Spontane intrakranielle Blutung
Englisch: spotaneous intracranial hemorrhage, sICH, nontraumatic intracranial hemorrhage
Definition
Als spontane intrakranielle Blutung, kurz sICH, wird eine nicht-traumatisch bedingte Blutung innerhalb des Schädels bezeichnet. Sie bildet eine Teilmenge der intrakraniellen Blutungen.
Einteilung
Je nach Lokalisation der Blutung unterscheidet man zwischen extraaxialen und intraaxialen spontanen intrakraniellen Blutungen. Extraaxiale Blutungen in den Subdural-, Epidural- oder Subarachnoidalraum sind fast immer mit einem Schädel-Hirn-Trauma assoziiert. Intraaxiale, d.h. intrazerebrale Blutungen treten hingegen häufiger spontan auf.
Spontane epidurale Blutung
Eine spontane epidurale Blutung tritt fast immer im spinalen Epiduralraum auf, während sie intrakraniell eine Rarität darstellt. Beschriebene Ursachen sind:
- Gerinnungsstörung
- Infektion (v.a. Mastoiditis oder Sinusitis sphenoidalis)
- Sinusthrombose
- Knocheninfarkt (z.B. bei Sichelzellanämie)
- Vaskuläre Läsion der Schädelkalotte (z.B. Hämangiom, Metastase, intradiploische Epidermoidzyste)
Spontane subdurale Blutung
95 % der Subduralhämatome treten im Rahmen eines Schädel-Hirn-Traumas auf. Mögliche Ursachen der selteneren spontanen Subduralblutung sind:
- Intrakranielle Hypotension:
- traumatisch: Liquorleck bei Wirbelsäulen- oder Duraverletzung
- iatrogen: Duraverletzung nach Lumbalpunktion, Myelographie, Spinalanästhesie oder Schädeloperation
- spontan
- Hyponatriämische Dehydratation
- angeborene oder erworbene Koagulopathien
- durale Sinusthrombose
- Meningitis
In einigen Fällen tritt ein Subduralhämatom angrenzend an eine periphere intrazerebrale Blutung auf, insbesondere bei Patienten mit Vaskulopathien (z.B. zerebrale Amyloidangiopathie, Pseudoaneurysmabildung) oder Gefäßfehlbildungen. Eine Ruptur einer kortikalen Arterie oder eines sacciformen Aneurysmas sowie durale Hämangiome können in sehr seltenen Fällen auch ein Subduralhämatom verursachen. Ältere Patienten mit intrinsischer oder iatrogener Koagulopathie sind besonders für ein SDH prädisponiert, auch wenn eindeutige Hinweise auf ein Kopftrauma fehlen. In einigen Fällen lässt sich keine Ursache identifizieren.
Spontane subarachnoidale Blutung
Eine spontane bzw. nicht-traumatische Subarachnoidalblutung (ntSAB) entsteht meist durch eine Ruptur eines Aneurysmas. Klinisch stellen sich die Patienten meist mit plötzlich einsetzenden, stärksten Vernichtungskopfschmerzen vor.
Aneurysmen kommen am häufigsten im Bereich des Circulus arteriosus cerebri und der Bifurkation der Arteria cerebri media (MCA) vor. Entsprechend ist eine ntSAB meist im Bereich der basalen Zisternen und in der Sylvischen Fissur lokalisiert.
Subarachnoidales Blut um das Mittelhirn und anterior der Pons wird als perimesencephale nichtaneurysmatische SAB (pnSAB) bezeichnet. Dieser Subtyp verläuft selbstlimitierend, führt selten zu Vasospasmen und ist vermutlich auf eine venöse Blutung zurückzuführen. Eine CT-Angiographie sollte zum Ausschluss eines Basilarisspitzenaneurysma durchgeführt werden. Eine DSA ist i.d.R. nicht notwendig.
Blut in einem oder mehreren Sulci der oberen Großhirnhemisphäre wird als konvexale SAB bezeichnet. Ursächlich sind u.a. kortikale Hirnvenenthrombosen und eine Amyloidangiopathie bei älteren Patienten sowie das reversible zerebrale Vasokonstriktionssyndrom bei jüngeren Personen.
In 10 bis 20 % d.F. bleibt die Ursache bei einer spontanen ntSAB unklar.
siehe Hauptartikel: nicht-traumatische Subarachnoidalblutung
Spontane intrazerebrale Blutung
Eine spontane intrazerebrale Blutung (sICB) ist die häufigste Form der spontanen intrakraniellen Blutung. Eine ICB ist für 10-15 % der Schlaganfälle verantwortlich. Der wichtigste Risikofaktor und gleichzeitig die häufigste Ursache einer ICB ist die arterielle Hypertonie, die bei 60 bis 80 Prozent der Betroffenen vorliegt.
Insbesondere striatokapsuläre oder thalamische Blutungen bei älteren Patienten sind i.d.R. hypertensiver Genese ("loco typico"). Bei jüngeren Patienten muss in dieser Lokalisation an einen Drogenabusus gedacht werden. Rupturierte Aneurysmen verursachen selten Blutungen in den lateralen Basalganglien. Neoplasien mit hämorrhagischer Nekrose sind eine mögliche, jedoch seltene Differenzialdiagnose in dieser Lokalisation.
Lobärblutungen können eine Vielzahl an Ursachen haben. Bei älteren Patienten kommen v.a. eine zerebrale Amyloidangiopathie, eine arterielle Hypertonie sowie eine Neoplasie in Frage. Vaskuläre Fehlbildungen und hämatologische Malignome sind die primären Ursachen bei jüngeren Patienten. Durale Sinus- und/oder kortikale Hirnvenenthrombosen sind selten, können aber in allen Altersgruppen vorkommen.
Blutungen an der Grenze zwischen grauer und weißer Substanz sind typisch für Metastasen, septische Embolien und mykotische Infektionen.
Multifokale Blutungen in der weißen Substanz sind selten. Bei Patienten mit einer fiebrigen Erkrankung in der Anamnese und anschließender plötzlicher neurologischer Verschlechterung muss an die hämorrhagische Form der akuten disseminierten Enzephalomyelitis (ADEM), die so genannte akute hämorrhagische Leukoenzephalopathie (AHLE, Weston-Hurst-Syndrom), gedacht werden.
siehe Hauptartikel: spontane intrazerebrale Blutung