Aspirationsrisiko
Definition
Das Aspirationsrisiko bezeichnet die Wahrscheinlichkeit, dass z.B. Flüssigkeiten, Speichel, Nahrung oder Mageninhalt in die Atemwege bzw. Lunge gelangen und dort eine Schädigung hervorrufen können. Es handelt sich dabei um ein wichtiges klinisches Risiko, insbesondere bei Bewusstseinsstörungen, Schluckstörungen oder perioperativen Situationen, das häufig zu Komplikationen wie einer Aspirationspneumonie führen kann.
siehe auch: Fremdkörperaspiration
Hintergrund
Man unterscheidet zwischen akut erhöhter Aspirationsgefahr (z.B. perioperativ, bei Bewusstlosigkeit oder Bewusstseinsstörungen mit Erbrechen) und chronisch erhöhtem Risiko (z.B. bei neurologischen Erkrankungen, Schluckstörungen, Refluxkrankheit, chronischer Hypotonie der Schluckmuskulatur).
Die Ätiopathogenese ist vielfältig und beinhaltet u.a.:
- gestörte Schutzreflexe (z.B. Husten- oder Würgereflex)
- verminderter Schluckmotorik
- Dysfunktion des Ösophagussphinkters
- gastrointestinaler Reflux
- verzögerte Magenentleerung
- Sedierung
Auch neurologische Erkrankungen (z.B. Schlaganfall, Demenz, neuromuskuläre Erkrankungen) und Bewusstseinsminderung (z.B. durch eine Intoxikation oder nach einer Narkose) erhöhen das Risiko.
Aspirationsrisiko in der Anästhesiologie
In der Anästhesiologie besitzt das Aspirationsrisiko eine zentrale Bedeutung, da Bewusstseinsverlust, Muskelrelaxation und Aufhebung der Schutzreflexe die Aspiration von Mageninhalt erheblich begünstigen. Vor allem während der Einleitung und in der Aufwachphase ist der Patient gefährdet, da der obere Ösophagussphinkter und der Kehlkopfverschluss ihre Schutzfunktion verlieren. Ein gefüllter Magen, verzögerte Magenentleerung oder erhöhter intraabdomineller Druck können eine Regurgitation auslösen, während gleichzeitig die Möglichkeit des selbstständigen Hustenreflexes fehlt.
In der perioperativen Praxis wird das Aspirationsrisiko anhand von Faktoren wie Notfallnarkose, Adipositas, Schwangerschaft, Diabetes mellitus (gastroparesebedingt), Ileus, gastroösophagealer Refluxkrankheit, Polytrauma oder der Einnahme opioid- und sedativwirksamer Medikamente eingeschätzt. Bei erhöhtem Risiko wird die Narkoseeinleitung als Rapid Sequence Induction ("Ileuseinleitung") durchgeführt.
Aspirationsrisiko in der Notfall- und Intensivmedizin
In der Notfall- und Intensivmedizin kann ein akut erhöhtes Aspirationsrisiko als Folge mangelnder Schutzreflexe eine Indikation zur Atemwegssicherung mittels endotrachealer Intubation sein. Typische Beispiele sind ein schweres Schädel-Hirn-Trauma (GCS < 9), Hirnblutungen oder Polytrauma.