Fokale dermale Hypoplasie
Synonyme: FDH, Goltz-Gorlin-Syndrom
Definition
Die fokale dermale Hypoplasie, kurz FDH, ist eine seltene, x-chromosomal-dominant vererbte Bindegewebsstörung mit Fehlbildungen von Haut, Augen, Ohren und Zähnen sowie des Skelettsystems. Ursächlich ist ein Defekt im PORCN-Gen, der bei männlichen Trägern früh zum Tod führt. Bei den bekannten Fällen handelt es sich deshalb beinahe ausschließlich um weibliche Patienten.
Die fokale dermale Hypoplasie gehört zu den ektodermalen Dysplasien.
Nomenklatur
Das Goltz-Gorlin-Syndrom ist nicht identisch mit dem Gorlin-Goltz-Syndrom (autosomal-dominant vererbtes, kutanes Syndrom, das mit multiplen Basalzellkarzinomen am gesamten Integument, Kieferzysten und Skelettfehlbildungen assoziiert ist).
Genetik
PORCN wird auf dem X-Chromosom an Genlokus Xp11.23 kodiert. Neben der x-chromosomalen Vererbung sind auch zahlreiche sporadische Fälle bekannt, darunter einzelne Fälle männlicher Patienten durch postzygotische Mutation. Eine Vielzahl möglicher Mutationen im PORCN-Gen kann für die FDH ursächlich sein, wobei in sporadischen Fällen für gewöhnlich Punktmutationen oder kleine Deletionen, in familiären Fällen größere Deletionen vorliegen. Durch die daraus folgende fehlerhafte Synthese bestimmter Proteine im Wnt-Signalweg kommt es zur gestörten Entwicklung des ektodermalen und mesodermalen Keimblatts während der Embryogenese. Die sehr unterschiedlichen Ausprägungsformen der FDH sind auf Mosaikbildung, zum Beispiel durch X-Inaktivierung zurückzuführen.
Klinik
Hautveränderungen
Bei der klinischen Untersuchung zeigen sich in der Regel ab der Geburt streifige oder (klein-)fleckige Hautläsionen bevorzugt an Rumpf und rumpfnahen Extremitäten. Die betroffenen Areale sind gerötet, eingesunken, hypo- oder hyperpigmentiert und - besonders in der frühen Phase - entzündlich verändert, teilweise auch erodiert oder ulzeriert und nässend. Innerhalb oder im Randbereich der Läsionen finden sich insbesondere bei Lokalisation an den Gliedmaßen gelegentlich von intakter Haut überkleidete polypoide, weiche Tumoren. Sie können aufgrund des in ihnen enthaltenen Fettgewebes gelblich erscheinen. Nahe den Körperöffnungen sieht man warzenartige Papeln, zusätzlich können Teleangiektasien, Nageldystrophie oder Anonychie und fokale Alopezie auftreten.
Kraniofaziale Veränderungen
Manifestationen an den Augen treten auf als Hypertelorismus, Mikro- oder Anophthalmie, Aniridie, Strabismus, Nystagmus, Glaukom, Netzhautablösung oder Kolobom von Iris, Retina, Choroidea oder Nervus opticus. An den Zähnen beziehungsweise in der Mundhöhle können Zahndysplasien oder partielle Zahnagenesien, Anodontie, Störungen des Zahnschmelzes oder eine papilläre Gingivahyperplasie (knapp die Hälfte der Fälle) als Teil des Krankheitsbildes auftreten. Mikrokranie, Asymmetrie des Gesichts und Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten in unterschiedlicher Ausprägung sowie charakteristische faziale Dysmorphien sind beschrieben. Die Beteiligung der Ohren kann Schallempfindungs- oder Schallleitungsschwerhörigkeit bis zur Taubheit beinhalten.
Veränderungen des Skelettsystems
Am Skelett manifestiert sich die Krankheit häufig als Hypo- oder Aplasie der Finger, bzw. in ca. zwei Drittel der Fälle als Syn- oder Polydaktylie. Weitere Malformationen des Skelettsystems umfassen Asymmetrie von Rumpf und Extremitäten (in ca. einem Drittel der Fälle), Kyphosen, Skoliosen und Spina bifida occulta. Eine Neigung zu fragilem Knochenbau und früher Entwicklung einer Osteoporose ist beschrieben.
Weitere Veränderungen
Kardiale oder urogenitale Fehlbildungen, Bauchwanddefekte und Fälle geistiger Behinderung sind beschrieben.
Diagnose
Bei Vorliegen von mindestens drei charakteristischen Hautveränderungen und mindestens einer Malformation der Extremitäten lässt auf eine FDH schließen. Die Mutationen im PORCN-Gen können molekularbiologisch nachgewiesen werden. Auf diese Weise ist auch eine pränatale Diagnosestellung möglich.
Pathohistologie
Die eingesunkenen Hautareale zeigen histologisch eine verschmälerte Epidermis mit Verdrängung der unterliegenden Dermis durch Fettgewebe. Das erhaltene dermale Bindegewebe weist einen verminderten Gehalt an Kollagenfasern auf, elastische Fasern dagegen können vermehrt vorhanden und die Faserbündel verdickt sein. Bei Hyperpigmentierung zeigen sich eine lokalisierte Akanthose, erhöhter epidermaler Melaningehalt und Melanophagen in der papillären Dermis. Die Reteleisten sind keulenförmig. Entzündliche Veränderungen können in unterschiedlichem Ausmaß vorliegen.
Auch im Bereich der lipomatösen Tumoren sind Epidermis und Dermis schmal, kollagene und elastische Fasern können vermindert sein. In der Dermis zeigen sich Ansammlungen von Adipozyten, die sich bis in die papilläre Dermis und an die dermoepidermale Grenze ausdehnen können. Adnexstrukturen wie Haarfollikel und Talgdrüsen können dadurch in die Dermis verlagert oder in geringerer Dichte vorhanden sein. Die papulösen Läsionen um die Körperöffnungen zeigen eine epidermale Hyperplasie mit Hyperkeratose und Papillomatose. Die Dermis ist wiederum schmal mit feinen Kollagenfasern und Zunahme der Vaskularisation im Stratum papillare.
Radiologie
Radiologisch zeigt sich in der Metaphyse langer Röhrenknochen eine longitudinale Streifung (Osteopathia striata).
Differentialdiagnose
Das histologische Bild ist dem des Naevus lipomatosus superficialis sehr ähnlich, auch ein Fibrom mit lipomatöser Komponente käme differentialdiagnostisch in Betracht. Charakteristisches Unterscheidungsmerkmal zu beiden Krankheitsbildern ist der deutlich verminderte dermale Kollagenfasergehalt bei der fokalen dermalen Hypoplasie.
Therapie
Die Therapie ist symptomatisch und abhängig von der Organbeteiligung und Ausprägung der Erkrankung.
Weblinks
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