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Klauenpflege (Rind)

(Weitergeleitet von Klauenpflege (Wiederkäuer))

Synonym: Funktionelle Klauenpflege
Englisch: claw care

1. Definition

Als Klauenpflege bezeichnet man die regelmäßige und fachgerecht ausgeführte Pflege und Korrektur der Klauen beim Wiederkäuer.

2. Hintergrund

Klauenerkrankungen können unter den heutigen Produktionsbedingungen als Zivilisationskrankheit der Hochleistungskühe angesehen werden. Läsionen an den Klauen treten v.a. durch schlechte Liegeplatzgestaltung, einstreulose Aufstallungsformen, schlechte Bodenspaltenböden und mangelnde Bewegungsmöglichkeiten auf. Zusätzlich können fehlerhafte Leistungsfütterung, Stress und genetische Prädispositionen zu einer Zunahme von Klauenerkrankungen führen.

Durch das übermäßige Wachsen von Klauenhorn kommt es zur Ausbildung von sogenannten Stallklauen, die eine Änderung der Biomechanik bedingen. In weiterer Folge entwickeln sich unphysiologische Belastungsverhältnisse, die Stoßdämpferfunktion wird herabgesetzt und die normale und gleichmäßige Durchblutung der Klauenlederhaut wird beeinträchtigt. Die Folge sind schmerzhafte Klauenerkrankungen mit Störungen des Allgemeinbefindens.

Die Erhaltung der Klauengesundheit ist einerseits aus Gründen des Tierschutzes, andererseits aus wirtschaftlichen Gründen wichtig.

3. Grundlagen

Ziel der Klauenpflege ist die Kontrolle und Erhaltung der Klauengesundheit. Hierzu muss die natürliche Form der Klaue und ein ausgewogenes Belastungsverhältnis gewährleistet sein. Durch regelmäßige Kontrollen der Klauengesundheit können Klauenerkrankungen frühzeitig erkannt und adäquat behandelt werden.

Eine fachgerecht durchgeführte funktionelle Klauenpflege konzentriert sich hauptsächlich auf folgende Punkte:

  • Korrektur der Lastverteilung an der Einzelklaue: Durch die Schaffung von stabilen und ebenen Sohlenflächen kann die Last (Körpergewicht) auf eine größere Fläche verteilt werden. Ziel ist es, die Last vom Ballen auf die gesamte Sohlenfläche zu verlagern.
  • Korrektur der Lastverteilung innerhalb des Klauenpaares: Durch die Klauenpflege soll eine gleichmäßige Verteilung der Last auf die Außen- und Innenklaue ermöglicht werden.
  • Trachtenhöhe vergrößern: Damit die Einwirkungen von Umwelteinflüssen auf den Ballen und die Haut des Interdigitalspaltes vermindert werden können, muss die Trachtenhöhe hoch genug sein. Dies kann durch Kürzen der Vorderwandlänge (ca. 7,5 cm) und Belassen einer physiologischen Trachtenhöhle (v.a. an der Innenklaue) erreicht werden.

4. Klauenpflegeprotokoll

Die Klauenpflege soll nur von gut ausgebildeten Klauenpflegern durchgeführt werden. Die Korrektur ist mindestens 2 bis 3 mal jährlich bei Milchkühen anzuwenden. Bei Kühen mit chronischer Reheklauen und Rollklauen muss die Klauenpflege dementsprechend öfters durchgeführt werden (3 bis 4 mal jährlich). Zuchtstiere sollten mindestens 4 mal jährlich behandelt werden. Zu beachten ist, dass die Klauenpflege mindestens 6 Wochen vor Weideaustrieb und nicht bei hochträchtigen Kühen (mindestens 6 Wochen vor der Geburt) anzuwenden ist.

Bei Milchkühen empfiehlt sich ein Klauenpflegeschema, das sich nach dem Trächtigkeitsstadium orientiert:

  • 1. Klauenpflege beim Trockenstellen
  • 2. Klauenpflege 2 bis 3 Monate nach der Geburt
  • 3. Klauenpflege ca. 5 Monate später

5. Durchführung

Durch die geringere Belastung ist die Innenklaue an der Hintergliedmaße weniger krankheitsanfällig, sodass an dieser Klaue kaum Verformungen auftreten. Durch die funktionelle Klauenpflege kann sie leicht in eine Form gebracht werden, an der sich die Korrektur der deformierten und meist überbelasteten Außenklaue orientieren kann. Aus diesem Grund beginnt die Klauenpflege an der Hintergliedmaße immer an der Innenklaue. An der Vordergliedmaße ist die Außenklaue weniger belastet, weshalb diese zuerst bearbeitet wird.

Noch bevor die Klauenpflege durchgeführt wird, wird die Kuh beim Hinführen zum Klauenpflegestand auf pathologische Abweichungen beurteilt. Es werden v.a. folgende Punkte beurteilt:

Anschließend wird die Kuh im Klauenpflegestand fixiert, grob vom anhaftenden Schmutz gereinigt und die Klauenform (normal, Stallklaue, Reheklaue u.ä.) sowie die Trachtenhöhe beurteilt. Die Sohlenfläche wird auf abschilfernde Hornteile, eingetretene Fremdkörper und Klauenkrankheiten untersucht.

Die funktionelle Klauenpflege wird mit dem Hufmesser, einer Zange und einem Winkelschleifer durchgeführt und beinhaltet 5 Arbeitsschritte:

Schritt 1: Kürzen der Vorderwand und Beschneiden der Bodenfläche der Innenklaue
  • Länge der Vorderwand der Innenklaue sollte 7,5 cm betragen
  • Kürzen der Klauenspitze im rechten Winkel zur bestehenden Sohlenfläche
  • Schneiden einer ebenen Sohlenfläche
  • korrekte Sohlendicke muss bei Kühen 1 mm/100 kgKG betragen (rund 7 bis 8 mm)
  • Trachtenhöhe der Innenklaue muss zwischen 3 und 3,5 cm (Hintergliedmaße) bzw. 4 und 4,5 cm (Vordergliedmaße) hoch bleiben
  • Sohlendicke anhand der Konsistenz anpassen
Schritt 2: Anpassen der Außenklaue
  • Ziel: Entlastung der meist höheren und somit überbelasteten Außenklaue
  • Anpassung der Außenklaue in Länge und Sohlendicke der Innenklaue (bei physiologischer Innenklauenverhältnissen)
  • Vorderwände beider Klauen müssen das gleiche Niveau aufweisen
  • Kontrolle und Anpassung der Trachtenhöhe beider Klauen mit Blick von hinten auf die Ballen
Schritt 3: Herausarbeiten einer Hohlkehlung
 
  • im hinteren, axialen Bereich der Sohle wird eine Hohlkehlung geschnitten, um eine Entlastung zu ermöglichen
  • durch Hohlkehlung wird die notwendige Mikrobewegung der Sohle und eine Selbstreinigung (Klauenmechanismus) gewährleistet
  • die Hohlkehlung umfasst ca. die Hälfte bis Zweidrittel der Sohlenbreite und muss ohne Kanten in das Sohlen- und Ballenhorn übergehen
  • Entfernen von überschüssigem Horn und scharfen Hornkanten um den Zwischenklauenspalt
Schritt 4: Freilegen von Defekten im Sohlen- und Wandhorn und Entlastung erkrankter Sohlen- und Wandabschnitte
  • nur dann nötig, wenn Defekte vorliegen (dieser Schritt fällt bei gesunden Klauen weg)
  • Weiße-Linien-Defekte, Doppelsohlen, abgelöstes Ballenhorn, Sohlengeschwüre, Wandgeschwüre mit Hornklüften u.ä. werden sorgfältig ausgeschnitten (ohne die Lederhaut zu verletzen)
  • das Horn um den ausgeschnitten Defekt herum wird flach zum gesunden Horn hin ausgeschnitten bzw. mittels keilförmigem Ausschneiden entlastet
  • hochgradige Defekte, die mit Schwellungen einhergehen, müssen chirurgisch durch einen Tierarzt behandelt werden
Schritt 5: Entfernung von losem Horn, Kürzen der Afterklauen und Kontrolle des Zwischenklauenspalts
  • loses Horn an der Sohle wird entfernt und zerfurchtes Horn im Weichballenhorn (Ballenfäule) muss freigelegt werden
  • bei scharfen Horngraten wird der Tragrand bearbeitet (ansonsten darf dieser nicht abgerundet werden)
  • Kürzen der Afterklauen (müssen gleich lang wie breit sein)
  • Kontrolle der Haut im Zwischenklauenspalt und über dem Saumband
  • erneute Kontrolle des Gangbildes beim Verlassen des Klauenpflegestandes

6. Literatur

  • A. Univ.-Prof. Dr. Johann Kofler. Dipl. ECBHM. Orthopädische Erkrankungen & Orthopädische Operationen bei Wiederkäuern. Neu überarbeitet im Jänner 2015 mit 45 Videos abrufbar mittels QR-Code & URL's zur VETmediathek. Klinik für Wiederkäuer, Vetmeduni Wien.

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Mag. med. vet. Patrick Messner
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