Aortenisthmusstenose
Synonyme: Aortenkoarktation, Coarctatio aortae (CoA), Isthmusstenose der Aorta, ISTA
Englisch: aortic isthmus stenosis, aortic coarctation, coarctation of aorta
Definition
Die Aortenisthmusstenose, kurz ISTA, ist eine Lumeneinengung der Aorta im Bereich des Isthmus aortae, d.h. am Übergang des Aortenbogens zur Aorta descendens im Mündungsbereich des fetalen Ductus arteriosus Botalli. Man unterscheidet eine präduktale und eine postduktale Form dieser Fehlbildung.
Epidemiologie
Eine Aortenisthmusstenose liegt bei etwa 7 % aller angeborenen Herzfehler vor, die Inzidenz wird auf etwa 40/100.000 Lebendgeburten geschätzt.[1] Insgesamt betrachtet sind Jungen häufiger betroffen als Mädchen.
Ätiopathogenese
Die Ätiologie ist bisher (2023) unvollständig verstanden. Es findet sich eine Assoziation mit:[2][3]
- genetischen Syndromen
- Ullrich-Turner-Syndrom (15 bis 20 % der Patientinnen)
- DiGeorge-Syndrom
- PHACE-Syndrom
- Noonan-Syndrom
- Einzelgendefekten von NOTCH1, MCTP2, FOXC1
- weiteren angeborenen Vitien von Aorta und linkem Herzen (insb. bei präduktaler Form)
- bikuspide Aortenklappe (60 %)
- tubuläre Aortenbogenhypoplasie (18 %)
- Ventrikelseptumdefekt (13 %)
- Mitralvitien (8 %)
- subvalvuläre Aortenstenose (8% )
- Arteria lusoria
Für die Entstehung der Verengung gibt es keine allgemein anerkannte Theorie. Diskutiert werden unter anderem ein abnormer Blutfluss, Migrationsdefekte von Angioblasten bei der Aortenbogenbildung aus den Schlundbogenarterien und ein Einwachsen von Gewebe des Ductus arteriosus in die Aortenwand.[4]
Einteilung der Aortenisthmusstenose
Präduktale Aortenisthmusstenose
Bei dieser Form der Aortenisthmusstenose liegt die Einengung der Aorta vor der Einmündung des Ductus arteriosus. Eine gleichzeitige Persistenz des Ductus arteriosus ist häufig anzutreffen.
Die Aortenisthmusstenose ist meist derart stark ausgeprägt, dass von der Aorta ascendens und vom Aortenbogen kaum Blut in die Aorta descendens fließen kann. Die Aorta descendens wird daher, als Folge der pulmonalen Hypertonie, fast ausschließlich aus der Arteria pulmonalis durch den offenen Ductus arteriosus mit sauerstoffarmem Blut versorgt. Dies führt zu der charakteristischen Zyanose der unteren Körperhälfte. Ist der Ductus weit geöffnet, können die Femoralarterienpulse gut getastet werden, die Blutdruckwerte der oberen und unteren Extremität sind unauffällig. Verschließt sich der Ductus, kommt es zu einer Abschwächung der Femoralispulse und einem Absinken des Blutdruckes, was zu Nierenversagen und Anurie führen kann.
Postduktale Aortenisthmusstenose
Die eng umschriebene, an eine Sanduhr erinnernde Lumeneinengung der Aorta distal der Ductuseinmündung, führt bei verschlossenem Ductus arteriosus zu einer Druckbelastung des linken Ventrikels, und zu einer Hypertonie in der Aorta ascendens und ihrer Gefäßabgänge. Jenseits der Stenose, ist der Blutdruck hypoton, wodurch es zu einer Minderdurchblutung der durch die Aorta abdominalis versorgten Organe kommt.
Wenn die Stenose vor der linken Arteria subclavia liegt, besteht eine Blutdruckdifferenz zwischen dem rechten Arm einerseits und dem linken Arm und dem Unterkörper andererseits. Falls die Stenose hinter der linken Arteria subclavia liegt, lässt sich zwischen Ober- und Unterkörper eine Blutdruckdifferenz messen.
Symptomatik
Die Symptomatik hängt primär vom Stenosegrad ab. Bei kritischen Stenosen bestimmt auch die Lage der Stenose zum DAB die Klinik.[3]
Kritische Stenose
Kritische Formen der Aortenisthmusstenose führen schon im Neugeborenenalter zu schweren Symptomen. Während die postduktalen Stenosen sich bereits direkt postnatal äußern, kommt es bei der präduktalen Form vor allem beim Verschluss des DAB (erste 4 Lebenswochen) zur abrupten, lebensbedrohlichen Hypoxie bzw. Hypotonie der unteren Körperhälfte und Herzinsuffizienz. Möglich sind folgende Symptome:
- verändertes Hautkolorit der unteren Körperhälfte (bei assoziierter Arteria lusoria auch des rechten Arms)
- Zyanose (präduktale Form vor DAB-Verschluss)
- blass-marmoriertes Hautkolorit (postduktale Form, präduktale nach DAB-Verschluss)
- Links- oder Globalherzinsuffizienz mit
- Tachykardie
- Tachypnoe
- Lungenödem
- Hepatosplenomegalie
- peripheren Ödemen
- Perfusionsstörung der Abdominalorgane
- Trinkschwäche
- Gedeihstörung
Die Letalität kritischer Stenosen liegt nahe 90 %, wenn nicht frühzeitig therapiert wird.
Nicht-kritische Stenose
Nicht-kritische Stenosen können sich je nach Schweregrad im Kleinkind-, Jugend- oder seltener im Erwachsenenalter manifestieren. Häufig sind eine Pulsdifferenz und ein Herzgeräusch bei der Auskultation die einzigen relevanten Symptome bei den Vorsorgeuntersuchungen nach der Geburt. Oftmals kommt es zu:
- Hypertonus der oberen Körperhälfte mit
- Facies rubra, warmen roten Händen
- Kopfschmerzen, Schwindel
- Nasenbluten
- auf lange Sicht erhöhtem Schlaganfall- und Herzinfarktrisiko
- Perfusionsdefizit der unteren Körperhälfte (bei assoziierter Arteria lusoria auch des rechten Arms) mit
- kalten Füßen
- Wadenschmerzen bei Belastung, bei Jugendlichen kann sich das Vollbild einer Claudicatio intermittens entwickeln
Diagnostik
Körperliche Untersuchung
Bei der Herzauskultation kann ein spätsystolisches, spindelförmiges Geräusch auffallen, dessen Punctum maximum links-infraklavikulär liegt. Ein solches Geräusch ist jedoch nicht zwingend vorhanden, insbesondere bei kritischer Stenose fehlt es in 50 % der Fälle.[3] Weiterhin können Strömungsgeräusche der Kollateralen zwischen den Schulterblättern sowie Geräusche von assoziierten Herzfehlern hörbar sein.
Allgemein findet sich eine Abschwächung des Femoralispulses. Bei der präduktalen Form kann sich dies auch erst nach Verschluss des DAB zeigen. Es besteht eine Blutdruckdifferenz zwischen Armen und Beinen.
Labor
Im Labor können sich bei kritischer Form eine Laktatazidose und erhöhte Nierenretentionswerte zeigen.
Apparative Diagnostik
- EKG: Zeichen der linksventrikulären, bei präduktaler Form vor DAB-Verschluss auch der rechtsventrikulären Hypertrophie
- Röntgenthorax
- bei kritischer Form Kardiomegalie, Lungenödem
- bei nicht-kritischer Form im Verlauf oft erweiterter Aortenbogen vor der Stenose und Einkerbungen des Rippenunterrandes (Rippenusuren, pathognomonisch) durch dilatierte Interkostalarterien, die Kollateralkreisläufe herstellen
- Darstellung der Stenose per Echokardiographie, MR-Angiographie
Therapie
Die Therapie besteht in der Korrektur der Stenose. Diese erfolgt bei kritischem Stenosierungsgrad offen-chirurgisch in den ersten Lebenstagen. Je nach Morphologie der Stenose sind Patchplastiken, Stenoseresektionen mit End-zu-End-Anastomosen und prothetische Interponate möglich. Bei nichtkritischer Stenose und höherem Alter sind auch endovaskuläre Verfahren (Ballondilatation und Stentimplantation) möglich.
Bei kritischer präduktaler Stenose erfolgt bis zur Operation in den ersten Lebenstagen eine überbrückende Infusion von Prostaglandin E1. Dies führt beim Neugeborenen zur Aufrechterhaltung des Körperkreislaufes unterhalb der Stenose durch den Ductus arteriosus Botalli. Anschließend wird die chirurgische Korrektur der Stenose angestrebt.
Quellen
- ↑ Hoffman JI, Kaplan S. The incidence of congenital heart disease. J Am Coll Cardiol. 2002
- ↑ Kim YY et al. Aortic Coarctation. Cardiol Clin. 2020
- ↑ 3,0 3,1 3,2 Haas N, Kleideiter U (Hrsg.): "Kinderkardiologie" 3. Auflage. Thieme Verlag Stuttgart, 2021.
- ↑ Kenny D, Hijazi ZM. Coarctation of the aorta: from fetal life to adulthood. Cardiol J. 2011
Weblinks
- Chen B, Wei M. Aortic Coarctation. N Engl J Med. 2024 - Fallbericht mit Abb.
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