Notfallsanitäter
Englisch: (emergency) paramedic
Definition
Ein Notfallsanitäter bzw. eine Notfallsanitäterin ist eine Person, die eine staatlich regulierte Ausbildung absolviert hat, die sie zur Teilnahme an der Notfallversorgung im Rettungsdienst qualifiziert. Der Notfallsanitäter zählt zu den Heilberufen im deutschen Gesundheitswesen und ist die höchste nicht akademische medizinische Qualifikation im Rettungsdienst.[1]
Hintergrund
Der Begriff Notfallsanitäter existiert in Österreich bereits seit 2002. In Deutschland trat das Notfallsanitätergesetz (NotSanG) am 1. Januar 2014 in Kraft und löste damit das Rettungsassistentengesetz ab. Nach bisherigen Plänen sollen Notfallsanitäter bis zum Jahr 2024 Rettungsassistenten als Verantwortliche auf dem Rettungswagen komplett ablösen. Der erworbene Ausbildungsstand Rettungsassistent wird jedoch nicht aberkannt – deshalb wird es auch nach 2024 noch Rettungsassistenten im Rettungsdienst geben, jedoch nicht mehr als Teamführer, sondern in der Position des assistierenden Rettungssanitäters.
Ausbildung
Die Ausbildung zum Notfallsanitäter dauert drei Jahre. Sie beschränkt sich nicht nur auf die präklinische Notfallsituation, sondern beinhaltet auch weiterreichende pflegerische und therapeutische Inhalte. Durch diese engere Verknüpfung sollen Notfallsanitäter einen besseren und fundierteren Überblick über die Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie bekommen und den aktuellen Qualitätsansprüchen genügen.
Die Ausbildung richtet sich nach den Inhalten, die im Rahmen des Pyramidenprozesses erarbeitet wurden und gliedert sich in drei Teilbereiche:
- Rettungsdienstschule (1.920 Stunden)
- Rettungswache (1.960 Stunden)
- Krankenhaus mit geeigneten Fachabteilungen (720 Stunden)
Optional sind auch weitere Sozialpraktika zum Kennenlernen der speziellen Patientengruppen möglich, beispielsweise in Einrichtungen der Behindertenhilfe, der Kinder- und Jugendhilfe und/oder im Betreuungsdienst der stationären Altenhilfe.
Die Ausbildung schließt mit einem Staatsexamen ab. Hierfür sind 4 praktische Fallbeispiele zu lösen sowie 3 schriftliche Prüfungen über alle Themengebiete und eine mündliche Prüfung in drei Themengebieten zu absolvieren. Die mündliche Prüfung dauert zwischen 30 und 45 Minuten.[2]
Ergänzungsprüfung für Rettungsassistenten
Für Rettungsassistenten existieren vier Möglichkeiten, sich zum Notfallsanitäter weiterzubilden. Welche Option jeweils zutrifft, richtet sich nach dem Datum, an dem die Berufsurkunde ausgestellt wurde, und der anschließenden Berufserfahrung.
Die Übergangsvorschriften des Notfallsanitätergesetzes (§32 Abs. 2 NotSanG) beschränken die Möglichkeit einer staatlichen Ergänzungsprüfung und einer staatlichen Vollprüfung mit einer Frist bis zum Jahresende 2023.[3]
Ergänzungsprüfung
Rettungsassistenten mit mehr als 5 Jahren hauptamtlicher Berufserfahrung im Rettungsdienst dürfen ohne weitere Fortbildung eine staatliche Ergänzungsprüfung ablegen, die einen mündlichen und praktischen Teil umfasst.
Viele Rettungsdienstschulen bieten für diese Prüfung einen 80-stündigen Vorbereitungslehrgang an.
480 Stunden Fortbildung und Ergänzungsprüfung
Rettungsassistenten mit einer hauptamtlichen Tätigkeit von 3 bis 5 Jahren im Rettungsdienst müssen eine Fortbildung von insgesamt 480 Stunden absolvieren und dürfen danach die staatliche Ergänzungsprüfung ablegen. Die 480 Stunden gliedern sich in:
- 320 Stunden schulische Ausbildung
- 80 Stunden praktische Ausbildung auf einer Lehrrettungswache
- 80 Stunden praktische Ausbildung in einer interdisziplinären Notaufnahme und der Anästhesie
Die Ergänzungsprüfung umfasst ebenfalls einen mündlichen und praktischen Teil.
960 Stunden Fortbildung und Ergänzungsprüfung
Rettungsassistenten mit einer hauptamtlichen Tätigkeit von weniger als 3 Jahren müssen eine Fortbildung von insgesamt 960 Stunden absolvieren und dürfen danach die staatliche Ergänzungsprüfung ablegen. Die 960 Stunden gliedern sich in:
- 640 Stunden schulische Ausbildung
- 140 Stunden praktische Ausbildung auf einer Lehrrettungswache
- 180 Stunden praktische Ausbildung in einer interdisziplinären Notaufnahme (80 Stunden), der Anästhesie (60 Stunden) und einem Bereich der eigenen Wahl (40 Stunden)
Die Ergänzungsprüfung umfasst ebenfalls einen mündlichen und praktischen Teil.
Volles Staatsexamen
Ungeachtet der Erfahrung im Rettungsdienst hat jeder Rettungsassistent mit weniger als 5 Jahren Berufserfahrung die Möglichkeit, sich zur vollen Prüfung (Staatsexamen) des Notfallsanitäters anzumelden. Dieses ist im Vergleich zu den Ergänzungsprüfungen deutlich komplexer und umfasst eine schriftliche, mündliche und praktische Prüfung.
Kompetenzen
Notfallsanitäter können im Rahmen ihrer Berufsausübung medizinische Maßnahmen eigenverantwortlich oder nach Vorgaben des jeweiligen Ärztlichen Leiters Rettungsdienst (ÄLRD) ausüben. Im Notfallsanitätergesetz werden diese beiden Bereiche aufgeführt unter:
- Paragraph 2a ("Eigenverantwortliche Durchführung heilkundlicher Maßnahmen") oder
- Paragraph 4 Abs. 2, Punkt 2, Buchstabe c ("eigenständiges Durchführen von heilkundlichen Maßnahmen, die vom ÄLRD oder entsprechend verantwortlichen Ärztinnen oder Ärzten bei bestimmten notfallmedizinischen Zustandsbildern und -situationen standardmäßig vorgegeben, überprüft und verantwortet werden")[4]
Die sogenannten 2c-Maßnahmen werden von den ÄLRD, ggf. anhand des Pyramidenprozesses erstellt. Sie bieten Notfallsanitätern die Möglichkeit, im Rahmen einer Delegation erweiterte Maßnahmen zum Wohle der Patienten durchzuführen.
Hiervon abzugrenzen sind die 2a-Maßnahmen. Sie werden bis zum Eintreffen der Notärztin bzw. des Notarztes oder bis zum Beginn einer weiteren ärztlichen, auch teleärztlichen, Versorgung durchgeführt. Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter dürfen heilkundliche Maßnahmen, auch invasiver oder medikamentöser Art, dann eigenverantwortlich durchführen, wenn:
- sie diese Maßnahmen in ihrer Ausbildung erlernt haben und beherrschen und
- die Maßnahmen erforderlich sind, um Lebensgefahr oder wesentliche Folgeschäden von Patienten abzuwenden[4]
Im 2a-Bereich können den Notfallsanitätern von höheren Instanzen keine Maßnahmen vorgegeben oder untersagt werden, sie müssen diese lediglich erlernt haben und beherrschen. Die Durchführung therapeutischer Maßnahmen und die Medikamentengabe liegt in der individuellen Verantwortung der Handelnden. Jedoch werden gelegentlich von ÄLRD im jeweiligen Bundesland bestimmte Maßnahmen empfohlen, z.B.:
- Legen eines periphervenösen Zugangs
- Legen eines intraossären Zugangs
- Durchführen einer Entlastungspunktion nach Monaldi beim Spannungspneumothorax
- Transkutanes Pacing
- Koniotomie
- Transkutane Kardioversion und Defibrillation
- Reponieren von Frakturen
- Nasale Applikation von Midazolam beim Krampfanfall
- Sublinguale Applikation von Nitroglycerin
- intravenöse/intraossäre Applikation von Amiodaron, Antiemetika, Acetylsalicylsäure, Atropin, Ipratropiumbromid, Buscopan, Fenistil, Glucose, Heparin, Ketamin/Esketamin, Lorazepam, Midazolam, Morphin, Naloxon, Novalgin, Ranitidin, Salbutamol, Suprarenin, Urapidil, Prednisolon.
Durch das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) wurde im Paragraph 13 Absatz 1b des BtMG folgende Änderungen vorgenommen.[5] Demnach dürfen Notfallsanitäter Betäubungsmittel der Anlage III selbstständig (ohne vorherige ärztliche Anordnung) verabreichen, wenn:
- sie nach standardisierten ärztlichen Vorgaben handeln
- das Eintreffen eines Arztes nicht rechtzeitig erfolgt und
- die Verabreichung zur Abwendung von Gefahren für die Gesundheit oder zur Beseitigung oder Linderung erheblicher Beschwerden erforderlich ist.
Die standardisierten ärztlichen Vorgaben müssen in Textform vorliegen und Regelungen zur Art und Weise der Verabreichung enthalten. Darüber hinaus muss definiert sein, in welchen Fällen das Eintreffen eines Arztes nicht abgewartet werden kann.[6]
Literatur
- Martin Lomb: Notfallsanitäter-Recht kompakt
Quellen
- ↑ Deutscher Bundestag Kurzinformation zur Kategorisierung von Berufen im Gesundheitswesen, abgerufen am 22.04.2020
- ↑ Ausbildungs- und Prüfungsverordnung Notfallsanitäter, abgerufen am 22.04.2020
- ↑ Thieme - Die Uhr tickt etwas langsamer: erst Ende 2023 endet nun die Übergangsregelung für Rettungsassistenten, abgerufen am 12.04.2022
- ↑ 4,0 4,1 www.gesetze-im-internet.de – Gesetz über den Beruf der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters, abgerufen am 16.05.2023
- ↑ Bundesministerium für Gesundheit – Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG), abgerufen am 16.01.2024
- ↑ Bundesministerium der Justiz – Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz - BtMG) § 13 Verschreibung und Abgabe auf Verschreibung, abgerufen am 16.01.2024
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