Hängetrauma
Wir werden ihn in Kürze checken und bearbeiten.
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Synonym: Suspension Trauma, Hängersyndrom, Orthostase-Syndrom
Definition
Das Hängetrauma bezeichnet einen lebensbedrohlichen Zustand, der entsteht, wenn eine Person bewegungslos in aufrechter Position in einem Auffangsystem (z.B. Klettergurt, Sicherheitsgeschirr) hängt. Es kann innerhalb weniger Minuten zu Bewusstlosigkeit und nach 10-20 Minuten zum Tod führen.
Hintergrund
Das Hängetrauma wurde erstmals in den 1960er Jahren bei Höhenarbeitern beschrieben und gewinnt zunehmend an Bedeutung in der Arbeitsmedizin und Bergrettung. Es betrifft insbesondere:
- Industriekletterer und Höhenarbeiter
- Bergsteiger und Sportkletterer
- Arbeitskräfte in der Bauwirtschaft mit Absturzsicherung
- Feuerwehrleute und Rettungskräfte
- Fensterputzer und Fassadenarbeiter
Das Risiko wird häufig unterschätzt, da die Gefahr nicht vom eigentlichen Sturz, sondern vom anschließenden bewegungslosen Hängen ausgeht. Die Letalität des klassischen Hängetraumas ist heute bei Verwendung von modernen Gurtsysteme als eher gering einzuschätzen. Bei ausbleibender, zeitnaher Rettung kann die Letalität jedoch rapide ansteigen. Belastbare prospektive Zahlen zur Sterblichkeit existieren jedoch kaum.
Dabei gilt das Hängetrauma zeitkritisch, bereits nach 5-10 Minuten können Symptome auftreten, nach 20-30 Minuten besteht akute Lebensgefahr.
Ätiologie
Das Hängetrauma tritt auf, wenn eine Person nach einem Sturz bewegungslos in einem Auffanggurt hängt. Ätiologisch zugrund liegt dabei vornehmlich die fehlende Muskelpumpenfunktion der Beinmuskulatur und die Kompression von Blutgefäßen der unteren Extremität durch die Gurtschlaufen.
Pathophysiologie
Primär führen die Gefäßkompression im Gurtbereich und die aufrechte Position mit fehlender Muskelpumpe zur Stase und venösem Pooling der unteren Extremität. Daraus resultiert eine relative Hypovolämie und reduzierter venöser Rückstrom zum Herzen. Sekundär führt die verminderte Vorlast zu einer Hypotension und Hypoperfusion der Organe und des Gehirns. Konsekutiv kommt es zu metabolischen Veränderungen mit Laktatazidose und ggf. Hyperkaliämie durch Zellzerfall.
Reperfusionsschaden (nach Rettung):
- Plötzliche Freisetzung von Laktat, Kalium und Myoglobin in den systemischen Kreislauf
- Herzrhythmusstörungen (besonders Hyperkaliämie-bedingt)
- Myoglobinämie mit Risiko für akutes Nierenversagen
Symptomatik
Frühphase (innerhalb von 5-10 Minuten)
- Unwohlsein, Angst
- Schwindelgefühl
- Übelkeit
- Blässe, Kaltschweißigkeit
- Tachykardie
- Parästhesien in den Beinen
Fortgeschrittenes Stadium (10-20 Minuten)
- Ausgeprägte Hypotension
- Präsynkope, Synkope
- Bewusstseinsstörungen bis Bewusstlosigkeit
- Bradykardie
- Dyspnoe
- Zyanose
Kritisches Stadium (>20 Minuten)
- Bewusstlosigkeit
- Kreislaufstillstand
- Atemstillstand
- Tod
Diagnostik
Das diagnostische Vorgehen umfasst:
- Anamnese (Hängedauer, Sturzhergang, Verletzungen)
- Klinische Untersuchung (Vitalparameter, Bewusstseinslage, Perfusion, Druckstellen durch Gurtsystem, Begleitverletzungen)
- Monitoring: EKG, RR, Pulsoxymetrie
- Labor: Blutgasanalyse, Elektrolyte, Kreatinkinase (CK), Myoglobin (Serum und Urin), Laktat, Kreatinin, Harnstoff
- ggf. Bildgebung (abhängig von Begleitverletzungen)
Therapie
- Rettung (schnellstmögliche, aber kontrollierte Bergung)
- NICHT sofort flach hinlegen! (Gefahr des Rescue Death)
- Initial halbsitzende Position (ca. 30-45°)
- Beine angewinkelt, leicht erhöht
- Langsame Positionsänderung über 20-30 Minuten
- Flachlagerung mit angehobenen Beinen (Alternative bei verletzten, vitalbedrohten Patienten)
- Monitoring
- Kreislaufstabilisierung (vorsichtige Infusionstherapie)
- ggf. Hyperkaliämie-Management
- Forcierte Diurese
- ggf. Rhabdomyolyse-Behandlung
- Weitere Maßnahmen (Behandlung von Begleitverletzungen, Psychologische Betreuung)
Komplikation
Die wichtigeste Komplikation ist der Rescue Death, ein paradoxer Tod nach erfolgreicher Rettung entstehend durch das Reperfusionssyndrom.
Weitere potenzielle Langzeitfolgen:
- Akutes Nierenversagen durch Myoglobinurie
- Kompartmentsyndrom der Beine
- Posttraumatische Belastungsstörung
Zur Prävention gibt es arbeitsrechtlich vorgeschriebene Schutzmaßnahmen und Rettungskonzepte. Darunter fallen technischem Maßnahmen wie Verwendung geeigneter Auffangsysteme mit Entlastungsmöglichkeiten, Rettungskonzepte und individuelle Schulungen und Trainings.