Klauenrehe (Rind)
Synonym: Pododermatitis aseptica diffusa
Englisch: laminitis
Definition
Die Klauenrehe ist eine diffuse und aseptische Entzündung der Klauenlederhaut beim Rind, die häufig an mehreren Klauen gleichzeitig auftritt. Die Erkrankung stellt das Pendant zur Hufrehe beim Pferd dar.
Epidemiologie
Die Klauenrehe ist eine der wichtigsten metabolischen Erkrankungen des Rindes. Die Prävalenz von chronischen Reheklauen variiert innerhalb der Betriebe und kann von weniger als 5 % bis über 60 % betragen.
Ätiologie
Die Klauenrehe ist eine multifaktorielle Erkrankung. Die genauen Auslöser sind bislang (2021) noch nicht endgültig geklärt. Durch das Zusammenspiel vieler prädisponierender Faktoren kommt es zu einer Störung der Mikroziruliation in der Klauenlederhaut und zu Veränderungen am Aufhängeapparat des Klauenbeins. Begünstigende Faktoren sind:
- Fütterungsfehler (große Mengen leicht verdaulicher Kohlenhydrate und hoher Proteingehalt bei unzureichendem Rohfaseranteil)
- Geburt
- systemische Erkrankungen (z.B. Pansenazidose, Mastitis, Nachgeburtsverhalten, Endometritis, Labmagenverlagerung, Leberverfettung)
- genetische Disposition
- Klauenerkrankungen (z.B. Weiße-Linie-Defekt)
- Haltungsfehler (z.B. harte, rutschige Betonböden, lange Stehzeiten)
Pathogenese
Die genauen Pathomechanismen sind noch nicht vollständig geklärt. Derzeit stehen zwei Hypothesen zur Diskussion, die zu degenerativen Veränderungen in der Verbindung zwischen Lederhaut und Klauenhorn führen.
- Theorie 1: Störung der Mikrozirkulation in der Klauenlederhaut
- Theorie 2: Veränderter Keratinmetabolismus
Störung der Mikrozirkulation
Durch toxische und vasoaktive Substanzen kommt es - zusammen mit Störungen der Blutgerinnung - zu einer abnormen Mikrozirkulation in der Lederhaut. Infolge dessen wird das Gewebe ungenügend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Die Konsequenzen sind ischämische Nekrosen und eine Degeneration der hornproduzierenden Strukturen.
Zu den vasoaktiven Substanzen zählen Endotoxine (v.a. von gramnegativen Bakterien), Histamin (wird aus dem Gastrointestinaltrakt sowie Uterus resoribert) und Milchsäure (entsteht bei der Pansenazidose). Als zentrale Auslöser der akuten, subakuten sowie subklinischen Klauenrehe werden die akute, subakute (SARA) bzw. subklinische Pansenazidose angesehen. Bei diesen metabolischen Entgleisungen kommt es zur Ansammlung von Endotoxinen, die aufgrund schwerer Schäden an der Pansenwand resorbiert und hämatogen gestreut werden. Zusätzlich begünstigen Mastitiden (v.a. durch Escherichia coli) und eitrige Endometritiden die Krankheitsentstehung.
Veränderter Keratinmetabolismus
Durch unterschiedliche toxische Substanzen werden primär die hornproduzierenden Zellen in ihrem Entwicklungskreislauf geschädigt. Die gestörten Abläufe innerhalb des Stratum basale der Epidermis verändern den Keratinmetabolismus. Dieser soll wiederum die vaskulären Störungen in der Lederhaut begünstigen.
Klinik
Anhand der Klinik und der Dauer der Erkrankung können vier Formen der Klauenrehe unterschieden werden:
- akute Klauenrehe
- subakute Klauenrehe
- subklinische Klauenrehe
- chronische Klauenrehe
Akute Klauenrehe
Bei der akuten Klauenrehe kommt es zu einer Entzündung der Klauenlederhaut bei gleichzeitigem Vorliegen einer Allgemeinerkrankung (z.B. Pansenazidose oder Endometritis). Das Allgemeinbefinden ist mittel- bis hochgradig gestört, die Tiere zeigen Tachykardie und Tachypnoe sowie eine erhöhte innere Körpertemperatur. Es kommt zum Rückgang der Milchleistung sowie zu Anorexie, Muskelzittern und auffälligem Hin- und Hertrippeln.
Aufgrund der Schmerzen liegen die Tiere viel, können nur schwer aufstehen und verharren auf den Karpalgelenken. Als Zeichen einer Lahmheit ist der Rücken stark aufgekrümmt und das Gangbild ist mittel- bis hochgradig spießig. Häufig sind alle vier Gliedmaßen gleichzeitig betroffen. Aufgrund der entzündlichen Prozesse ist der Kronsaum geschwollen, gerötet und wirkt eingesunken. Die Klauen sind höher temperiert und sowohl perkussions- als auch palpationsdolent. Die Venen der distalen Gliedmaßen sind gestaut und die Hauptmittelfußarterien pulsieren vermehrt.
Subakute Klauenrehe
Die subakute Klauenrehe stellt die milde Form der Erkrankung dar. Die Symptome sind nur undeutlich ausgeprägt. Bei der Klauenpflege findet man weiches, gelbliches Horn von schlechter Qualität. Das Horn ist blutig verfärbt (Sohlenblutungen) - insbesondere im Bereich der weißen Linie und der Sohle.
Akute sowie subakute Klauenrehen können wiederholt und nach unterschiedlich langen Intervallen abwechselnd auftreten und in eine chronische Verlaufsform übergehen.
Subklinische Klauenrehe
Bei der subklinischen Klauenrehe ist zwar die Mikrozirkulation in den Gefäßen der Klauenlederhaut gestört, jedoch sind zu diesem Zeitpunkt noch keine klinischen Symptome erkennbar.
Die Krankheit beginnt schleichend, sodass die Tiere häufig noch keine Lahmheit bzw. Schmerzen an den Klauen zeigen. Das Allgemeinbefinden ist ungestört und die Klauenform ist noch nicht verändert. Einige Wochen nach der subklinischen Klauenrehe können jedoch an der Sohle weiches und gelbes Horn von schlechter Qualität sowie multiple Sohlenblutungen festgestellt werden. Die Veränderungen sind v.a. im Bereich der weißen Linie, an den Klauenspitzen und an der Innenseite der Sohlenfläche am Übergang von der Sohle zum weichen Ballen ausgebildet. Die Läsionen sind häufig an allen Klauen symmetrisch vorhanden.
Die subakuten und subklinischen Verlaufsformen können fließend ineinander übergehen und lassen sich häufig nicht eindeutig abgrenzen. Beide Reheformen treten am häufigsten bei Milchkühen auf und sind die wichtigsten Auslöser einer chronischen Klauenrehe bzw. anderer Klauenerkrankungen.
Chronische Klauenrehe
Von einer chronischen Klauenrehe spricht man dann, wenn der Verlauf länger als drei Wochen andauert. Die Diagnose wird anhand der typischen morphologischen Veränderungen an den Klauen gestellt. Das Horn ist zu einer chronischen Reheklaue umgeformt, die Dorsalwand ist konkav und mit multiplen Hornringen versehen (divergieren zur abaxialen Wand und zum Ballenbereich). Im Horn sind multiple Blutungen und ulzeröse Läsionen ersichtlich. Die weiße Linie ist deutlich verbreitert, der Klauenschuh wirkt abgeflacht und ausgeweitet.
Die stärksten Veränderungen finden sich v.a. an den lateralen Hinterklauen.
Diagnose
Die Diagnose wird adspektorisch anhand der typischen Veränderungen an den Klauen sowie der daraus resultierenden Symptome gestellt. Ältere Kühe mit hochgradigen Reheklauen sind mager, weisen multiple Liegeschwielen auf und zeigen einen deutlich aufgekrümmten Rücken. Das Gangbild ist spießig-steif und von einer deutlichen Lahmheit gezeichnet.
Mithilfe von Röntgenbildern kann das gesamte Ausmaß der Erkrankung dargestellt werden. Bei der chronischen Verlaufsform ist das Klauenbein sowohl rotiert als auch abgesunken. Die Gefäßkanäle sind geweitet und am dorsalen Rand des Klauenbeins zeigen sich deutliche osteolytische Zonen.
Verlaufsform | Klinik |
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akut |
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subakut |
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subklinisch |
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chronisch |
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Therapie
Die Behandlung richtet sich nach der vorliegenden Reheform, jedoch sind sämtliche prädisponierenden Faktoren umgehend abzustellen.
Die akute Klauenrehe gilt als Notfall, weshalb die Erfolgsaussichten maßgeblich vom Zeitpunkt des Therapiebeginns abhängen. Die Behandlung orientiert sich dabei an folgenden Richtlinien:
- auslösende Ursache behandeln (bei bakteriell bedingten Primärerkrankungen ist umgehend eine antibiotische Therapie einzuleiten)
- bei fütterungsbedingter Rehe muss das bisherige Futter durch Heu ersetzt werden
- Pansenazidosen sind adäquat zu behandeln (z.B. Übertragung von Pansensaft, Begleiterscheinungen behandeln)
- parenterale Infusion von Heparin (nur in den ersten Stunden erfolgsversprechend)
- akute Stadien müssen lokal behandelt werden (kalte Klauenbäder zur reflektorischen Vasodilatation und zur Milderung der Entzündungssymptome)
- antiphlogistische und analgetische Medikamente (NSAIDs)
- Haltungsbedingungen anpassen (weiche Aufstallung, gut gepolstete Klauenverbände an allen Füßen anlegen u.ä.)
Bei chronischer Klauenrehe muss drei- bis viermal jährlich eine funktionelle Klauenpflege durchgeführt werden. Durch die fachgerechte Klauenkorrektur werden optimale Belastungsverhältnisse hergestellt. Parallel dazu ist die Fütterung der Leistung und der Körperkondition anzupassen und ausgewogen zu rationieren.
Literatur
- A.Univ.-Prof. Dr. Johann Kofler Dipl. ECBHM. Skriptum - Orthopädische Erkrankungen & Orthopädische Operationen bei Wiederkäuern. Neu überarbeitet im Jänner 2015. Klinik für Wiederkäuer, Vetmeduni Wien.
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