Lymphgefäß
Synonyme: Lymphbahn, Vas lymphaticum (lat.)
Englisch: lymph vessels
Definition
Die Lymphgefäße dienen dem Transport der Lymphe aus dem Interzellularraum in den Blutkreislauf. Sie beginnen blind endend ("cul-de-sac") oder als feines Netz ("Plexus") aus Lymphkapillaren im Gewebe, die sich im weiteren Verlauf zu größeren Lymphgefäßen vereinigen. In ihrer Gesamtheit bilden sie das Lymphgefäßsystem und sind Teil des lymphatischen Systems.
Embryologie
Die Lymphgefäße werden im Rahmen der Embryonalentwicklung unter dem Einfluss verschiedener Wachstumsfaktoren angelegt. Eine wichtige Rolle spielen dabei der VEGF-Rezeptor 3 sowie seine Liganden VEGF-C und VEGF-D. Die Bildung der neuer Lymphgefäße bezeichnet man als Lymphangiogenese.
Histologie
Strukturell ähneln die Lymphgefäße den Venen. Sie zeigen ebenfalls einen dreischichtigen Aufbau, der aus folgenden Schichten besteht:
- Tunica externa (Longitudinal verlaufende elastische Fasern und glatte Muskelzellen, Bindegewebe),
- Tunica media (Zirkulär verlaufende elastische Fasern und glatte Muskelzellen)
- Tunica intima (Endothelzellen)
Bei kleineren Lymphgefäßen fehlen elastische Fasern und glatte Muskulatur, so dass hier nur ein zweischichtiger Aufbau aus Endothel und umgebenden Bindegewebe besteht. In größeren Lymphgefäßen trifft man ebenfalls auf Gefäßklappen, die den Rückstrom der Lymphe verhindern. Sie werden als Valvulae lymphaticae bezeichnet. Der Lymphgefäßabschnitt zwischen zwei Klappen bildet ein so genanntes Lymphangion.
Anatomie
Einteilung
Das Lymphgefäßsystem ist wie das Blutgefäßsystem hierarchisch aufgebaut. Die Gefäßkaliber und die Wanddicke der Lymphgefäße nehmen in Flussrichtung der Lymphe zu. Das größte Lymphgefäß des menschlichen Körpers ist der Ductus thoracicus. Von peripher nach zentral unterscheidet man:
- Lymphkapillaren ("initiale Lymphgefäße")
- Präkollektoren
- Kollektoren
- Lymphstämme (Trunci lymphatici)
- Lymphgänge (Ductus lymphatici)
Die Lymphgänge werden in der Literatur teilweise auch den Lymphsammelstämmen zugerechnet. In das Lymphgefäßsystem sind als Passagestationen Lymphknoten eingeschaltet, die eine entscheidende Funktion im Rahmen der Immunreaktion haben.
Lymphstämme
Die Kollektoren vereinigen sich zu meist paarigen Lymphstämmen:
- Die Trunci lumbales dexter et sinister führen die Lymphe vom Bein- und Beckenbereich ab.
- In den Trunci intestinales dexter et sinister sammelt sich die Lymphe vom Darm und den unpaaren Baucheingeweiden.
- Die Trunci bronchomediastinales dexter et sinister leiten die Lymphe aus dem rechten bzw. linken Brustraum ab.
- In den Trunci subclavii dexter et sinister fließt die Lymphe der oberen Extremitäten ab.
- Die Trunci jugulares dexter et sinister leiten die Lymphe aus der Kopf- und Halsregion ab.
Lymphgänge
Die oben genannten Lymphstämme schließen sich zu den beiden Hauptlymphgängen zusammen. In den Ductus thoracicus fließen folgende Lymphstämme zusammen:
- Truncus jugularis sinister
- Truncus subclavius sinister
- Truncus bronchomediastinalis sinister
- Truncus intestinales dexter und sinister
- Truncus lumbalis dexter und sinister
In den Ductus lymphaticus dexter laufen die restlichen Lymphstämme zusammen:
- Truncus jugularis dexter
- Truncus bronchomediastinalis dexter
- Truncus subclavius dexter
Vereinfachend lässt sich sagen, dass über den Ductus thoracicus die gesammte Lymphe der unteren Extremitäten und der oberen linken Körperhälfte abgeführt wird, während über den Ductus lymphaticus dexter die Lymphe der oberen rechten Körperhälfte abfließt.
Die Hauptlymphstämme münden in den linken bzw. rechten Angulus venosus ein, wodurch die Lymphe mit den Lymphozyten in den Blutkreislauf gelangt.
Physiologie
Um den Lymphstrom gegen den hydrostatischen Druck zu ermöglichen, sind die größeren Lymphgefäße zur aktiven Kontraktion fähig. Die Lymphangien besitzen eine maschenförmige, zirkulär verlaufende Muskulatur, deren Kontraktionswellen die Lymphe weitertransportieren. Dieser aktive Transport wird durch 6-12 Kontraktionswellen pro Minute gewährleistet. Die Flussgeschwindigkeit beträgt dabei ca. 10 µm pro Sekunde. Die Aktivität der Lymphangien kann sich dabei dynamisch der anfallenden Flüssigkeitsmenge anpassen.
Die normale Transportkapazität des Lymphgefäßsystems ist im Verhältnis zum venösen System relativ gering und liegt bei zwei bis vier Litern Flüssigkeit pro Tag. Damit werden etwa rund 10% der in das Gewebe filtrierten Flüssigkeitsmenge durch das Lymphgefäßsystem entsorgt.
Die Lymphe ähnelt in ihrem Gehalt an Gerinnungsfaktoren und Fibrinogen dem Blutplasma. Lymphe ist daher gerinnungsfähig.
Funktion
Die Lymphgefäße erfüllen eine Reihe wichtiger Aufgaben. Ihre Hauptfunktion ist die Rückführung von Flüssigkeit und Proteinen aus dem interstitiellen Raum in den Blutkreislauf. Ohne diesen Rücktransport käme es zu einem gesteigerten kolloidosmotischen Druck im Interstitium, der Ödeme und einen intravasalen Flüssigkeitsverlust auslösen würde. Entsprechend kommt es bei Abflusstörungen von Lymphgefäßen in deren tributärem Gebiet zu einem Lymphödem. Weitere Funktionen sind:
- Transport von Antigenen und Lymphozyten zu den Lymphknoten
- Transport von Chylomikronen aus dem Magen-Darm-Trakt, diese fettreiche Lymphe wird auch als Chylus bezeichnet.
Klinik
Erkrankungen
Erkrankungen, welche die Lymphgefäße befallen oder durch Veränderungen der Lymphgefäße ausgelöst werden sind u.a:
- Lymphangitis
- Lymphangiektasie
- Lymphödem
- Lymphangiomatose
- Lymphangiosis carcinomatosa
- Lymphangiom
- Lymphozele
- Lymphatische Filariose
Diagnostik
Untersuchungsverfahren zur Darstellung der Lymphgefäße sind die Lymphographie und die heute (2020) häufiger eingesetzte Lymphszintigraphie. Dabei wird ein Kontrastmittel bzw. ein radioaktiver Tracer in das Lymphgefäßsystem bzw. das Interstitium injiziert.
Podcast
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