Bulevirtid
Handelsname: Hepcludex®
Englisch: bulevirtide
Definition
Bulevirtid ist ein Virostatikum aus der Gruppe der Entry-Inhibitoren. Es handelt sich um ein lineares Peptid, das aus 47 L-Aminosäuren besteht. Seine Struktur leitet sich von HBsAg, einem Hüllprotein der Hepatitis-B-Viren, ab.
Wirkmechanismus
Bulevirtid blockiert den Eintritt von Hepatitis-B- und Hepatitis-D-Viren in Hepatozyten, indem es spezifisch an den Natrium-Taurocholat-Cotransporter (NTCP) dieser Zellen bindet, der als essentieller HBV/HDV-Eintrittsrezeptor dient. Dadurch wird der Viruseintritt in die Zelle verhindert und die Ausbreitung der Infektion eingedämmt.[1]
Pharmakokinetik
Die Biotransformation von Bulevirtid erfolgt wahrscheinlich analog der anderer Peptide durch Peptidasen zu kleineren Peptidfragmenten und Aminosäuren. Bei gesunden Probanden wurde dementsprechend keine Ausscheidung von Bulevirtid mit dem Urin nachgewiesen.
Die Plasmaproteinbindung von Bulevirtid liegt über 99 %.
Indikation
Bulevirtid wird angewendet zur Behandlung einer chronischen Hepatitis D (HDV-Infektion) bei erwachsenen Patienten mit kompensierter Lebererkrankung, die im Plasma (oder Serum) positiv auf HDV-RNA getestet wurden.
Besondere Patientengruppen
Es liegen bisher (2024) keine Daten zu Patienten im Alter von mehr als 65 Jahren oder zu Kindern und Jugendlichen von weniger als 18 Jahren vor. Das Gleiche gilt für die Anwendung von Bulevirtid in der Schwangerschaft. Als Vorsichtsmaßnahme wird empfohlen, die Anwendung von Bulevirtid während der Schwangerschaft sowie bei Frauen im gebärfähigen Alter, die keine Verhütung anwenden, zu vermeiden.
Wirksamkeit
In Zulassungsstudien (MYR 202, MYR 203) wurde durch die Gabe von 2 mg Bulevirtid pro Tag nach 24 Wochen bei rund der Hälfte der Patienten eine deutliche Verringerung oder ein Verschwinden der HDV-RNA erreicht. Bei rund 42 % der Patienten kam es zu einer Normalisierung der ALT. Daten zur Beeinflussung der Mortalität liegen nicht vor. Eine abschließende Beurteilung der therapeutischen Wirksamkeit von Bulevirtid ist noch nicht möglich, jedoch deuten erste klinische Studien auf ein gutes Sicherheitsprofil hin. Langzeitdaten fehlen bisher (2023).[2]
In einer offenen klinischen Phase 2b-Studie wurde die Wirksamkeit von Peginterferon alfa-2a allein (180 μg pro Woche) für 48 Wochen mit einer Kombination aus Bulevirtid (2 mg oder 10 mg pro Tag) plus Peginterferon alfa-2a (180 μg pro Woche) für 48 Wochen, gefolgt von Bulevirtid allein (2 mg pro Tag für 48 Wochen oder 10 mg pro Tag für 96 Wochen) untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass die Kombination Bulevirtid (10 mg pro Tag) plus Peginterferon alfa-2a einer Monotherapie mit Bulevirtid in Bezug auf eine nicht mehr nachweisbare HDV-RNA 24 Wochen nach Behandlungsende überlegen ist.[3]
Darreichungsform
Bulevirtid liegt als Pulver zur Herstellung einer Injektionslösung zur subkutanen Injektion vor. Der Arzneistoff kann in typische Stellen für die s.c.-Injektion, wie den Oberschenkel oder den Bauch injiziert werden.
Dosierung
Die empfohlene Dosierung beträgt 2 mg einmal täglich durch subkutane Injektion.
Die optimale Behandlungsdauer ist bisher (2023) nicht bekannt. Die Behandlung sollte so lange fortgesetzt werden, wie dies mit einem klinischen Nutzen verbunden ist. Im Falle einer anhaltenden (6 Monate) HBsAg-Serokonversion oder eines Verlusts des virologischen oder biochemischen Ansprechens sollte ein Behandlungsabbruch in Betracht gezogen werden.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Die am häufigste gemeldete Nebenwirkung (> 1/10) war eine asymptomatische, dosisabhängige und reversible Erhöhung der Gallensalze. Häufige Nebenwirkungen (≥ 1/100, < 1/10) sind:
- Allgemein: Lokalreaktionen an der Einstichstelle, Ermüdung, Grippeähnliche Symptome
- Blutbildendendes System: Anämie, Eosinophilie, Leukopenie, Lymphopenie, Neutropenie, Retikulozytopenie, Thrombozytopenie
- Nervensystem: Schwindelgefühl, Kopfschmerzen, Somnolenz
- Gastrointestinaltrakt: Nausea
- Haut: Erythem, Hyperhidrosis, Pruritus, Exanthem
- Bewegungsapparat: Arthralgie, Muskelspasmen
- Urogenitaltrakt: Hämaturie
- Labor: Erhöhung von ALT, Amylase, AST, Bilirubin, Serumkreatinin, Gamma-GT, Hämoglobin, INR und Serumlipase
Die am häufigsten gemeldete schwerwiegende Nebenwirkung war eine Exazerbation der chronischen Hepatitis nach Absetzen von Bulevirtid, die möglicherweise mit einem Virus-Rebound nach Absetzen der Behandlung im Zusammenhang stand.
Wechselwirkungen
Zulassung
Bulevirtid ist in der EU seit Juli 2020 zugelassen. Hersteller ist MYR Pharmaceuticals.
Kosten
Die Jahrestherapiekosten betragen rund 163.000 Euro (Stand 2020).
Nutzenbewertung
Da es sich bei Bulevirtid um ein Orphan Drug handelt, gilt nach § 35a Abs. 1 Satz 10 SGB V der medizinische Zusatznutzen bereits durch die Zulassung als belegt.[4]
Quellen
- ↑ Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels Hepcludex, EMA, abgerufen am 14.07.2024
- ↑ Nkongolo et al. Bulevirtide als erster spezifischer Wirkstoff gegen Hepatitis-D-Virusinfektionen – Mechanismus und klinische Wirkung. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 65(2): 254-263. 2022
- ↑ Asselah T et al. Bulevirtide Combined with Pegylated Interferon for Chronic Hepatitis D. N Engl J Med. 2024
- ↑ Nutzenbewertungsverfahren zum Wirkstoff Bulevirtid (Chronische Hepatitis-Delta-Virus (HDV)-Infektion, HDV-RNA-positiv), G-BA 18.02.2021, abgerufen am 14.07.2024
Weblinks
- Drugbank - Bulevirtide, abgerufen am 14.07.2024
- Pharmazeutische Zeitung Arzneistoffe - Bulevirtid, abgerufen am 14.07.2024
- Gelbe Liste Wirkstoffe - Bulevirtid, abgerufen am 14.07.2024
- PharmaWiki - Bulevirtid, abgerufen am 14.07.2024
- PubChem: 134687648
- MeSH: 2100430