Pansenazidose (Wiederkäuer)
Synonym: Pansenübersäuerung
Definition
Als Pansenazidose bezeichnet man eine Stoffwechselstörung bei Wiederkäuern, die durch ein drastisches Absinken pH-Werts gekennzeichnet ist. Das Gegenteil einer Pansenazidose ist die Pansenalkalose.
Ätiologie
Die Pansenazidose entsteht aufgrund einer unphysiologisch veränderten Pansenmikroflora zugunsten milchsäurebildender Streptokokken bei gleichzeitgem Absinken des pH-Wertes aufgrund unterschiedlicher Auslöser. Das Resultat eines azidotisch veränderten Panseninhaltes ist ein Absterben der zellolytischen Flora sowie der Infusorien bei pH-Werten unter 5.
Formen
Je nach Auslöser unterscheidet man zwischen folgenden vier Formen:
- Akute Milchsäure-Pansenazidose (akute Pansenazidose): Durch Aufnahme ungewohnt großer Mengen leicht vergärbarer Kohlenhydrate.
- Chronisch-latente Pansenazidose (subakute Pansenazidose): Wiederholtes Absinken des pH-Wertes im Pansen in den Bereich zwischen 5,5 und 5,0.
- Pansentrinker-Syndrom: Bei anfänglich gesunden Kälbern, die plötzlich auf eine Milchmast umgestellt werden (Mastkälber).
- Pansentrinker: Durch Vergärung von Kohlenhydraten im Pansen aufgrund von Störungen oder Umgehungen des Schlundrinnenreflexes beim neugeborenen Kalb.
Pathogenese
Der grundlegende Pathomechanismus ist bei allen Formen der Pansenazidose identisch.
Wenige Stunden nach der oralen Aufnahme großer Mengen an leicht vergärbaren Kohlenhydraten kommt es zu ausgeprägten Veränderungen in der Pansenmikroflora. Bei einer physiologischen Fütterung einer gemischten Ration (Rau- und Kraftfutter in einem an die aktuellen Bedürfnissen angepassten Verhältnis) ist die Flora überwiegend gramnegativ und durch eine Vielfalt der Formen gekennzeichnet. Im Zuge einer Pansenazidose nimmt die Vielfalt drastisch ab und es dominieren vorwiegend grampositive, milchsäureproduzierende Streptokokken (Streptococcus bovis) sowie Lactobazillen. Es kommt zu einer Fehlgärung der Kohlenhydrate, sodass große Mengen an flüchtigen Fettsäuren (Essig-, Propion- und Buttersäure) sowie Milchsäure entstehen. Sinkt der pH-Wert im Pansen unter 5, kommt es zu einem massenhaften Absterben der zellolytischen Flora sowie der Infusorien.
Die von den Bakterien produzierte Milchsäure erhöht den osmotischen Druck im Pansen und im späteren Verlauf auch im Darminhalt. Es kommt zu einem Wassereinstrom aus dem Blutkreislauf in den Pansen und Darm, der zu einer osmotischen Diarrhö führt. Der Überschuss an Milchsäure wird aufgrund von Veränderungen der Pansenschleimhaut (u.a. Hyperkeratose, bedingt durch die proliferative Wirkung der Fettsäuren) resorbiert. Die Säuren gelangen in den Blutkreislauf und verursachen eine metabolische Azidose (Additionsazidose).
Klinik
Die betroffenen Tiere sind inappetent bei gleichzeitig vollem Pansen. Die Wiederkautätigkeit wird eingestellt und es kommt zu kolikartigen Schmerzen. Eine ausgeprägte Pansenazidose führt aufgrund der metabolischen Veränderungen zu einer Störung des Allgemeinbefindens mit Festliegen und zur Seite eingeschlagenem Hals. Aufgrund der eingestellten Nahrungsaufnahme kommt es zu Dehydrierung (bis Exsikkose), Tachykardie, Tachypnoe, Diarrhö (heller, säuerlicher Kot) und zentralnervösen Symptomen (Blindheit, Taumeln).
Da die Pansenwand aufgrund der pH-Verschiebungen mit tiefgreifenden Entzündungsprozessen reagiert (Ruminitis), können über das geschädigte Epithel Bakterien und Pilze eindringen. Werden diese über das Pfortadersystem in die Leber geschwemmt, können sich daraus verschiedene weitere Krankheitsbilder entwickeln, z.B. Leberabszesse, Thrombosen der Vena cava caudalis, Klauenrehe u.ä.
Differenzialdiagnosen
Differenzialdiagnostisch müssen Hypokalzämie, akute diffuse Peritonitis sowie Sepsis anderer Ursachen ausgeschlossen werden.
Diagnose
Anamnese sowie das typische klinische Bild und eine Messung des pH-Wertes des frischen Pansensaftes geben Hinweise auf eine Pansenazidose. Je nach betroffener Altersgruppe muss auch das Futter sowie seine einzelnen Bestandteile untersucht werden.
Therapie
Die Therapie richtet sich nach dem zugrunde liegenden Auslöser, beinhaltet aber in jedem Fall eine Entleerung und Spülung des Pansens. Anschließend muss der Pansensaft eines gesunden Rindes über eine Schlundsonde eingegeben werden. Schwer exsikkotische und azidotische Patienten müssen mit geeigneten Infusionslösungen (Bikarbonatlösung) stabilisiert werden.
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