Reovirusarthritis (Geflügel)
Synonym: Reovirustendosynovitis
Englisch: viral arthritis, viral tendosynovitis
Definition
Die Reovirusarthritis ist eine durch Viren verursachte Schädigung der Sehnen, Sehnenscheiden und Gelenke beim Geflügel.
Erreger
Die Reovirusarthritis wird durch Reoviren (Gattung Orthoreovirus, Familie der Reoviridae) verursacht.
Das Virion ist unbehüllt, ikosaedrisch geformt und zwischen 60 und 80 nm groß. Das Genom besteht aus einer segmentierten doppelsträngigen RNA. Die Viren besitzen eine doppelte Kapsidschale und zehn Genomsegmente mit großem Polymorphismus im elektrophoretischen Wanderungsmuster. Die aviären Stämme unterscheiden sich durch folgende Merkmale von den Säugetierstämmen:
- Vorhandensein verschiedener Gruppenantigene
- Fehlen von Hämagglutinin
- Fähigkeit zur Synzytienbildung in Zellkulturen
- Induktion pathologischer Veränderungen bei Huhn, Pute, Gans, Moschusente und vielen anderen Vogelarten.
Die Anzüchtung gelingt in verschiedenen primären Hühnerembryo- oder Hühnerkükenzellkulturen, wobei Hühnerembryoleberzellen am sensibelsten sind (unter Bildung von Synzytien). Die Viren sind äußerst pH-stabil und relativ resistent gegenüber Hitze und Lösungsmitteln.
Epidemiologie
Reoviren sind sowohl in Geflügelbeständen als auch in Wildvogelpopulationen weit verbreitet. Eine vertikale Erregerübertragung ist möglich. Die Herdendurchseuchung erfolgt jedoch hauptsächlich auf horizontalem Weg durch orale oder auch aerogene Infektionen. Die Erreger werden während der akuten Infektionsphase in großen Mengen mit den Fäzes ausgeschieden. In der anschließenden Krankheitsphase verläuft die Erregerausscheidung intermittierend.
Pathogenese
Die Ausbildung sowie Stärke der Arthritis bzw. Tendosynovitis hängt stark von der Erregervirulenz und der Erregerdosis, der Geflügelart (Hühner sind empfänglicher als Puten), dem Alter und dem Zuchttyp (Masttyp ist empfänglicher als Legetyp) ab. Zusätzlich können gleichzeitige Infektionen mit anderen Mikroorganismen sowie Fütterungs- und Haltungsbedingungen die Krankheit verkomplizieren.
Die Inkubationszeit beträgt 4 bis 14 Tage und hängt von der Erregervirulenz und dem Alter der Tiere ab.
Klinik
In den meisten Fällen erkranken Hühnerküken des Masttyps und Putenküken, seltener Mastelterntiere und Legehennen. Es kommt zu Störungen des Allgemeinbefindens, Diarrhö und zu einem unausgeglichenen Herdenbild. Zwischen der 4. und 16. Woche treten die ersten Lahmheiten auf, mit Höhepunkt in der 7. Lebenswoche. Die Lahmheiten führen zu Bewegungsunlust, wobei betroffene Tiere Schwellungen auf der Plantarseite eines oder auch beider Beine (meist im Bereich des Fersengelenks, seltener der Zehengelenke und des Ellenbogengelenks) aufweisen.
Die Morbidität liegt zwischen 5 % und 20 %, die Mortalität ist deutlich geringer.
Pathologie
Betroffene Gelenke weisen im akuten Stadium eine unterschiedlich starke Vermehrung der klaren gelben bis rotbräunlichen Synovia auf. Sehnen sowie Sehnenscheiden (am häufigsten sind die Zehenbeuger betroffen) erscheinen ödematös, umgeben von gelblich-braunem Exsudat und durchsetzt von petechialen Blutungen.
Zusätzlich können die Leber, Milz, Niere, Herz, Lunge, Bursa fabricii und der Darm geschwollen und mit gelben Flecken übersät sein. Im weiteren Krankheitsverlauf kommt es zu Petechien in der Synovialis sowie unterschiedlich stark ausgeprägten Erosionen im Gelenkknorpel. Durch Verklebung, Fibrosierung und Knorpelbildung können Sehnenverhärtungen und Sehnenzerreißungen auftreten.
Im histologischen Schnittbild sind die Gelenk- sowie Sehnen- und Sehnenscheidenveränderungen durch Exsudation (im Akutstadium Muzin, im chronischen Stadium Fibrin) markiert. Es kommt zur Hypertrophie und Hyperplasie der Deckzellen bis hin zur Zottenbildung und Infiltration von Entzündungszellen - vorwiegend Lymphozyten und Plasmazellen. Lockeres Bindegewebe wird zunehmend durch fibröses Bindegewebe ersetzt. Eine sich entwickelnde Periostitis führt zu vermehrter Osteoklasten- und später auch Osteoblastentätigkeit. Die betroffenen Organe sind ebenfalls von Lymphozyten- und Granulozyten-Infiltrationen betroffen und können in schweren Fällen auch Nekroseherde aufweisen.
Differenzialdiagnosen
Differenzialdiagnostisch sind Infektionen mit verschiedenen Erregern zu berücksichtigen:
Diagnose
Sowohl die Anamnese, als auch die Klinik, Pathologie und Histologie sind hinweisend für eine Reovirusarthritis. Durch einen Erregernachweis mittels Anzüchtung, Immunfluoreszenz im Gewebe oder PCR (aus Knorpelmaterial des Tarsalgelenks) kann die Diagnose gesichert werden.
Therapie
Eine kausale Therapie ist derzeit (2019) nicht möglich. Durch die Gabe von Vitaminen und Mineralstoffen sowie die Bekämpfung bakterieller Sekundärinfektionen mit geeigneten Antibiotika können auftretende Schäden gemildert werden.
Prophylaxe
Neben Haltungs- und Hygieneoptimierungen sollten die Elterntiere in der ersten sowie zwischen der 12. und 15. Lebenswoche mit unterschiedlich stark attenuierten Lebendvirusimpfstoffen (subkutan oder über das Trinkwasser) vakziniert werden.
Literatur
- Siegmann, Otfried, Neumann, Ulrich. Kompendium der Geflügelkrankheiten. 7., überarbeitete Auflage. Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co KG. 2012
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