Sohlengeschwür (Rind)
Synonyme: SG, Rusterholz'sches Geschwür, Rusterholz-Geschwür, Klauensohlengeschwür, Pododermatitis septica circumscripta solearis
Englisch: sole ulcer, ulcus Rusterholz
Definition
Ätiologie
Sohlengeschwüre sind stets an einer typischen Stelle - axial an der Sohle, direkt unter dem Tuberculum flexorium des Klauenbeins im Bereich der Hohlkehlung - lokalisiert.
Neben biomechanischen Faktoren (Verlagerung des Körpergewichts von vorne nach hinten auf den Hartballen, mehr Druck infolge einer höheren hinteren Außenklaue) spielen auch Durchblutungsstörungen der Lederhaut im Rahmen verschiedener krankhafter Prozesse eine prädisponierende Rolle, z.B. bei
- Klauenrehe
- Absinken des Klauenbeines
- Umbau bzw. Schwund der Fettpolster der Klaue
- Dermatitis digitalis
- Ballenfäule
Unter den heutigen intensiven Produktionsbedingungen werden Sohlengeschwüre v.a. durch die Kombination einer rehe-bedingten Klauenbeinabsenkung und einer übermäßigen äußeren Druckeinwirkung (aufgrund harter Betonböden und des chronischen Drucks, bedingt durch die höhere Außenklaue) verursacht. Zusätzliche begünstigende Faktoren sind:
- zu lang angewachsene Klauen
- unsachgemäße Klauenpflege
- ungenügende Entlastung von Defekten (z.B. Sohlenblutung)
- stallbauliche Risikofaktoren (zu kurze Standflächen, zu kurze Liegeflächen)
- Hygienemängel (verschmutzte, mangelhafte eingestreute Liegeboxen, verschmutzte Laufflächen)
- Bewegungsarmut (aufgrund Überbelegung, Trächtigkeit, Erkrankung)
- Mangel an Ruhezeiten (Überbeleg)
- Überbelastung einer Gliedmaße aufgrund schmerzhafter Prozesse an einer anderen Extremität
- genetische Faktoren (Rasse)
Epidemiologie
Sohlengeschwüre treten v.a. bei Kühen in Anbindehaltung, aber auch bei Kühen in Laufstallhaltung auf. Der Substanzverlust tritt meist axial am Übergang von der Sohle zum Ballen im Bereich der Hohlkehlung auf und ist häufig an der lateralen Klaue der Hintergliedmaße zu finden.
Die Erkrankung kommt vorwiegend bei adulten Tieren, schweren Rassen und älteren Kühen vor und wird gehäuft am Ende der Trächtigkeit bzw. vermehrt im ersten Laktationsdrittel festgestellt.
Pathogenese
Aufgrund der lokalen druckbedingten Überbelastung der Sohle kommt es zu einer umschriebenen Quetschung mit nachfolgender Blutung (lokale Sohlenblutung) bzw. zu einer lokalen Entzündung der Sohlenlederhaut. Durch das Trauma entwickelt sich initial eine aseptisch-umschriebene Lederhautentzündung, die eine eingeschränkte lokale Hornproduktion sowie Bildung minderwertigen Horns nach sich zieht.
Zu Beginn der Sohlenblutung sind oberflächlich an der Hornsohle noch keine Veränderungen erkennbar. Erst nach 4 bis 6 Wochen kann durch den voranschreitenden Hornwuchs eine umschriebene Sohlenblutung festgestellt werden. Hält dieser Zustand der dauernden Druckeinwirkung mit Blutung der Lederhaut jedoch über mehrere Wochen an, kommt es zu einer massiven Beeinträchtigung der lokalen Hornbildung. Die Hornbildung kann schwer gestört sein oder gar ganz sistieren, sodass die Hornschicht darüber Spalten aufweist. In weiterer Folge kommt es sekundär zu Infektionen, die durch eine gestörte Hämodynamik deutlich begünstigt werden. Mit zunehmendem Hornabrieb bei gleichzeitig gestörtem Hornwachstum wird die Lederhaut letztendlich ganz freigelegt. Es kommt zur Verschmutzung und direkten mechanischen Irritation der Lederhaut sowie zu deren Prolaps. Durch die abnorme Belastung entwickelt sich eine chronische Periostitis am Tuberculum flexorium, die den entzündlichen Prozess im betroffenen Areal deutlich verstärkt.
Klinik
Sohlengeschwüre sind stets schmerzhaft, da die Lederhaut durch den Substanzverlust freiliegt. Im Stand der Ruhe ist die betroffene Gliedmaße in Entlastungsstellung positioniert (Abduktion). Bilateral betroffene Tiere bewegen sich ungern und stehen auffällig rückständig. Bei unkomplizierten Sohlengschwüren ist das Allgemeinbefinden nicht gestört, jedoch sinkt die Milchleistung. Der Grad der Lahmheit ist von der Größe des Defektes abhängig. Bei kleinflächigen und unkomplizierten Sohlengeschwüren ist auf weichem Boden oft noch keine sichtbare Lahmheit erkennbar. Auf hartem Boden können betroffene Tiere eine Lahmheit 2. Grades (Klassifizierung nach Sprecher et al.) zeigen. Großflächige Geschwüre gehen meist mit einer Lahmheit 3. bis 4. Grades einher.
Bei der Adspektion der Sohle können unterschiedlich große Horndefekte (zwischen 0,5 und 4 cm) an typischer Lokalisation festgestellt werden. Oftmals ist das Bild durch die frei liegende, infizierte bzw. nekrotische Lederhaut sowie vorquellendes und blutendes Granulationsgewebe gekennzeichnet. Das Sohlenhorn rund um das Geschwür kann bis zum Weichballen hin völlig abgelöst sein, wobei meist ein höher temperierter Hornschuh einen akuten Entzündungsprozess anzeigt.
Komplizierte Sohlengeschwüre (tiefgreifendes Ulkus mit Beteiligung tiefer liegender Strukturen) sind durch eine massive Schwellung an der Krone und am Ballen markiert und gehen dementsprechend mit starken Lahmheiten (4. bis 5. Grades) einher.
Diagnose
Sohlengeschwüre können anhand der typischen Läsionen am Sohlenhorn im Bereich der axialen Hohlkehlung diagnostiziert werden. Mittels diagnostischem Klauenschnitt, Adspektion und Palpation der betroffenen Stelle und Sondierung des Defektes kann das Ausmaß des Sohlengeschwürs eingeschätzt werden.
Differenzialdiagnosen
Differenzialdiagnostisch sind Fremdkörperverletzungen (Nageltritt) sowie ein Durchschneiden des Sohlenhorns infolge unsachgemäßer Klauenpflege abzuklären.
Therapie
Die Therapie des Sohlengeschwürs richtet sich nach dem Ausmaß der Läsion und hängt davon ab, ob es sich um ein unkompliziertes oder kompliziertes Sohlengeschwür handelt.
Unkomplizierte Sohlengeschwüre werden im Rahmen einer funktionellen Klauenpflege korrigiert. Dabei muss das Geschwür freigelegt und sämtliches loses Horn entfernt und fachgerecht entlastet werden. Eine adäquate Entlastung der betroffenen Stelle kann erreicht werden, indem die Trachtenhöhe der Innenklaue deutlich höher belassen (mehr als 1 cm Höhenunterschied) oder durch einen Klotz (auf der gesunden Nachbarklaue) entlastet wird. Eine fachgerechte Entlastung des Sohlengeschwürs kann nur dann gewährleistet werden, wenn der Tragrand (ab dem vorderen Ende des Sohlengeschwürs) bis ganz nach hinten (inkl. des gesamten Sohlenhorns hinter dem Geschwür) keilförmig niedergeschnitten wird. Nur so kann das Sohlengeschwür komplett entlastet werden, sodass jegliche Druckeinwirkung auf und um das Sohlengeschwür (bei der Fußung der Gliedmaße) vermieden wird.
Komplizierte Sohlengeschwüre, die mit einer Nekrose der tiefen Beugesehne einhergehen, müssen umfangreicher (chirurgisch) behandelt werden. Neben der funktionellen Klauenpflege und der Entlastung des Sohlengeschwürs durch ein fachgerechtes Ausschneiden ist eine chirurgische Resektion der tiefen Beugesehnen im Bereich ihrer Ansatzstelle durchzuführen. Hierbei muss zwingend darauf geachtet werden, dass sämtliche nekrotisch sowie entzündlich veränderten Gewebeanteile um die betroffene Sehne im Zuge der Operation mit reseziert werden.
Quellen
- A. Univ.-Prof. Dr. Johann Kofler. Diagnoseschlüssel zu Klauenerkrankungen für Klauenpfleger & Tierärzte, Johann Kofler. Klinik für Wiederkäuer, Vetmeduni Wien, 14.11.14 (abgerufen am 03.10.2019)
- A. Univ.-Prof. Dr. Johann Kofler. Dipl. ECBHM. Orthopädische Erkrankungen & Orthopädische Operationen bei Wiederkäuern. Neu überarbeitet im Jänner 2015 mit 45 Videos abrufbar mittels QR-Code & URL's zur VETmedhiathek. Klinik für Wiederkäuer, Vetmeduni Wien.
- Arbeitsgemeinschaft österreichischer Klauenpfleger (AÖK) Leitfaden Klauenkrankheiten & Diagnoseschlüssel für Klauenuntersuchungsprotokoll "Auktion" (abgerufen am 03.10.2019)
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