäts-Spital Zürich – Aortenruptur, abgerufen am 19.09.2023
Quellen
- ↑ Lotfollahzadeh, Saran, et al. "Aortic Rupture" StatPearls, StatPearls Publishing, 3 June 2023.
- ↑ 2,0 2,1 2,2 Lotfollahzadeh et al., Aortic Rupture, StatPearls Publishing, 2023
- ↑ 3,0 3,1 3,2 Wiener Medizinische Wochenzeitschrift – Die traumatische Aortenruptur, abgerufen am 21.09.2023