Zystische Pankreasneoplasie
Definition
Zystische Pankreasneoplasien sind neoplastische, zystisch imponierende Tumoren des Pankreas.
Epidemiologie
Durch die breite Anwendung hochauflösender Schnittbildverfahren (insbesondere MRT bzw. MRCP) werden zystische Pankreasläsionen zunehmend als Zufallsbefunde entdeckt. Metaanalysen zeigen in der Allgemeinbevölkerung eine Prävalenz von etwa 13–18 % in MRT-Aufnahmen, mit deutlichem Anstieg jenseits des 50. Lebensjahres. Das Alter ist der wichtigste Risikofaktor; Rauchen und Diabetes mellitus werden als begünstigende Faktoren diskutiert. Die Mehrzahl dieser Läsionen ist klein (< 10 mm) und besitzt nur ein geringes Entartungsrisiko.
Klassifikation
Häufige zystische Neoplasien sind:
- Intraduktale papillär-muzinöse Neoplasie (IPMN): oft multifokal und kommuniziert mit dem Gangsystem. Histologisch werden der gastrische, intestinale und pankreatobiliäre Typ unterschieden, jeweils mit unterschiedlicher Prognose. Der intestinale Subtyp ist häufig mit kolloiden Karzinomen vergesellschaftet, während der pankreatobiliäre Typ ein höheres Risiko für ein tubuläres Adenokarzinom aufweist. Die WHO unterscheidet weiter zwischen Low-Grade-Dysplasien (LGD) und High-Grade-Dysplasien (HGD). Die IPMN kann mit einem IPMN-assoziierten Karzinom (tubulär vs. kolloid) oder einem "concomitant" duktalen Adenokarzinom in anderen Pankreasarealen einhergehen.
- Seitengang-IPMN (branch duct)
- Hauptgang-IPMN (main duct)
- Mischtyp-IPMN
- Muzinös-zystische Neoplasie (MCN): Fast ausschließlich bei Frauen mittleren Alters und im Pankreaskorpus bzw. -schwanz lokalisiert. Charakteristisch sind ein stroma ovarii-ähnliches Stroma und muzinöses Epithel. Es besteht keine Gangverbindung und die Zyste ist meist solitär und mukoidhaltig.
- Seröses Zystadenom (SCA): Benigne, nicht-muzinöse Zyste mit typischer mikrozystischer "Honigwaben-" oder "Radspeichen"-Morphologie, gelegentlich makrozystisch oder solide imponierend. Häufig im Pankreaskopf, aber auch in anderen Abschnitten lokalisiert, zeigt ein kubisches, glykogenreiches Epithel und ist häufig mit VHL-Mutationen assoziiert. Maligne Entartung ist extrem selten.
- Zystischer pankreatischer neuroendokriner Tumor (zystische pNET): Häufig nichtfunktionell (G1/G2), teils mit ausgeprägter zystischer Komponente. Kann MEN1-Mutationen aufweisen.
- Solide pseudopapilläre Neoplasie (SPN): Seltener niedrig maligner Tumor, der überwiegend bei jungen Frauen auftritt. Diese Neoplasien präsentieren sich häufig als große, gemischt solide-zystische Raumforderung und sind durch β-Catenin/CTNNB1-Mutationen charakterisiert.
Seltene zystische Pankreasneoplasien sind u.a.
Klinik
Viele zystische Pankreasneoplasien sind asymptomatische Zufallsbefunde. Mögliche Symptome sind:
- unspezifische Oberbauchbeschwerden
- akute Pankreatitis (z.B. bei IPMN mit Schleimpfropf im Gangsystem)
- Gewichtsverlust, Diarrhö, Steatorrhö bei exokriner Insuffizienz
- Ikterus bei raumfordernder Läsion im Pankreaskopf
- abdominelle Raumforderung, v.a. bei großen MCN oder SPN
- neu auftretender oder entgleister Diabetes mellitus
Diagnostik
Bildgebung
Die Bildgebung spielt eine zentrale Rolle in der Diagnostik von zystischen Pankreasneoplasien. Die Magnetresonanztomographie (MRT) und Magnetresonanz-Cholangiopankreatikographie (MRCP) gelten als Goldstandard zur nichtinvasiven Charakterisierung und Verlaufskontrolle, da sie eine hohe Weichteilauflösung bieten. Eine nachweisbare Kommunikation der Zyste mit dem Gangsystem ist ein starker Hinweis auf eine IPMN. Periphere, glatte Wandverkalkungen sprechen eher für eine MCN.
Die Endosonographie (EUS) bietet die höchste räumliche Auflösung und ermöglicht eine Feinnadelaspiration (EUS-FNA) bzw. -biopsie (EUS-FNB). Durch die Kontrastmittel-Verstärkung können zusätzliche Informationen gewonnen werden. Diese Methode wird insbesondere bei unklarer Zystenentität oder zur Abklärung von Risikomerkmalen, wie einem muralen Nodulus oder einer Wandverdickung, eingesetzt.
Die Computertomographie (CT) eignet sich zur initialen Detektion von zystischen Läsionen und wird insbesondere dann genutzt, wenn eine Kontraindikation für die MRT vorliegt. Aufgrund der Strahlenexposition ist die CT jedoch weniger für langfristige Verlaufskontrollen zu empfehlen. Die Sonographie kann bei größeren, einfachen Zysten für Verlaufskontrollen eingesetzt werden, jedoch ist ihre Sensitivität bei kleinen Läsionen begrenzt.
Biomarker
Die Zytologie von zystischen Pankreasneoplasien ist häufig zellarm und daher diagnostisch wenig aussagekräftig. Aus diesem Grund werden zusätzliche Marker herangezogen, um die Diagnose zu unterstützen. Ein CEA-Wert über 192 ng/mL und ein Glukosewert unter 50 mg/dL sprechen für muzinöse Läsionen (MCN oder IPMN). Hohe Lipasewerte deuten auf eine Pseudozyste hin, können jedoch auch bei IPMN erhöht sein.
Molekulare Marker, die durch Next-Generation Sequencing (NGS) untersucht werden, spielen ebenfalls eine wichtige Rolle in der Diagnostik. KRAS-Mutationen sind typisch für muzinöse Zysten wie IPMN und MCN. GNAS-Mutationen sind spezifisch für IPMN, insbesondere für den intestinalen Typ. VHL-Mutationen sind charakteristisch für SCA, während CTNNB1-Mutationen für SPN typisch sind. Bei zystischen pankreatischen neuroendokrinen Tumoren (pNET) können auch MEN1-Mutationen nachgewiesen werden.
Panelsequenzierungen verbessern die Zystentypisierung und die Erkennung fortgeschrittener Neoplasien, werden in Deutschland jedoch überwiegend in Studien eingesetzt.
Differentialdiagnosen
Die wichtigste nicht-neoplastische Differentialdiagnose ist die Pankreaspseudozyste im Rahmen akuter oder chronischer Pankreatitis, typischerweise mit fehlender epithelialisierter Wand, hoher Lipase in der Zystenflüssigkeit und fehlendem muzinösen Inhalt.
Weitere Differentialdiagnosen sind:
- intrapankreatische Milzzyste
- Lymphangiom
- einfache kongenitale Zyste
- nekrotisierende akute Pankreatitis mit peripankreatischen Flüssigkeitskollektionen
Die Differenzierung basiert auf Klinik (Pankreatitishistorie), Bildgebung, Zystenflüssigkeitsanalyse und ggf. histologischer Sicherung.
Therapie
Das Management von zystischen Pankreasneoplasien verfolgt das Ziel, Pankreaskarzinome zu verhindern, während gleichzeitig Überdiagnostik und -therapie minimiert werden.
Für die IPMN hat die Kyoto-Leitlinie Kriterien für High-Risk-Stigmata (z.B. Hauptgangerweiterung ≥ 10 mm) und Worrisome Features (z.B. Hauptgangerweiterung 5-9 mm, Größe ≥ 30 mm) zur Einschätzung des Risikos für HGD oder invasives Karzinom definiert. Liegen High-Risk-Stigmata vor, wird die Raumforderung in der Regel reseziert. Bei Worrisome Features erfolgt individuell eine intensivere Überwachung oder eine Resektion. Für mutmaßliche Seitengang-IPMN ohne Risikofaktoren und stabilem Befund kann bei älteren Patienten (> 75 Jahre, Zyste < 30 mm bzw. > 65 Jahre, Zyste ≤ 15 mm) eine Beendigung der Überwachung nach 5 Jahren diskutiert werden.
Beim SCA ist eine Operation nicht erforderlich, wenn eine sichere Diagnose vorliegt und keine Symptome oder Anzeichen für Malignität bestehen. Eine Operation wird nur bei Symptomen, Größenprogredienz oder Unsicherheit in der Diagnose durchgeführt.
Bei MCN wird eine Operation ab einer Zystengröße von ≥ 4 cm oder bei Vorliegen von Risikofaktoren wie einem muralen Nodulus, erhöhtem CA 19-9 oder wandnahen soliden Anteilen empfohlen. Kleinere MCNs ohne Risikomerkmale können kontrolliert werden.
Für zystische pNET, die nicht funktionell sind und als G1/G2 klassifiziert werden, ist eine Resektion in der Regel ab einer Größe von > 2-3 cm oder bei Verdacht auf Lymphknotenmetastasierung indiziert.
Die SPN wird in der Regel operativ reseziert, unabhängig von der Größe, da es sich meist um junge Patienten handelt und die Tumore in der Regel kurativ resektabel sind.
Chirurgische Therapie
Onkologische Standardresektionen (Pankreatikoduodenektomie, distale Pankreasresektion mit Lymphadenektomie, totale Pankreatektomie) erfolgen bei malignitätsverdächtigen oder malignen zystischen Pankreasneoplasien analog zum Pankreaskarzinom. Parenchymsparende Verfahren (Enukleation, milzerhaltende distale Resektion, duodenumerhaltende Pankreaskopfresektion) werden für kleine, Low-Risk Läsionen (z.B. SCA, kleine MCN, kleine zystische pNET, SPN) sowie IPMN mit HGD ohne Hinweis auf Invasion empfohlen, sofern eine R0-Resektion erreichbar ist.
Minimalinvasive Zugänge (laparoskopisch, robotisch-assistiert) zeigen in Metaanalysen eine geringere perioperative Morbidität und kürzere Krankenhausaufenthalte bei vergleichbaren onkologischen Ergebnissen. Wichtige Langzeitkomplikationen sind exokrine und endokrine Insuffizienz, deren Risiko im Wesentlichen vom Resektionsausmaß abhängt. Nach klassischer Pankreaskopfresektion tritt ein de novo Diabetes in etwa 15 % und eine relevante exokrine Insuffizienz in etwa 25-50 % der Fälle auf.
Nachsorge
Die Nachsorge für zystische Pankreasneoplasien richtet sich nach dem Resektionsstatus sowie den spezifischen Merkmalen der Erkrankung.
Bei IPMN mit invasivem Karzinom erfolgt die Nachsorge wie bei einem duktalen Adenokarzinom. Dies umfasst regelmäßige bildgebende Kontrollen sowie die Bestimmung von Tumormarkern, um mögliche Rezidive frühzeitig zu erkennen.
Für resezierte IPMN mit LGD oder HGD wird eine lebenslange Nachsorge empfohlen. Das Risiko für neue, klinisch relevante Neoplasien im Restpankreas liegt bei etwa 10 %.
Bei nicht-resezierten IPMN richtet sich das Nachsorgeintervall typischerweise nach der Größe der Zyste und den Risikomerkmalen. In der Regel finden die Kontrollen alle 6 bis 12 Monate statt.
Für MCN, SCA, SPN und zystische pNET richtet sich die Nachsorge nach dem Resektionsstatus (R0/R1), der Entität, dem Grading und dem Lymphknotenstatus. Bei vollständig resezierten, niedrig malignen Läsionen sind die Nachsorgeintervalle in der Regel länger.
Prognose
Die zystischen Neoplasien des Pankreas weisen ein unterschiedlich hohes Risiko für maligne Entartungen auf.
Bei der Seitengang-IPMN ohne Risikofaktoren beträgt die kumulative Inzidenz eines invasiven Karzinoms etwa 0,02 % nach 1 Jahr, 1,4 % nach 3 Jahren und 7,8 % nach 10 Jahren. Bei Vorliegen von Risikofaktoren kann dieses Risiko auf etwa 25 % nach 10 Jahren ansteigen.
Für die Hauptgang-IPMN gilt, dass bei einer Hauptgangerweiterung von ≥ 10 mm in etwa 50–60 % der Resektionen invasive Karzinome oder HGD gefunden werden. Bei einer Erweiterung von 5–9 mm liegt das Risiko bei 10–25 %.
Das Risiko einer malignen Entartung beim SCA liegt bei etwa 0,1 %, wodurch dieses in der Praxis als praktisch benigne angesehen wird.
Bei MCN zeigen große Serien, dass MCNs mit einer Größe von < 4 cm und ohne Hochrisikofaktoren ein sehr niedriges Karzinomrisiko aufweisen, sodass bei diesen Läsionen eine regelmäßige Überwachung empfohlen werden kann.
Für pNET der Graden G1/G2 und einer Größe von ≤ 3 cm ist die Lymphknotenmetastasierungsrate niedrig.
Die SPN zeigt in etwa 10–15 % der Fälle Anteile eines invasiven Karzinoms.
Literatur
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