Mukormykose
Synonyme: Mucormykose, Zygomykose
Englisch: mucormycosis
Definition
Die Mukormykose ist eine häufig fulminant verlaufende Pilzinfektion, die durch Pilze der Ordnung Mucorales hervorgerufen wird.
Ätiologie
Der häufigste Erreger der Mukormykose in der westlichen Hemisphäre ist Rhizopus oryzae (Familie Mucoraceae). Weitere Spezies sind Rhizopus microsporus, Rhizomucor pusillus, Lichtheimia corymbifera, Apophysomyces elegans und Cunninghamella spp..
Mucorales bilden keine oder nur wenig septierte Hyphen aus und produzieren reichlich Sporangiosporen. Sie kommen ubiquitär vor, insbesondere im Schmutz, im Boden sowie in faulendem Material. Sie wachsen bei über 37 °C.
Pathogenese
Mucorales können durch eine Barrierestörung der Haut bzw. Schleimhaut (z.B. nach Trauma oder Verbrennung sowie durch Katheter oder Hautmazerationen) in den Körper gelangen und eine Infektion direkt oder erst bei Immunsuppression hervorrufen. Prädisponiert sind Diabetiker, Patienten mit Glukokortikoidtherapie oder nach Transplantation sowie Personen mit Neutropenie oder Malignomen.
Ein erhöhtes Serumeisen ist ebenfalls ein Risikofaktor, da Eisen u.a. das Pilzwachstum fördert. Entsprechend sind Patienten mit Eisenüberladung (Siderose) und terminaler Niereninsuffizienz häufiger betroffen.
Klinik
Je nach klinischem Erscheinungsbild unterscheidet man sechs Formen:
- rhinoorbitozerebrale Mukormykose
- pulmonale Mukormykose
- kutane Mukormykose
- gastrointestinale Mukormykose
- disseminierte Mukormykose: Eine hämatogen disseminierte Mukormykose kann von jedem primären Infektionsherd ausgehen.
- sonstige Mukormykose (z.B. Skelett, Mediastinum, Trachea, Niere, Peritoneum)
Rhinoorbitozerebrale Mukormykose
Die rhinoorbitozerebrale Mukormykose stellt die häufigste Manifestationsform dar. Sie tritt v.a. bei Diabetikern (v.a. mit Ketoazidose) sowie bei Transplantatempfängern auf. Die Symptome sind anfangs unspezifisch, z.B. Gesichts-, Augenschmerzen, Taubheitsgefühl, konjunktivale Einblutungen und Visusstörungen. Typischerweise zeigt sich eine Leukozytose, während nur ca. 50 % der Patienten Fieber aufweisen.
Ohne adäquate Therapie breitet sich die Infektion meist vom Sinus ethmoidalis in die Orbita aus. Die Folgen sind Augenmuskelparesen, Exophthalmus und Chemosis. Ist das kontralaterale Auge ebenfalls betroffen, ist eine Sinus-cavernosus-Thrombose wahrscheinlich. Ein Befall des harten Gaumens kann ebenfalls vorkommen.
Die Erkrankung kann sich fulminant innerhalb von Stunden mit starken Nekrosen entwickeln. Wenn einmal Anschluss an das Zentralnervensystem (ZNS) erreicht ist, sind Krampfanfälle, Aphasie oder Hemiplegie möglich. Der weitere Verlauf ist i.d.R. letal.
Pulmonale Mukormykose
Die pulmonale Mukormykose ist die zweithäufigste Form. Typische Symptome sind:
- Dyspnoe
- Husten
- Brustschmerzen
- häufig Fieber
Bei Gefäßinvasion entstehen Nekrosen und es kommt zu Hämoptysen. Sie lässt sich am besten durch eine computertomographische Bildgebung diagnostizieren. Eine Abgrenzung zur Aspergillose (v.a. bei Malignompatienten) ist entscheidend. Mehr als 10 pulmonale Herde, ein Pleuraerguss sowie eine gleichzeitige Sinusitis sprechen eher für eine Mukormykose.
Kutane Mukormykose
Eine kutane Mukormykose entsteht bei Verletzungen der Haut und anschließender Verschmutzung durch Bestandteile des Erdbodens (z.B. bei einem Verkehrsunfall), bei Stichverletzungen durch Dornen, aber auch durch Injektionen (z.B. Insulinspritzen) oder kontaminierte Wundverbände. Auch eine hämatogene Streuung ist möglich.
Die kutane Mukormykose kann hochinvasiv verlaufen und sich in Muskel und Knochen ausbreiten. Wenn eine nekrotisierende Fasziitis entsteht, beträgt die Letalität bis zu 80 %. Bei raschem chirurgischem Débridement hat sie eine günstige Prognose.
Gastrointestinale Mukormykose
Die gastrointestinale Mukormykose tritt v.a. bei Frühgeborenen mit disseminierter Infektion und nekrotisierender Enterokolitis auf, wobei zunehmend auch Erwachsene mit Neutropenie oder anderen Immunstörungen erkranken. Die Patienten berichten über unspezifische Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Koliken und gastrointestinalen Blutungen. Endoskopisch lassen sich Pilzstrukturen erkennen. Kommt es zur Organperforation, ist die Letalität sehr hoch.
Diagnostik
Zur Diagnose einer Mukormykose ist der Erregernachweis in steril gewonnenem Material (z.B. durch Gewebebiopsie, Pleurapunktion) oder der histologische Nachweis einer invasiven Infektion notwendig. Bei Vorliegen bestimmter Risikofaktoren und klinischen bzw. radiologischen Hinweisen kann die Verdachtsdiagnose auch durch eine Pilzkultur aus nicht sterilem Material (z.B. Sputum) gestellt werden.
Charakteristisch sind 6-30 µm dicke, bandartige, nicht-septierte Hyphen, die rechtwinklig verzweigt sind. Mucorales können gut mittels einer PAS- oder Methenamin-Silber-Färbung dargestellt werden, bei hoher Keimdichte ist auch eine Hämatoxylin-Eosin-Färbung möglich. Nur der kulturelle Nachweis ermöglicht die genaue Zuordnung der Spezies. Bei entsprechendem Verdacht muss das mikrobiologische Labor informiert werden, da spezielle Kulturtechniken erforderlich sind.
Bisher nicht routinemäßig durchgeführten Methoden sind:
- MALDI-TOF-Massenspektrometrie
- PCR-Analyse
Bildgebende Verfahren sollten nur gezielt zur Fokussuche eingesetzt werden.
Differenzialdiagnosen
- Aspergillose
- Scedosporiose
- Fusariose
- Infektionen durch Dematiaceae
- Entomophthoromykose (Basidiobolus, Conidiobolus)
- orbitale Infektionen und Sinus-cavernosus-Thrombose durch andere Erreger (z.B. Staphylococcus aureus)
- Rhinosklerom durch Klebsiella rhinoscleromatis
- Tolosa-Hunt-Syndrom
Therapie
Bereits bei Verdacht auf eine Mukormykose sollte eine kalkulierte Therapie z.B. mit einem Polyen begonnen werden. Außerdem ist meist ein chirurgisches Débridement notwendig. Des Weiteren sollten Störungen der Immunabwehr behoben und die Gabe von Eisenpräparaten vermieden werden. Es gibt Hinweise, dass eine hyperbare Sauerstofftherapie nützlich ist.
Antimykotika
Die antimykotische Behandlung wird solange durchgeführt, bis sich die Symptome zurückbilden und eine zugrundeliegende Immunsuppression nicht mehr besteht. Zur antimykotischen Therapie eignen sich folgende Wirkstoffe:[1]
Substanz | Dosierung | Vorteile | Nachteile |
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Amphotericin-B-Desoxycholat |
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liposomales Amphotericin B |
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Amphotericin-B-Lipidkomplex |
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Posaconazol |
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Des Weiteren kommen folgende Kombinationstherapien in Frage:
Substanzen | Dosis | Vorteile | Nachteile |
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Caspofungin + Lipidpolyen |
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Micafungin oder Anidulafungin + Lipidpolyen |
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Deferasirox + Lipidpolyen |
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Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Prognose
Die Mukormykose ist eine hochinvasive und schnell fortschreitende Infektion mit hoher Morbidität und Letalität (40–70 %). Eine rechtzeitige Diagnosestellung und Therapieeinleitung sind entscheidend.
Literatur
- Düttmann W, Suttorp N. 242 Mucormykose. In: Suttorp N, Möckel M, Siegmund B et al., Hrsg. Harrisons Innere Medizin. 19. Auflage. ABW Wissenschaftsverlag; 2016.
Quellen
- ↑ Spellberg B et al. Recent Advances in the Management of Mucormycosis: From Bench to Bedside, Clin Infect Dis. 2009;48(12):1743–1751, abgerufen am 09.01.2020
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