Gingivahyperplasie
Synonym: Gingivavergrößerung
Englisch: gingival enlargement, gingival overgrowth, hypertrophic gingivitis, gingival hyperplasia
Definition
Als Gingivahyperplasie bezeichnet man eine Zahnfleischwucherung. Ist die Gewebevermehrung lokal begrenzt, spricht man von einer Epulis. Sie zählt zu den Gingivopathien bzw. im erweiterten Sinn zu den Parodontopathien.
- ICD10-Code: K06.1
Pathologie
Die Diagnose "Gingivahyperplasie" wird in der Regel klinisch aufgrund des Aspekts der Gingiva gestellt. Dabei ist es unklar, ob es sich um eine echte Zellvermehrung der Gingiva (Hyperplasie) oder nur um eine Volumenzunahme der Zellen (Hypertrophie) handelt. Eine Differenzierung ist nur pathohistologisch möglich. Im englischen Sprachraum wird deswegen der zutreffendere Terminus "Gingivavergrößerung" (gingival enlargement) verwendet. Er hat sich im deutschen Sprachraum bislang (2017) jedoch nicht durchsetzen können.
Ätiologie
Eine Gingivahyperplasie kann erblich bedingt (z.B. bei Gangliosidose) oder erworben sein. Die Ursachen der Gingivahyperplasie lassen sich in 5 Gruppen einteilen:
Entzündungsbedingte Gingivahyperplasie
Sie entsteht auf dem Boden einer lokal begrenzten oder umfassenden Gingivitis durch bakterielle und/oder mechanische Reizung der Gingiva. Auslösende Faktoren sind unter anderem:
- Zahnplaque
- schlecht sitzender Zahnersatz
- orthodontische Apparate
- Mundatmung
Medikamentös bedingte Gingivahyperplasie
Sie wird durch medikamentöse Wirkstoffe ausgelöst und führt zu einer ausgeprägten Hyperplasie des Zahnfleischepithels sowie des unterliegenden Bindegewebes. Histologisch sieht man eine Akanthose und tief in das Bindegewebe verlängerte Epithelzapfen. Faserelemente und Fibroblasten sind vermehrt. Zusätzlich können Entzündungszeichen bestehen, da die Zahnhygiene beeinträchtigt ist. Auslösende Wirkstoffe sind:
- Antikonvulsiva (Valproinsäure, Phenytoin, Ethosuximid, Methsuximid u.a.). Tritt bei etwa 50% der Patienten auf.
- Immunsuppressiva (Cyclosporin A)
- Calciumantagonisten (z.B. Nifedipin, Felodipin, Amlodipin, Diltiazem)
Gingivahyperplasie ohne feststellbare Ursache
Gingivahyperplasie im Rahmen von Systemerkrankungen bzw. -veränderungen
- Vitaminmangel (Skorbut, in D selten)
- hormonelle Veränderungen (Schwangerschaftsgingivitis, Pubertät)
- Sarkoidose
- Granulomatose mit Polyangiitis
- Leukämie
- chronische Hypoxie
Neoplastische Gingivahyperplasie
Mischformen kommen vor. Unabhängig von der Ursache begünstig mangelnde Zahnhygiene das Entstehen einer Hyperplasie.
Neben der o.a. Gruppen kann man noch eine "falsche" Gingivahyperplasie (Pseudohyperplasie) differenzieren.
Klinik
Eine Gingivahyperplasie kann einzelne Interdentalpapillen, eine umschriebene Gingivaregion oder die gesamte Gingiva betreffen. Die Gingiva ist ödematös aufgetrieben und gerötet. Die Schwellung fällt an den Interdentalpapillen am deutlichsten auf. Bei Sondierung des Zahnfleischsulkus mit der Parodontalsonde kommt es meist zur Blutung.
Ist eine bakterielle Entzündung die Ursache der Gingivahyperplasie, kann im klinischen Verlauf ein Gingivaabszess entstehen.
Schweregrad
Eine Gingivahyperplasie lässt sich in 4 Schweregrade einteilen:
- Grad 0: Keine Hyperplasie, Normbefund
- Grad I: Isolierte Vergrößerung der Interdentalpapillen
- Grad II: Vergrößerung der Interdentalpapillen und der marginalen Gingiva
- Grad III: Vergrößerung ≥ 3/4 der Zahnkrone
Therapie
Die Therapie ist abhängig von der Ursache. Lokale Störfaktoren (Zahnersatz) sollten korrigiert werden. Ist die Gingivahyperplasie medikamentös bedingt, bildet sie sich in der Regel nach Absetzen des auslösenden Wirkstoffs im Verlauf von Wochen oder Monaten zurück. Eine professionelle Zahnreinigung kann - unabhängig von der Ursache - den Heilungsverlauf begünstigen.
In extremen Fällen ist die chirurgische Entfernung des überschüssigen Gewebes nötig (Gingivektomie).
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