Epiduralhämatom
von griechisch: epi - auf; haima - Blut; lateinisch: durus - hart
Synonyme: Epiduralblutung, epidurales Hämatom
Englisch: epidural hematoma, extradural hematoma, epidural hemorrhage, extradural hemorrhage
Definition
Ein Epiduralhämatom, kurz EDH, ist eine intrakranielle Blutung in den physiologischerweise nicht vorhandenen Raum zwischen Tabula interna des Schädelknochens und Stratum periostale der Dura mater (Epiduralraum). Sie ist meist die Folge einer Ruptur der Arteria meningea media. Spinale Epiduralhämatome im Bereich des Rückenmarks kommen nur selten vor.
ICD10-Code
- I62.1: Nichttraumatische extradurale Blutung (inkl. nichttraumatische epidurale Blutung)
- S06.4: Epidurale Blutung (inkl. epidurales Hämatom, traumatische extradurale Blutung)
- S06.7-!: Bewusstlosigkeit bei Schädel-Hirn-Trauma
Ätiolopathogenese
Hauptursache für eine epidurale Blutung ist ein Schädel-Hirn-Trauma (SHT). In 90 % d.F. handelt es sich um eine arterielle Blutung. Am häufigsten wird die Hirnhaut-versorgende Arteria meningea media (ein Ast der Arteria maxillaris) verletzt, da sie nach ihrem Austritt aus dem Foramen spinosum direkt an der inneren Wand der Schädelkalotte entlang verläuft.
In 10 % der Fälle kann auch die Ruptur einer Meningealvene oder eines Hirnsinus zu einem Epiduralhämatom führen. Dann spricht man von einem venösen Epiduralhämatom.
Epidemiologie
Etwa zwei Drittel der betroffenen Patienten sind jünger als 40 Jahre. Das Verhältnis von Männern zu Frauen ist etwa 4:1. Im Vergleich zu traumatischen Subarachnoidalblutungen (tSAH) und Subduralhämatomen (SDH) kommen Epiduralhämatome viel seltener vor.
Lokalisation
Über 90 % der EDH sind unilateral und supratentoriell. Angrenzend findet sich fast immer eine Schädelfraktur. Am häufigsten ist die Pars squamosa des Os temporale betroffen, v.a. im Bereich des Pterions.
Pathologie
Aufgrund der Adhäsion der Dura an die innere Schädeldecke, haben EDH eine bikonvexe bzw. linsenförmige Form. Im Bereich der Suturen haftet die Dura besonders fest an, sodass EDH bei Erwachsenen nur selten die Nahtlinien überschreiten. Bei Kinden können EDH jedoch in 10 % d.F. die Suturen überschreiten.
Symptome
Die Symptome eines Epiduralhämatoms können sich direkt nach dem Trauma oder mit einer gewissen Latenz manifestieren. In 50 % d.F. findet sich ein sogenanntes freies Intervall für Minuten bis Stunden: Nach initialer kurzer Bewusstlosigkeit und anschließendem Aufklaren kommt es zu erneuter Eintrübung durch den steigenden intrakraniellen Druck.
Neben der Vigilanzstörung (Somnolenz bis Koma) können folgende Symptome auf ein Epiduralhämatoms hindeuten:
- Kopfschmerzen
- Übelkeit, Erbrechen
- Unruhe
- epileptischer Anfall
- obere Einklemmung mit (meist ipsilateraler) Mydriasis: Druckläsion der viszeromotorischen Anteile des Nervus oculomotorius mit Ausfall des Musculus sphincter pupillae
- kontralaterale Hemiparese: Druckläsion der Kerngebiete des Kortex
- untere Einklemmung mit Bradykardie, Hypertension und Atemstörung
- Abduzenslähmung bei basalen Hämatomen
Bei Kleinkindern sind Epiduralhämatome nach Schädelverletzungen in den ersten beiden Lebensjahren besonders häufig. Da der kindliche Schädel durch die noch nicht vollständig geschlossenen Fontanellen über eine größere Ausdehnungskapazität verfügt, ist die Vigilanz, vor allem bei Stürzen aus niedriger Höhe, primär oft nicht gestört. In vielen Fällen setzt die Somnolenz erst 6 bis 12 Stunden nach dem Trauma ein. Die Entwicklung einer einseitigen Mydriasis und das Auftreten epileptischer Anfälle sind Spätsymptome, die auf eine ungünstige Prognose hinweisen. Da der Blutverlust durch Einblutung unter die Galea (subgaleatisches Hämatom) erhebliche Ausmaße annehmen kann – auch ohne Entwicklung eines epiduralen Hämatoms – kann das Kleinkind eine Anämie und einen hämorrhagischen Schock erleiden.
Diagnostik
Nach körperlicher und insbesondere neurologischer Untersuchung erfolgt eine Bildgebung. Epiduralhämatome zeigen sich als bikonvexe bzw. linsenförmige Raumforderung, die meist keine Suturen kreuzt, außer es liegt eine diastatische Schädelfraktur vor. Bei Kindern kreuzen 10 % der Epiduralhämatome die Suturen, insbesondere die Sutura coronalis und die Sutura sphenosquamosa.
Computertomographie
In der kranialen Computertomographie (cCT) ist klassischerweise eine bikonvexe, extraaxiale Flüssigkeitskollektion mit hyperdensen Dichtewerten um 60-90 HU erkennbar. In einem Drittel der Fälle liegt eine hypodense Komponente vor (Swirl Sign), die auf eine aktive Blutung hinweist.
Durch den raumfordernden Effekt komprimiert das EDH den angrenzenden Subarachnoidalraum und verdrängt den Kortex nach medial. Die Grenze zwischen grauer und weißer Substanz erscheint nach innen geknickt. In 20 % d.F. findet sich Luft im EDH, insbesondere bei Frakturen der Nasennebenhöhlen oder des Mastoids.
Ein Kontrastmittel-Paravasat ist nur selten erkennbar. Chronische EDH zeigen ein peripheres Enhancement aufgrund von Neovaskularisation und der Bildung von Granulationsgewebe.
Negative prognostische Parameter in der Bildgebung sind:
- gemischte Dichte
- Dicke > 1,5 cm
- Volumen > 30 ml
- Lage am Pterion
- Mittellinienverlagerung > 5 mm
- Swirl Sign
Magnetresonanztomographie
Ein akutes Epiduralhämatom ist typischerweise isointens in T1w- und hypo- bis hyperintens in T2w-Sequenzen. Die verschobene Dura erscheint als schwarze Grenzlinie zwischen Hämatom und Gehirn. Das früh-subakute EDH erscheint in T2w hypointens, in spät-subakuten und chronischen Phasen hyperintens in T1w- und T2w-Sequenzen.
Angiographie
In der digitalen Subtraktionsangiographie (DSA) kann die Lazeration der Arteria meningea media und ein Kontrastmittel-Extravasat aus der Arterie in die umgebenden paarigen Venen (Tram-Track-Zeichen) erkennbar sein.
Differenzialdiagnosen
- Subduralhämatom
- Subarachnoidalblutung
- Meningeom
Therapie
Die meisten Epiduralhämatome, insbesondere bei einem Volumen < 30 ml, einer Mittellinienverlagerung < 5 mm und einem Glasgow Coma Score > 8, werden unter engmaschiger Kontrolle konservativ behandelt. Bei jungen Patienten, Vorliegen einer Koagulopathie sowie größeren Hämatomen ist meist eine sofortige neurochirurgische Eröffnung des Schädels und eine Hämatomausräumung indiziert. Hat sich bereits ein Bulbärhirnsyndrom oder ein Mittelhirnsyndrom ausgebildet, ist die Operation meist erfolglos.
Prognose
Die Prognose hängt von der Größe und Lage des Hämatoms, dem Vorliegen einer arteriellen oder venösen Blutung sowie dem Vorhandensein einer aktiven Blutung ab. Bei einem isolierten EDH liegt die Gesamtmortalitätsrate bei rechtzeitiger Diagnose und adäquater Behandlung unter 5 %. Eine verzögerte Entwicklung bzw. eine Größenausdehnung tritt in 10 bis 15 % d.F. auf, meist innerhalb von 24-36 Stunden nach dem Trauma. Ungefähr 20 % der Betroffenen tragen eine Behinderung davon, etwa 50 % erlangen wieder volle Erwerbsfähigkeit.
Quiz
Bildquelle
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