Rexed-Laminae
nach Bror Rexed, schwedischer Neurowissenschaftler (1914-2002)
Synonym: Laminae spinales
Englisch: Rexed laminae
Definition
Als Rexed-Laminae werden 10 Schichten grauer Substanz im Rückenmark bezeichnet, die ähnlich wie die Brodmann-Areale anhand von zellulären und funktionellen Aspekten unterschieden werden.
Neuroanatomie
Die Laminae I bis IX werden von dorsal nach ventral durchnummeriert:
- Columna posterior (Hintersäule): Laminae I bis VI
- Columna intermedia: Laminae VII und X
- Columna anterior (Vordersäule): Lamina VIII und IX sowie im Bereich der Intumeszenzen lateral zusätzlich Lamina VII
Die Laminae I bis VIII sind entlang des gesamten Rückenmarks vorhanden, wobei Dicke und Ausprägung segmental variieren. Lamina IX ist keine Schicht im engeren Sinn, sondern wird durch inselförmige Motoneurongruppen in den Laminae VIII und VII gebildet. Die Lamina X liegt um den Zentralkanal (Canalis centralis).
Columna posterior
Innerhalb der Columna posterior unterscheidet man zwischen:
- Apex (Lamina I)
- Caput (Lamina II)
- Cervix (Laminae III bis V)
- Basis (Lamina VI)
Die Laminae enthalten überwiegend Neurone mit kleinen bis mittelgroßen Perikarya (v.a. Interneurone), jedoch auch größere Perikarya von Strangzellen, deren Fasern sich u.a. im Tractus spinothalamicus sammeln. Die Neurone erhalten über die Hinterwurzeln Somato- und Viszeroafferenzen von Extero-, Proprio- und Interozeptoren.
Dünne III- und IV-Fasern v.a. aus Nozi- und Thermorezeptoren treten als sog. laterales Bündel über die Hinterwurzel ein und teilen sich im Tractus posterolateralis (Lissauer-Randzone) T-förmig. Die Fortsätze ziehen einige Segmente auf- und abwärts und enden v.a. in den Laminae I bis III.
Dickere I- und II-Fasern von Mechano- und Propriozeptoren ziehen medial ins Hinterhorn als sog. mediales Bündel ein und treten überwiegend in tiefere Schichten bzw. ziehen über den Hinterstrang zu supraspinalen Zentren.
Lamina I
Die Rexed-Lamina I wird auch als Nucleus marginalis bzw. Substantia spongiosa bezeichnet. Sie ist sehr schmal und grenzt direkt an den dorsal gelegenen Tractus posterolateralis. Die Strangzellen mit ihren großen Perikarya nennt man auch Waldeyer-Zellen. Ihre Axone ziehen nach kontralateral u.a. zur Formatio reticularis des Mesencephalons und zum Thalamus über den Tractus spinothalamicus.
Die Neurone der Lamina I erhalten Afferenzen aus der Hinterwurzel, anschließenden Laminae der Hintersäule und absteigenden Fasern aus supraspinalen Zentren. Sie dienen insbesondere der Schmerzleitung und -verarbeitung. Die nozizeptiven Afferenzen stammen aus der Haut, Muskeln und Eingeweiden. Neurotransmitter sind u.a. Glutamat, Substanz P und CGRP. Die Schmerzleitung wird segmental durch inhibitorische Interneurone reguliert (Opioide, GABA, Glyzin). Auch supraspinale Zentren greifen über absteigende Bahnen (z.B. aus dem Nucleus raphes magnus) in die Schmerzverarbeitung modulierend über Serotonin und Noradrenalin ein, indem sie inhibitorische Interneurone erregen.
Lamina II
Die Lamina II wird auch als Substantia gelatinosa bezeichnet. Sie ist makroskopisch als dunklere Zone erkennbar und enthält viele kleine Neurone und nichtmyelinisierte Axone aus der Hinterwurzel (Hautafferenzen), von absteigenden Bahnen und Interneuronen. Die Lamina II dient insbesondere der Schmerzleitung und -verarbeitung. Man unterscheidet folgende Neuronengruppen:
- Grenzzellen (Interneurone) mit transversalen Dendriten, die bis in die Lamina III reichen, und Axonen, die an Lamina-I-Neuronen enden.
- Zentralzellen (Interneurone): mit kraniokaudalen Dendriten und Axone, die sich über die gesamte Breite der Lamina II erstrecken.
- Strangzellen, deren Axone zu kranialen Rückenmarkssegmenten oder in das Gehirn aufsteigen.
Laminae III und IV
Die Laminae III und IV sind von myelinisierten Nervenfasern durchsetzt und enthalten Nervenzellgruppen, die als Nucleus proprius zusammengefasst werden. Die Perikarya dieser Neuronen sind größer, variabler gestaltet und weniger dicht gepackt als in der Lamina II. Außerdem kommen viele Zentralzellen sowie weitere Neurone vor, deren Dendriten sich horizontal ausbreiten und in die Lamina II ziehen. Viele dieser Nervenzellen sind Strangzellen, deren Axone über den Tractus spinocervicalis zum Nucleus cervicalis lateralis aufsteigen und dann zum Thalamus projizieren. Weitere Strangzellaxone enden über den Tractus spinothalamicus direkt im Thalamus.
Afferenzen der Neurone der Laminae III und IV sind Fasern der Hinterwurzeln (Hautafferenzen), aus supraspinalen Zentren (kortikospinale und retikulospinale Fasern) und von lokalen Interneuronen.
In den obersten zervikalen Rückenmarkssegmenten bildet der mediale Abschnitt der Lamina IV den Nucleus basilaris internus, der als Fortsetzung des Nucleus cuneatus betrachtet wird. Der Kern erhält Afferenzen aus Thorakal- und unteren Halssegmenten.
Lamina V
Die Rexed-Lamina V enthält Neurone, die Afferenzen aus Haut, Muskulatur und Eingeweiden mit verschiedenen Sinnesmodalitäten (Berührung, Schmerz, chemische Reize etc.) empfangen. Im medialen Abschnitt enden viszeroafferente Nervenfasern der Hinterwurzel (Substantia visceralis secundaria). Außerdem emfangen die Neurone auch absteigende Fasern aus dem Hirnstamm (Nucleus raphes magnus, Nucleus reticularis gigantocellularis). Die Neurone sind sowohl Interneurone als auch Strangzellen, deren Axone im Tractus spinothalamicus zum Thalamus verlaufen.
Lamina VI
Die Rexed-Lamina VI ist in verschiedenen Rückenmarksabschnitten gegenüber der Lamina V nur schwer abgrenzbar, jedoch in oberen Halssegmenten sowie in der Intumescentia cervicalis und lumbosacralis gut nachweisbar. Hier befinden sich Interneurone und Strangzellen, die verschiedene Sinnesmodalitäten verarbeiten (z.B. propriozeptive und nozizeptive Reize).
Columna intermedia
Die Columna intermedia wird primär durch die Lamina VII gebildet. Im Bereich der Intumeszenzen reicht sie bis in den lateralen Abschnitt der Vordersäule.
Lamina VII
Die Lamina VII entspricht der Substantia intermedia lateralis. Sie enthält Interneurone, Strangzellen und z.T. vegetative Wurzelzellen. Die Axone vieler Strangzellen verlaufen im Tractus spinothalamicus und Tractus spinoreticularis. Die Neurone erhalten sensorische Afferenzen über die Hinterwurzeln und Fasern aus supraspinalen Zentren und von lokalen Interneuronen.
In der Laminae VII befindet sich auch der Nucleus dorsalis (Stilling-Clarke-Säule), der sich vom Segment C8 bzw. Th1 bis zum Segment L2 oder L3 erstreckt.[1] An diesen Neuronen enden propriozeptive Afferenzen aus der Skelettmuskulatur (myelinisierte I- und II-Fasern) und Gelenken. Die Axone bilden den Tractus spinocerebellaris posterior.
Perikarya von Strangzellen bilden in den Rückenmarkssegmenten C1 bis C4 den Nucleus cervicalis centralis. Diese Strangzellen erhalten Afferenzen aus Hals- und Nackenmuskeln sowie von Wirbelgelenken und Vestibulariskernen. Ihre Efferenzen projizieren zum Kleinhirn. Die Neurone dienen der Koordination von Kopfbewegungen.
Weiterhin lassen sich Kerngebiete beschreiben, die vegetative Wurzelzellen enthalten:
- Nucleus intermediomedialis (T1 bis L3): präganglionäre Neurone des Sympathikus
- Nucleus intermediolateralis (Columna lateralis von C8 bis L3): präganglionäre Neurone des Sympathikus
- Nuclei parasympathici sacrales (S2 bis S4): präganglionäre Neurone des Parasympathikus
Lamina X
Die Rexed-Lamina X wird auch als Area spinalis X oder Substantia intermedia centralis bezeichnet. Sie entspricht der grauen Substanz um den Zentralkanal und besteht aus:
Hier befinden sich kleine Neurone, die Afferenzen aus Eingeweiden und Skelettmuskulatur erhalten. Die Axone ziehen in die Laminae V, VI und VII.
Columna anterior
Die Columna anterior wird von den Laminae VIII und IX sowie im Bereich der Intumeszenzen lateral zusätzlich von der Lamina VII gebildet.
Lamina VIII
Die Neurone der Lamina VIII besitzen ventrodorsal orientierte Dendriten und stellen meist Interneurone motorischer Systeme dar. Sie erhalten Afferenzen aus der Hinterwurzel und von Kommissurenzellen (propriospinale Afferenzen) sowie von supraspinalen Zentren (u.a. vestibulo- und retikulospinale Afferenzen). Ihre Efferenzen enden an Motoneuronen.
Teilweise kommen auch Strangzellen vor, deren Axone in der Commissura alba anterior zur Gegenseite kreuzen und im Tractus spinothalamicus verlaufen. Sie dienen der Schmerzleitung und -verarbeitung.
Lamina IX
Die Lamina IX umfasst Gruppen von cholinergen somatomotorischen Wurzelzellen (α- und γ-Motoneurone) und Interneuronen (z.B. Renshaw-Zellen). Sie stellt keine eigenständige Lamina dar, da sie Kernsäulen innerhalb der Laminae VIII und VII der Vordersäule bildet.
Die Axone der Motoneurone verlassen über die Vorderwurzel das Rückenmark und erreichen über die Äste von Spinalnerven die Skelettmuskeln, die sie innervieren. Man unterscheidet verschiedene Kernsäulen:
- mediale Kerngruppe: Innervation der axialen Muskulatur.
- Nucleus anteromedialis (C1 bis Co1)
- Nucleus posteromedialis (C1, T1 bis L2)
- laterale Kerngruppe: im thorakalen Rückenmark für Innervation von Interkostal- und Bauchwandmuskulatur zuständig. Im Bereich der Intumescentia cervicalis und lumbosacralis dienen sie der Innervation der Extremitätenmuskulatur. Hier kann die laterale Kerngruppe weiter untergliedert werden:
- Nucleus anterior und Nucleus anteriolateralis (C5 bis C8, L2 bis S1)
- Nucleus posteriolateralis (C5 bis C8, L2 bis S2)
- Nucleus retroposterolateralis (C8 bis T1, S1 bis S3)
- zentrale Kerngruppe (Nucleus centralis):
- Nucleus nervi phrenici (C3 bis C5): für die Innervation des Zwerchfells
- Nucleus nervi accessorii (C1 bis C5): Nervenfasern ziehen seitlich aus dem Rückenmark, verlaufen im Subarachnoidalraum nach kranial und vereinigen sich zu einem Faserbündel, das durch das Foramen magnum aufsteigt. Diese Radix spinalis vereinigt sich mit der Radix cranialis zum Stamm des Nervus accessorius.
In den Segmenten S2 und S3 befindet sich ventral im Vorderhorn der sogenannte Onuf-Kern, der Motoneurone des Nervus pudendus enthält und für die Innervation der Beckenbodenmuskulatur zuständig ist.
Quellen
- ↑ Drenckhahn et al. Taschenlehrbuch Anatomie, Elsevier, 3. Auflage, 2020
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