Labmagenverlagerung (Rind)
Synonym: Dislocatio abomasi
Definition
Als Labmagenverlagerung bzw. Dislocatio abomasi bezeichnet man eine sich langsam entwickelnde Erkrankung des Gastrointestinaltrakts von Rindern, die häufig kurz nach dem Abkalben auftritt.
Ätiologie
Die Ursachen sind bislang (2021) noch nicht gänzlich geklärt. Es wird ein Zusammenwirken verschiedener Faktoren (Faktorenkrankheit) diskutiert, u.a.:
- genetische Komponente: v.a. großrahmige Kühe
- Fütterungsfehler: Ein hoher Anteil an Kraftfutter und die damit einhergehenden großen Mengen an flüchtigen Fettsäuren bewirken eine Hypotonie des Labmagens.
- mechanische Komponente: Der trächtige Uterus drückt den Pansen hoch und erlaubt ein Verrutschen des Labmagens.
- Pansentympanie: Durch die Gaskuppel wird der Labmagen an der linken Bauchwand entlang nach dorsal gezogen.
Pathogenese
Durch unterschiedliche Mechanismen kommt es zu einer Lageveränderung des Labmagens, sodass er letztendlich rechts- oder linksseitig zum liegen kommt. Durch die Verlagerung kann es jedoch auch zu einer Torsion des Labmagens mit daraus resultierendem fulminanten Krankheitsverlauf kommen.
Formen
Anhand der Lageveränderung unterscheidet man folgende zwei Formen:
Epidemiologie
Linksseitige Labmagenverlagerungen kommen deutlich seltener vor als rechtsseitige Verlagerungen. Der Grund hierfür ist bislang nicht bekannt.
Klinik
Die Symptome sowie der Schweregrad der Erkrankung hängen einerseits von der Verlagerungsart, andererseits von der Dauer der Erkrankung, einer zusätzlich auftretenden Tympanie sowie Torsion ab.
In leichten Fällen leiden die betroffenen Rinder an wechselhaftem Appetit, Abnahme der Milchleistung, dunkel-schmierigem Kot und therapieresistenter Ketose. Ausgeprägte Krankheitsfälle (Tympanie und Torsion) gehen mit einem akut bis perakuten Krankheitsverlauf einher. Die Tiere sind stark dehydriert und tachykard. Sie entwickeln zunächst eine metabolische Alkalose und im späteren Verlauf eine metabolische Azidose (vermutlich Laktatazidose). Die Tiere zeigen blasse Schleimhäute, eine kühle Körperoberfläche und haben nur mehr wenig Kot im Rektum.
Diagnose
Bei der klinischen Untersuchung, insbesondere bei der Perkussions- und Schwingauskultation kann entweder links- oder rechtsseitig ein typisches Klingeln (regelmäßig) und Plätschern (nicht immer) ausgelöst werden. Zusätzlich ist eine rektale Palpation durchzuführen, um eventuelle Verlagerungen oder die Konsistenz des Panseninhaltes feststellen zu können.
Therapie
Spontanheilungen kommen vor - jedoch sollte nicht zu lange abgewartet werden, um mögliche Komplikationen zu vermeiden. Die Behandlung richtet sich nach der Art der Verlagerung (nach rechts bzw. nach links) sowie nach der Klinik.
Bei linksseitigen Labmagenverlagerungen kann eine konservative Therapie versucht werden. Hierfür wird die "Wälzmethode" angewendet, bei der das Rind linksseitig liegt, auf den Rücken gedreht und anschließend wieder auf die linke Seite gelegt wird. Währenddessen ist das Abdomen von einer Hilfsperson mit den Fäusten in Schwingung zu versetzen. Bei einigen Kühen kommt es dadurch zu einer Rückverlagerung des Labmagens. Bei ausbleibendem Therapieerfolg ist eine chirurgische Intervention indiziert, wobei unterschiedliche Operationstechniken zur Verfügung stehen.
Rechtsseitige Labmagenverlagerungen sind stets chirurgisch zu versorgen. Beim adulten Tier wird stehend-sediert eine Laparotomie durchgeführt. Anschließend kann der Labmagen punktiert und zurückverlagert werden.
Quelle
- Klee W, Metzner M. 2016. Ausgewählte Kapitel aus dem Gebiet der Inneren Medizin der Wiederkäuer Lehrmaterialien der Klinik für Wiederkäuer der LMU München (abgerufen am 23.03.2021)