Befundung einer Kardio-MRT
Definition
Die Befundung einer Kardio-MRT dient der präzisen Beschreibung und Beurteilung einer kardialen Magnetresonanztomographie (Kardio-MRT).
Hintergrund
Eine Kardio-MRT-Untersuchung ist ein immer häufiger eingesetztes radiologisches Verfahren, z.B. bei Verdacht auf eine Myokarditis oder einer Myokardischämie. Sie dient der Beurteilung der Morphologie und Funktion des Herzens sowie der Vitalität und Durchblutung des Myokards. Somit wird die Kardio-MRT unter anderem eingesetzt zur:
- Identifizierung, Lokalisation und Quantifizierung von Durchblutungsstörungen und infarktbedingten Schädigungen des Myokards
- Beurteilung von Kardiomyopathien
- Differenzierung von infiltrativen Herzmuskelerkrankungen
- Diagnose entzündlicher Herzerkrankungen
- Quantifizierung von Fehlfunktionen der Herzklappen
- Abklärung von kardialen Raumforderungen
- Evaluation der abnormen Struktur und Funktion bei angeborenen Herzfehlern
Morphologie und Funktion
Initial sollte die Anatomie des Herzes und der umgebenden Strukturen beurteilt werden. Dabei wird auf die regelrechte Anlage und Dimension der Herzhöhlen, der Lungenarterien und -venen, der Aorta und der Vena cava superior bzw. inferior geachtet.
Hierbei können Pathologien wie z.B. Ventrikelseptumdefekte, Herztumore, Dilatation von Herzhöhlen oder ein Perikarderguss auffallen.
Bei der Beurteilung der Herzfunktion wird auf die regelrechte synchrone Kontraktionsbewegung des Myokards geachtet. Dabei können regionale oder globale Störungen der Myokardbewegung auffallen, die als Akinesien, Hypokinesien, Hyperkinesien oder Dyskinesien beschrieben werden. Außerdem können Strain-Analysen durchgeführt werden.
Linker Ventrikel
Ein guter und schnell messbarer Indikator der globalen linksventrikulären Funktion ist die sogenannte MAPSE (mitral annular plane systolic excursion), auch AVPD (atrioventricular plane deviation) genannt. Sie stellt ein Maß für die Kontraktilität und longitudinale Bewegung des linken Ventrikels dar. Dabei wird die Distanz vom posterioren Mitralklappensegel bis zur Herzspitze in der Diastole und in der Systole bestimmt. Die Differenz sollte bei ≥ 11 mm liegen.
Wichtige quantitative Parameter sind:
- linksventrikulärer enddiastolischer Durchmesser (LV EDD)
- linksventrikulärer enddiastolischer Volumenindex (LV EDVI)
- linksventrikulärer endsystolischer Volumenindex (LV ESVI)
- linksventrikulärer Schlagvolumenindex (LV SVI)
- linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LV EF)
- linksventrikulärer Massenindex (LVMI): ergibt sich aus dem Volumen x 1,05 g/ml. Pathologisch ist eine Myokardmasse > 95 g/m2 BSA.
Zur Bildung des Index dient die Body Surface Area (BSA):
- BSA = 0,007184 x Größe (cm)0,724 x Gewicht (kg)0,425
Die Volumetrie bzw. Planimetrie des linken Ventrikels erfolgt mit der Simpson-Scheibchensummations-Methode (SSSM). Dabei wird scheibchenweise die endo- und epikardiale Kontur eingezeichnet. Dabei müssen folgende Punkte beachtet werden:
- Papillarmuskeln zählen zum Myokard
- der basale Schnitt sollte mindestens 50 % des Myokards beinhalten
- der linksventrikuläre Ausflusstrakt muss inkludiert werden
Rechter Ventrikel
Insbesondere bei der arrhythmogenen rechtsventrikulären Kardiomyopathie (ARVC) sollte auch der rechte Ventrikel beurteilt werden. Ein guter und schneller Indikator für die globale rechtsventrikuläre Funktion ist die TAPSE (tricuspid annular plane systolic excursion). Dabei wird die Distanz vom Trikuspidalsegel bis zur Herzspitze in der Diastole und in der Systole bestimmt. Die Differenz sollte bei ≥ 15 mm liegen.
Weitere Parameter sind z.B.:
- rechtsventrikulärer enddiastolischer Durchmesser (RV EDD)
- LV-RV-Interaktion: systolisches D-Shaping des Kammerseptums
Septum interventriculare
Das anteroseptale Kammerseptum sollte enddiastolisch ≤ 12 mm dick sein.
Linker Vorhof
Das Volumen des linken Vorhofs kann in der Ventrikelsystole bzw. Vorhofdiastole mittels folgender Formel bestimmt werden:
- Volumen = (8/3π) x (A4CH x A2CH) / L
- mit:
- A4CH = Fläche linker Vorhof im 4-Kammerblick
- A2CH = Fläche linker Vorhof im 2-Kammerblick
- L = kürzester longitudinaler Durchmesser des linken Vorhofs
Rechter Vorhof
Das Volumen des rechten Vorhofs kann in der Ventrikelsystole bzw. Vorhofdiastole mittels folgender Formel bestimmt werden:
- Volumen = 3,08 x A2CH + 3,36 x A4CH) - 44,4
- mit:
- A4CH = Fläche rechter Vorhof im 4-Kammerblick
- A2CH = Fläche rechter Vorhof im 2-Kammerblick (des rechten Ventrikels)
Gewebecharakterisierung
Bei der Gewebecharakterisierung wird auf folgende Aspekte geachtet:
- myokardiales Ödem: Beurteilung in STIR- bzw. SPIR-Sequenzen. Als semiquantitativer Parameter dient die T2-Signalintensitäts-Ratio, die bei Werten ≥ 2,0 als pathologisch gilt. Dabei wird die Signalintensität des Myokards mit derjenigen der Skelettmuskulatur ins Verhältnis gesetzt.
- myokardiale Vitalität: In den Aufnahmen 10 bis 20 Minuten nach Kontrastmittelgabe kann ein Late Gadolinium Enhancement (LGE) auffallen. Das LGE vom Infarkttyp tritt in einem Versorgungsgebiet einer Koronararterie auf und ist subendokardial bis transmural lokalisiert. Das LGE vom Nicht-Infarkttyp ist unabhängig vom Versorgungsgebiet und kann auch mitt-myokardial oder subepikardial auftreten. Das LGE ist insbesondere hinweisend auf Narben und Fibrosen.
Perfusion
Dynamische Kontrastmittelsequenzen dienen der Beurteilung der Perfusion. Dabei können z.B. subendokardiale oder transmurale Perfusionsverzögerungen auffallen. Teilweise können sich diese Areale erst nach Gabe von Adenosin oder Regadenoson demaskieren (Stress-MRT).
Myokardiales Mapping
Das T1-Mapping dient unter anderem der Gewebecharakterisierung, z.B. bei Verdacht auf eine diffuse myokardiale Erkrankung wie Sarkoidose oder Amyloidose. Nach Kontrastmittelgabe kann im T1-Mapping das Extrazellulärvolumen (EZV) anhand folgender Formel bestimmt werden:
- EZV = (1 − Hämatokrit) × (ΔR1Myokard/ΔR1Blut)
- mit: R1 = 1/T1
Weiterhin kann ein T2- und ein T2*-Mapping durchgeführt werden.
Flussmessungen
Mittels Flussmessungen können kardiale Shunts und Herzklappenerkrankungen diagnostiziert werden. Sie kommen auch bei der Beurteilung einer hypertrophen Kardiomyopathie (HCM) zum Einsatz.
Beschreibung der Lokalisation
Die Lokalisation von Pathologien des linken Ventrikels erfolgt anhand des 17-Segment-Modells der American Heart Association (AHA). Dabei unterscheidet man in den kurzen Achsen zwischen folgenden Regionen:
- basal:
- 1: anterior
- 2: anteroseptal
- 3: inferoseptal
- 4: inferior
- 5: inferolateral
- 6: anterolateral
- mitt-kavitär:
- 7: anterior
- 8: anteroseptal
- 9: inferoseptal
- 10: inferior
- 11: inferolateral
- 12: anterolateral
- apikal:
- 13: anterior
- 14: septal
- 15: inferior
- 16: lateral
- Apex (17)
In der Regel versorgt
- der Ramus interventricularis anterior (RIVA) die Segmente 1 bis 2, 7 bis 8, 13 bis 14 sowie 17,
- der Ramus circumflexus (LCX) die Segmente 5 bis 6, 11 bis 12 und 16
- und die rechte Koronararterie (RCA) die Segmente 3 bis 4, 9 bis 10 und 15.
Pathologien
Relevante Pathologien, die mittels kardialer MRT diagnostiziert werden können sind unter anderem:
- Myokardischämie, Myokardinfarkt, ischämische Kardiomyopathie
- Myokarditis
- kardiale Sarkoidose
- dilatative Kardiomyopathie
- hypertrophe Kardiomyopathie
- Non-Compaction-Kardiomyopathie
- Tako-Tsubo-Kardiomyopathie
- arrhythmogene rechtsventrikulären Kardiomyopathie
- kardiale Hämochromatose
- kardiale Amyloidose
- Herzklappenerkrankungen
- kongenitale Herzerkrankungen (z.B. Vorhofseptumdefekt, Ventrikelseptumdefekt)
- Herztumore
Protokoll
Das Protokoll, also die Auswahl und Reihenfolge der MRT-Sequenzen unterscheidet sich je nach Verdachtsdiagose.
Myokarditis, Kardiomyopathie
Bei vermuteter Myokarditis oder Kardiomyopathie bietet sich beispielsweise folgendes Protokoll an:
- Localizer: zur Planung der Sequenzen
- SSFP-Cine: Funktion, Wandbewegungsstörungen, Perikarderguss
- STIR: Myokardödem, T2-Signalintensitäts-Ratio
- T1- und T2-Mapping: Hyperämie, myokardiales Ödem, Inflammation, myokardiale Fibrose
- Kontrastmittelgabe
- SSFP-Cine
- T1-Mapping nach Kontrastmittel
- Late Gadolinium Enhancement: Nekrose, Ischämie, fokale Fibrose
Ischämie
Zur Identifikation von Ischämien bietet sich eine Stress-MRT an. Ein typisches Protokoll besteht aus:
- Localizer
- SSFP-Cine
- Gabe von Adenosin
- Gabe von Kontrastmittel
- Stress-Perfusion
- SSFP-Cine
- Ruhe-Perfusion
- SSFP-Cine
- LGE
Klappenvitien
Zur Beurteilung und Quantifizierung von Klappenvitien eignet sich beispielsweise folgendes Protokoll:
- Localizer
- SSFP-Cine: Jetlokalisation, Klappenmorphologie
- Phasenkontrast-Sequenzen: Geschwindigkeit (Querschnitt durch den Jet) und Fluss (Querschnitt durch das Gefäß)
Bei Klappenstenosen können anschließend die verkleinerte Klappenöffnungsfläche und die vergrößerte maximale Geschwindigkeit, bei Klappeninsuffizienzen die vergrößerte Insuffizienzfläche und das erhöhte Regurgitationsvolumen bestimmt werden.
Pitfalls
Typische Fehlerquellen bei der Beurteilung von T2w-Sequenzen sind:
- Slow-Flow-Artefakte: falsch-positive Befunde
- Signalabfall in den Black-Blood-Sequenzen: falsch-negative Befunde
- Anasarka, Entzündung der Skelettmuskulatur: falsch-negative T2-Signalintensitäts-Ratio
Bei der Perfusion dürfen Dark-Rim-Artefakte nicht mit einer subendokardialen Ischämie verwechselt werden. Das Artefakt tritt typischerweise auf, wenn das Kontrastmiittel im Cavum ist. Es ist meist nach 8 bis 10 Herzschlägen nicht mehr nachweisbar.
Weiterhin kann eine inadäquat niedrige Belastung unter Adenosin zu falsch-negativen Befunden führen. Hinweisend sind ein schwacher Herzfrequenzanstieg, ein fehlendes thorakales Druckgefühl und eine normale Atmung. Ein weiteres Zeichen ist ein fehlender "splenic switch-off", also eine normale Milzdurchblutung unter Adenosin.
Differenzialdiagostik
Erkrankung | Morphologie, Funktion | Ödem | Vitalität | Weitere Zeichen |
---|---|---|---|---|
Akute Myokardischämie | Hypo-/Akinesie | vorhanden | LGE vom Infarkttyp | No-Reflow Phänomen (mikrovaskuläre Obstruktion), Thrombus, abnehmende Wanddicke bei chronischem Infarkt |
Tako-Tsubo-Kardiomyopathie | Hypo-/Akinesie der Herzspitze (Apical Ballooning) | möglich | in Einzelfällen LGE vom Nicht-Infarkttyp | |
Akute Myokarditis | Dyskinesie, Hypo-/Akinesie möglich | vorhanden | LGE vom Nicht-Infarkttyp, meist subepikardial streifig und septal bzw. basal anteroseptal lokalisiert | Regionaler Anstieg im T2- oder T1-Mapping, Anstieg des Extrazellulärvolumens, Perikarditis |
Sarkoidose | Dyskinesie und linksventrikuläre Hypertrophie möglich | vorhanden | ausgeprägtes LGE vom Nicht-Infarkttyp, meist fleckförmig in hypertrophierten Arealen und septal, inferolateral und anterolateral lokalisiert |
Links
Literatur
- Schulz-Menger J et al. Standardized image interpretation and post-processing in cardiovascular magnetic resonance - 2020 update: Society for Cardiovascular Magnetic Resonance (SCMR): Board of Trustees Task Force on Standardized Post-Processing. J Cardiovasc Magn Reson. 2020
- Kellman P, Arai AE. Cardiac imaging techniques for physicians: late enhancement. J Magn Reson Imaging. 2012
- Kellman P, Hansen MS. T1-mapping in the heart: accuracy and precision. J Cardiovasc Magn Reson. 2014
- Kawel-Boehm N et al. Reference ranges ("normal values") for cardiovascular magnetic resonance (CMR) in adults and children: 2020 update J Cardiovasc Magn Reson. 2020