Onchozerkose
Synonym: Flussblindheit
Englisch: river-blindness
Definition
Unter einer Onchozerkose versteht man eine Infestation mit dem parasitären Fadenwurm Onchocerca volvulus, die sich vor allem durch subkutane Knoten und Hautveränderungen manifestiert.
Epidemiologie
Die Erkrankung kommt vor allem im tropischen Afrika sowie in Süd- und Zentralamerika vor, wobei schätzungsweise 37 Millionen Menschen in 31 Ländern betroffen sind.
Entwicklungszyklus
Die infektiösen Larven von Onchozerca volvulus werden durch Mücken der Gattung Simulium (Kriebelmücken) übertragen. Die Larven entwickeln sich zu adulten Würmern (Makrofilarien), die die Subkutis besiedeln. 7 Monate bis 3 Jahre nach der Infektion scheiden die weiblichen Würmer Mikrofilarien aus, die sich in der Haut ansammeln. Die Mikrofilarien werden durch die Blutmahlzeit weiblicher Simulien aufgenommen, in denen sie sich wieder zu infektiösen Larven entwickeln.
Die weiblichen Würmer sind 20-50 cm lang, die männlichen 3-8 cm. Sie werden durchschnittlich 9 Jahre alt. Da die Simulien an schnell fließenden Gewässern brüten und nur eine Flugstrecke von wenigen Kilometern haben, ist die Übertragung der Onchozerkose in flussnahen Gebieten am höchsten.
Pathogenese
Im Gegensatz zur lymphatischen Filariose verursachen bei der Onchozerkose in erster Linie die Mikrofilarien und nicht die adulten Würmer die Symptome. Dabei betrifft die Onchozerkose v.a. die Haut, Augen und Lymphknoten.
- Haut:
- leichte, chronisch-entzündliche Veränderungen mit Verlust der elastischen Fasern, Atrophie und Fibrose
- Onchozerkome: subkutane Knoten aus fibrotischem Gewebe, das den Wurm umgibt. Randsaum mit Lymphozyten und einer Schicht Endothelzellen
- Auge: Neovaskularisation und Vernarbung der Hornhaut mit Eintrübung bis hin zu Erblindung, Uveitis anterior, Chorioretinitis und Optikusatrophie.
Die genaue Pathogenese der meisten Manifestationen ist weiterhin unklar.
Klinik
Haut
Die häufigsten Manifestationen der Onchozerkose sind Juckreiz und ein papulöser, generalisierter Hautausschlag. Bei chronischer Infektion kommt es zur übermäßigen, vorzeitigen Faltenbildung der Haut mit Hypo- und Hyperpigmentierung (Leopardenfellmuster). Auch lokalisierte Ekzeme mit Hyperkeratose, Hautschuppung und Pigmentveränderungen können vorkommen. Die immunologisch hyperreaktive Form wird auch als Sowda oder lokale Onchodermatitis bezeichnet und manifestiert sich mit einer Hyperpigmentierung. Sie entsteht durch die anhaltende Entzündung bei Elimination von Mikrofilarien aus der Haut.
Onchozerkome sind sichtbare, palpable, feste, subkutane Knoten, die adulte Würmer enthalten. Sie kommen v.a. im Gesäßbereich und an Knochenvorsprüngen (z.B. Trochanter major, seitlichem Beckenkamm) vor.
Auge
Das früheste Zeichen einer Augenbeteiligung ist eine Konjunktivitis mit Photophobie. Durch die sterbenden Mikrofilarien kann eine akute Entzündungsreaktion mit punktförmiger Keratitis entstehen. Bei 1-5 % der Infizierten kommt es zu einer sklerosierenden Keratitis, die die Hauptursache für die Erblindung darstellt. In 5 % d.F. entwickelt sich eine Uveitis anterior und eine Iridozyklitis. Weiterhin ist eine Atrophie und Hyperpigmentierung des retinalen Pigmentepithels und eine Optikusatrophie möglich.
Erblindete Infizierte haben eine drei- bis vierfach erhöhte Mortalität.
Lymphknoten
Eine Lymphadenopathie kommt häufig vor, insbesondere im inguinalen und femoralen Bereich. Die Lymphknoten hängen aufgrund der Schwerkraft herab ("Bild der hängenden Leisten"). Dabei kann es zu einer Hernienbildung kommen.
Weitere Manifestationen
Weitere möglichen Manifestationen der Onchozerkose sind:
- Kachexie
- Zwergwuchs (Nakalanga-Syndrom bei Beteiligung der Hypophyse)
- Epilepsie incl. epidemische Form (Nickkrankheit)
Diagnostik
Zur Diagnose führen der Direktnachweis von adulten Würmern oder Mikrofilarien. Die adulten Würmer werden dabei histologisch aus den Operationspräparaten der Knoten nachgewiesen, während die Mikrofilarien in Hautbiopsaten oder direkt mit der Spaltlampe am Auge gesehen werden können.
Die Hautproben werden mit einer Walser-Stanze entnommen. Alternativ wird die Haut mit einer Nadel angehoben und ein wenige Millimeter schmales Stück mit einem Skalpell abgeschnitten. Die Proben werden im Kulturmedium oder physiologischer Kochsalzlösung auf einem Objektträger oder Mikrotiterplatte inkubiert. Nach 2-4 Stunden können die Mikrofilarien mikroskopisch identifiziert oder mittels PCR nachgewiesen werden.
Weiterhin fällt häufig eine Eosinophilie und ein erhöhtes Serum-IgE auf. Der Nachweis von spezifischen Antikörpern (z.B. in Form von Schnelltests) ist ebenfalls möglich.
Therapie
Ivermectin hat eine gute Wirksamkeit gegen Mikrofilarien und bei wiederholten Gaben auch eine moderate Effektivität gegen Makrofilarien. Es wird in einer Einmaldosis von 150-200 µg/kgKG p.o. alle 6-12 Monate verabreicht, ggf. auch in kürzeren Intervallen. In 1-10 % d.F. treten Juckreiz, kutane Ödeme oder ein makulopapulöser Ausschlag auf. In diesem Fall können Glukokortikoide supportiv zum Einsatz kommen. In Endemiegebieten, in denen auch Infektionen mit Loa Loa häufig vorkommen, darf Ivermectin nicht verabreicht werden, da es zu schwerer Enzephalitis führen kann. Weiterhin ist es in der Schwangerschaft und der Stillzeit kontraindiziert.
Alternativ kann Doxycyclin (2 x 100 mg/d p.o. für 4-6 Wochen), ergänzt durch eine Einmalgabe Ivermectin (200 µg/kgKG), erwogen werden. Die Kombination aus Doxycyclin und Ivermectin wird in Europa aktuell (2020) als Therapie der Wahl angesehen.
Weiterhin können die Onchozerkome operativ entfernt und/oder das Medikament Suramin eingesetzt werden.
Prävention
Insektizide werden in Hochendemiegebieten präventiv angewendet. Zur Unterbrechung der Übertragungskette werden Massenbehandlungen mit Ivermectin alle 6-12 Monate durchgeführt.
Literatur
- Suttorp et al., Harrisons Innere Medizin, 2020 ABW Wissenschaftsverlag
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