Nicht-ossifizierendes Fibrom
Synonyme: nicht-ossifizierendes Knochenfibrom, nicht-osteogenes Fibrom, fibröser Kortikalisdefekt, fibröser Kortikaldefekt, fibröser metaphysärer Defekt, ossäres Fibroxanthom, Kortikalisfibrom, Markfibrom, benigner kortikaler Defekt, benignes histiozytäres Fibrom, benignes fibröses Histozytom, histiozystisches Xanthogranulom
Englisch: nonossifying fibroma, fibrous xanthoma, fibroxanthoma of bone
Definition
Das nicht-ossifizierende Fibrom, kurz NOF, ist ein benigner, meist selbstlimitierender Knochentumor mit osteoklastischen Riesenzellen. Er ist in der Regel in den Metaphysen von Röhrenknochen lokalisiert.
Terminologie
In der Literatur existieren viele, teils widersprüchliche Alternativbezeichnungen für das nicht-ossifizierende Fibrom:
- fibröser metaphysärer Defekt (FMD): Der FMF stellt möglicherweise eine Vorstufe des NOFs dar, wobei nur die Kompakta betroffen ist und die Größe < 1 bis 3 cm liegt. Wird bei vielen Kindern während des normalen Skelettwachstums beobachtet. Ab einer Größe von > 1 bis 3 cm, oder wenn der Markraum ebenfalls betroffen ist, spricht man traditionell von einem NOF. Die aktuelle WHO-Klassifikation der Weichteil- und Knochentumoren empfiehlt nur noch die Bezeichnung nicht-ossifizierendes Knochenfibrom.
- Fibroxanthom des Knochens: Dieser Begriff wird als Synonym verwendet, jedoch in der WHO-Klassifikation nicht erwähnt.
- metaphysäre kortikale Irregularität: Weist im Prinzip die gleiche Histologie auf. Tritt im Ansatzbereich von Muskeln und Sehnen auf, sodass sie vermutlich aufgrund einer Stressreaktion bzw. chronischen Avulsionsverletzung entsteht.
- benignes fibröses Histiozytom des Knochens: Ist histologisch identisch, befindet sich jedoch an anderer Lokalisation und tritt eher bei älteren Personen auf. Die aktuelle WHO-Klassifikation der Weichteil- und Knochentumoren empfiehlt nur noch die Bezeichnung nicht-ossifizierendes Knochenfibrom.
Epidemiologie
NOFs sind sehr häufige gutartige Tumoren bei Kindern und Jugendlichen. Die Prävalenz wird auf etwa 30 bis 40 % aller gesunden Kinder geschätzt. Hauptmanifestationsalter ist das zweite Lebensjahrzehnt. Sie kommen bei Jungen bis zu zweimal häufiger vor. NOFs werden in der Regel nicht über das 30. Lebensjahr hinaus beobachtet, da sie nach der Pubertät spontan abheilen und allmählich verknöchern.
Ätiologie
Die genaue Ursache des nicht-ossifizierenden Fibroms ist derzeit (2022) unklar. Vermutlich handelt es sich nicht um eine Neoplasie sondern um eine Knochenentwicklungsstörung durch vermehrte Stressbelastung bzw. im Rahmen einer chronischen Avulsionsverletzung. Da NOFs im Prinzip große fibröse metaphysäre Defekte darstellen, liegt eine gleiche Pathogenese nahe. In über 80 % der Fälle finden sich Mutationen in den Genen KRAS und FGFR1.
Treten mehrere NOFs gleichzeitig auf, muss an das Jaffé-Campanacci-Syndrom gedacht werden. Vermutlich handelt es sich um eine Variante der Neurofibromatose Typ 1.
Lokalisation
Zwei Drittel der nicht-ossifizierenden Fibrome finden sich in der Umgebung des Kniegelenks:
Weitere Lokalisationen sind:
- distale Tibia (22 %)
- proximales Femur (3 %)
- proximaler Humerus (3 %)
- distale Fibula (2 %)
Der Befall anderer Extremitätenknochen oder des Stammskeletts ist eine Rarität.
In den Röhrenknochen wird das NOF in der Hälfte der Fälle diaphysär und in der anderen Hälfte metaphysär bzw. metadiaphysär angetroffen. Eine Ausdehnung in die Epiphyse ist sehr selten. Über ein Fünftel der Läsionen liegen exzentrisch. Große NOFs können den gesamten Markraum einnehmen, insbesondere in der Fibula.
Klinik
Nicht-ossifizierende Fibrome verursachen in der Regel keine Beschwerden und sind meist ein radiologischer Zufallsbefund dar. Große Tumoren können zu Schmerzen und selten zu einer pathologischen Fraktur führen.
Diagnostik
Nicht-ossifizierende Fibrome werden radiologisch diagnostiziert. Entscheidende diagnostische Hinweise sind:
- Alter < 25 Jahre
- Lokalisation in Metaphyse oder Grenze zwischen Meta- und Diaphyse
- Beteiligung des Kortex
Bildgebung
Konventionelles Röntgen
Im konventionellen Röntgenbild erscheinen NOFs als Osteolyse, die trabekuliert ist. Sie weist meist einen lobulierten und fast immer einen komplett ausgebildeten, feinen sklerotischen Randsaum auf. Die Osteolyse ist typischerweise exzentrisch in der Metaphyse in der Nähe der Epiphysenfuge lokalisiert ist.
Die Längsachse des Tumors ist parallel zur Knochenachse ausgerichtet. Die Tumoren werden bis zu 7 cm lang und 3 cm breit. NOFs gehen immer von der Kompakta aus, können sich aber tief in die Spongiosa vorwölben. Riffartige Vorsprünge innerhalb der Läsion führen zu einer traubenförmigen, polyzyklischen Konfiguration. Die Kompakta ist häufig ausgedünnt und durch Ausbildung einer Periostschale etwas vorgewölbt. Seltener findet sich eine glatt begrenzte, nicht-lobulierte Osteolyse. Eine verkalkte Tumormatrix liegt nicht vor.
Die Wachstumsgeschwindigkeit ist niedrig und wird fast immer als Grad IA nach Lodwick klassifiziert. Das nicht-ossifizierende Knochenfibrom bildet sich spontan zurück, indem es mit Knochen aufgefüllt wird. Diese Veränderungen beginnen in der Peripherie und schreiten in Richtung Zentrum fort. In späten Stadien ist die gesamte Läsion mehr oder weniger ossifiziert und bietet eine milchglasartige oder deutlich sklerotische Matrix.
Ritschl-Stadien
Im Röntgenbild wird der Verlauf anhand der Ritschl-Stadien beurteilt. Die Dauer der einzelnen Stadien ist variabel:[1]
- Stadium A: exzentrische Läsion in der Nähe der Wachstumsfuge. Kleine, ovaläre Konfiguration mit glatten Konturen und ohne sklerotischen Rand
- Stadium B: variable Entfernung von der Wachstumsfuge, progredient polyzyklische Form, dünner sklerotischer Rand und dünner, teilweise hervortretender Kortex, keine Periostreaktion
- Stadium C: fortschreitende Sklerose mit Verknöcherung beginnend an der Diaphyse
- Stadium D: homogene Sklerose oder nicht mehr nachweisbare Läsion
Computertomographie
In der Computertomographie (CT) ist der allseits zum Markraum abgrenzende Sklerosesaum sichtbar. Bei größeren Läsionen ist meist auch eine mineralisierte Periostreaktion als Abgrenzung zu den Weichteilen erkennbar. Die Kompakta fehlt streckenweise. Im Ausheilungsprozess wird die Matrix zunehmend osteoblastisch.
Magnetresonanztomographie
In der Magnetresonanztomographie (MRT) ist die Läsion in T1w-Sequenzen iso- oder hypointens zur Muskulatur. In der T2w-Sequenz kann die Läsion isointens zur Muskulatur oder fokal bzw. weitgehend homogen mäßig hyperintens sein. Das variable Erscheinungsbild ist abhängig von der histologischen Zusammensetzung. Der sklerotische Randsaum ist T2w-hypointens. Im Heilungsprozess kann gelegentlich zentral Fett eingelagert werden. Das Kontrastmittelenhancement ist moderat, im Randbereich unter dem Sklerosesaum jedoch ausgeprägter. Septen mit unterschiedlicher Signalintensität können vorkommen.
Nuklearmedizin
Das Erscheinungsbild eines NOFs in der Knochenszintigraphie hängt von der Phase der Läsion ab. Meistens zeigt sich keine erhöhte Aktivität. Während der Heilungsphase kann jedoch eine leicht bis mäßig erhöhte Aktivität aufgrund einer leichten Hyperämie und der osteoblastischen Aktivität vorliegen.
Bei starker Aufnahme oder Hyperämie sollte eine Fraktur oder eine andere Diagnose in Betracht gezogen werden.
Pathohistologie
Nicht-ossifizierende Fibrome zählen zu den Do-Not-Touch-Läsionen. Wird trotzdem eine Biopsie durchgeführt, findet sich ein fibröses Gewebe mit spindelförmigen Zellen in wirbelförmiger Anordnung und diffus verstreuten mehrkernigen osteoklastischen Riesenzellen. Darüber hinaus sieht man Schaumzellen, Hämosiderinablagerungen, Cholesterinkristalle, fokale zystische Veränderungen und reaktive Knochenbildung.
NOFs können zunächst wachsen, dann polyzyklisch werden und sich nach der Pubertät zurückbilden, wobei sie allmählich mit Knochen von der diaphysären Seite aufgefüllt werden.
Es wird angenommen, dass es sich bei vielen Knocheninseln, sog. Enostomen, um abgeheilte NOFs handelt.
Differenzialdiagnosen
- Riesenzelltumor des Knochens
- Aneurysmatische Knochenzyste (solide Variante): exzentrische lytische metaphysäre Läsion mit Flüssigkeit-Flüssigkeit-Spiegel in der MRT. Ein ausgeprägt lobulierter Rand und ein komplett ausgebildeter feiner Skleroserand sprechen für ein NOF.
- Chondromyxoides Fibrom
- Fibröse Dysplasie: das NOF in der Ausheilung kann einer fibrösen Dysplasie ähneln, weist jedoch einen stark lobulierten Rand auf.
- Benignes fibröses Histiozytom: siehe oben
- Desmoplastisches Fibrom
- Langerhans-Zell-Histiozytose
Therapie
Aufgrund ihres gutartigen, selbstlimitierenden Verlaufs bedürfen NOFs keiner Therapie. Nehmen sie jedoch über 50 % des Durchmessers des Ausgangsknochens ein, kann eine prophylaktische Kürettage mit Knochentransplantation erwogen werden, um eine pathologische Fraktur zu vermeiden. Rezidive sind selten. Eine maligne Transformation ist nicht beschrieben.
Literatur
- Herget GW et al. Non-ossifying fibroma: natural history with an emphasis on a stage-related growth, fracture risk and the need for follow-up, BMC Musculoskelet Disord. 2016;17:147
- Bovée JV, Hogendoorn PC Non-ossifying fibroma: A RAS-MAPK driven benign bone neoplasm, J Pathol. 2019;248(2):127-130
- Goldin A et al. The aetiology of the non-ossifying fibroma of the distal femur and its relationship to the surrounding soft tissues, Child Orthop. 2017;11(5):373-379
- Bowers LM et al. The non-ossifying fibroma: a case report and review of the literature, Head Neck Pathol. 2013;7(2):203-210
- Jee WH et al. Nonossifying fibroma: characteristics at MR imaging with pathologic correlation, Radiology. 1998;209(1):197-202
Quellen
- ↑ Ritschl P et al. Fibrous metaphyseal defects--determination of their origin and natural history using a radiomorphological study, Skeletal Radiol. 1988;17(1):8-15
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