Embolisat
Englisch: artificial embolus
Definition
Als Embolisat bezeichnet man ein flüssiges oder festes Material, mit dem man im Rahmen einer therapeutischen Embolisation einen Gefäßverschluss erzielt. Abhängig von der Indikation verwendet man unterschiedliche Arten von Embolisaten.
Hintergrund
Eine Embolisation ist ein therapeutisches Verfahren zum Verschluss von Blutgefäßen. Die Einsatzgebiete sind variabel und reichen von der Embolisation von Aneurysmen über Tumorembolisationen hin zur Stillung von schweren Blutungen.
Abhängig von den unterschiedlichen Anforderungen gibt es verschiedene Arten von Embolisaten. Sie haben das Ziel, den Blutfluss vollständig oder nur partiell zu hemmen.
Einteilung
Man unterscheidet die folgenden Klassen von Embolisaten:
- temporäre Embolisate
- permanente Embolisate
Temporäre Embolisate
Für eine temporäre Embolisation wird meistens Gelatine (z.B. Gelfoam®) verwendet. Es handelt sich um ein günstiges, leicht verfügbares, effektives und schnell vorzubereitendes Embolisat. Es kann als einzelner sogenannter "Torpedo" oder als Schleim ("Slurry") zubereitet werden. Die Rekanalisation tritt meist innerhalb von Wochen bis Monaten ein, ist jedoch nicht genau vorhersehbar. Gelatine wird in der Regel zur schnellen Embolisation von arteriellen Blutungen verwendet. Ferner kann man sie zum temporären Verschluss von Shunts vor definitiver Therapie und zum Verschluss eines perkutanen transhepatischen Zugangs einsetzen oder generell, wenn eine permanente Embolisation nicht sinnvoll ist. Für die Embolisation kleiner Gefäße ist sie weniger geeignet.
Weitere temporäre Embolisate sind:
- mikrofibrilläre Kollagenpartikel (z.B. Avitene™)
- Amilomer: abbaubare stärkehaltige Mikrosphären (Degradable Starch Microspheres, DSM)
- autologer Blutpfropf
- Ballonkatheter
Permanente Embolisate
Als permanente Embolisate kommen verschiedene Materialien zum Einsatz. Man unterscheidet:
- mechanische Embolisate: Coils, Gefäßverschlussstopfen, ablösbare Ballons
- nicht resorbierbare Partikel
- Flüssigembolisate und Sklerosanzien
Coils
Coils sind Metallspiralen, die beim Verlassen des Katheters eine gewundene Form annehmen. Es existieren zahlreiche verschiedene Größen, Konfigurationen und Formen. Sie kommen zum Einsatz, wenn der Katheter bis zum Zielgefäß vorgeschoben werden kann. Es gibt unterschiedliche Arten von Coils:
- Bare-Metal-Coils stoppen den Blutfluss auf mechanischem Weg und bestehen aus unterschiedlichen Materialien, meist aus rostfreiem, relativ steifem Stahl, der bio-inert und röntgendicht ist. Darüber hinaus gibt es flexible Platin-Coils, die man über Mikrokatheter appliziert und hochflexible, jedoch formbständige Nitinol-Coils.
- Bioaktive Coils haben eine modifizierte Oberfläche, welche die Thrombogenität erhöht. Sie können zum Beispiel mit Polymeren, Hydrogel, Proteinen oder Nylonfasern ("fibered coils") beschichtet sein.
- "Pushable" Coils (0,035''-Coils oder 0,018''-Mikrocoils) sind kostengünstig und ermöglichen eine unkomplizierte Applikation. Sie können durch den Katheter mit einem "Coil-Pusher-Draht" oder durch vorsichtige Injektion mit einer Spritze mit Kochsalzlösung vorgeschoben werden. Sie lassen sich ggf. nicht entfernen, falls sie falsch positioniert wurden.
- "Detachable" Coils (0,035''-Coils oder 0,018''-Mikrocoils) machen bei suboptimaler Lage häufig eine Reposition oder Konfiguration möglich. Daher setzt man sie v.a. bei kritischen Gefäßen, High-Flow-Shunts und in Arealen ein, wo es versehentlich zu einer nicht-zielgerichteten Embolisation kommen könnte (z.B. Arteria gastroduodenalis). Es existieren verschiedene Möglichkeiten der Applikation (z.B. mechanisch, elektrisch).
- Neurointerventionelle Coils wurden speziell für intrakranielle Anwendungen entwickelt.
Gefäßverschlussstopfen
Gefäßverschlussstopfen ("vascular plugs") basieren auf gewebtem expandierbarem Nitinol und einer zusätzlichen Membran für den mechanischen Verschluss, ähnlich wie bei einer Coil-Embolisation. Sie können präzise positioniert werden, weisen eine kurze Landezone auf und ermöglichen eine schnelle Okklusion. Empfohlen wird eine mind. 30 % über den Durchmesser des Zielgefäßes hinausgehende Größe.
Partikel
Partikel sind wenige Mikrometer große Feststoffe, die sich auf präkapillärer oder kapillärer Ebene ablagern und zur Okklusion führen. Bei Shunts bzw. Kollateralen besteht jedoch ein erhöhtes Risiko einer nicht-zielgerichteten Embolisierung. Sie werden typischerweise für die Tumorembolisation und in ausgewählten Fällen auch zur Behandlung von Blutungen verwendet.
Man unterscheidet:
- Polyvinylalkohol (PVA): Nicht sphärische, irreguläre Partikel, die im Vergleich zu sphärischen Partikeln ähnlicher Größe zu einer Okklusion von eher proximalen Gefäßen führen. PVA-Partikel können verklumpen und zu einer proximalen Gefäß- oder Katheterokklusion führen.
- Sphärische Partikel mit konstantem Durchmesser. Sie können zu ausgedehnter Embolisierung führen und erhöhen dadurchdas Risiko einer Ischämie des distalen Gewebes. Sie sind teurer als PVA.
Flüssigembolisate
Es existiert eine Vielzahl an Flüssigembolisaten, die in bestimmten klinischen Situation eingesetzt werden. Dazu zählen:
- komplexe Embolisierungen, bei denen das Embolisat über den Katheter hinaus in den Nidus einer AVM eindringen muss
- die Festigung des Zielgefäßes bei intrakraniellen Aneurysmen
- die onkologische Therapie, z.B. eines hepatozellulären Karzinoms
- nicht-vaskuläre Ziele, z.B. ein Gallenleck
Zum Einsatz kommen z.B.:
- N-Butylcyanacrylat (Histoacryl) verfestigt sich beim Kontakt mit einem ionischen Medium wie Blut. Das flüssige Klebstoff-Polymer wird unmittelbar vor Applikation mit Lipiodol gemischt. Ein Mischverhältnis von > 5:1 verlangsamt die Polymerisation, ein Verhältnis von < 2:1 beschleunigt sie. Eine nicht-ionische Vorbereitung von Tisch, Handschuhen, Kathetern und Spritzen ist wichtig. Dabei müssen alle Ausrüstungen sorgfältig mit entsprechenden Lösungen (z.B. D5W) gespült werden.
- Onyx ist ein Ethylenvinylalkoholpolymer, das in Dimethylsulfoxid (DMSO) gelöst ist. Es kann mit röntgendichtem Tantalpulver gemischt werden. Bei Kontakt mit wässriger Lösung fällt es von außen nach innen aus, da sich DMSO verflüchtigt. Es bildet so einen "lava-ähnlichen" Schaum. Seine nicht-adhäsive Eigenschaft erlaubt eine langsame, gezielte Injektion.
- Ethanol 96 - 98 %: denaturiert sofort Zellproteine und verursacht eine Thrombose in kleinen Gefäßen. Es kann zur Ablation ganzer Organe (z.B. Niere) sowie als Sklerosierungsmittel verwendet werden. Da es bei Applikation zu deutlichen Schmerzen kommen kann, sollte eine Vollnarkose erwogen werden. Sofern es nicht mit Lipiodol gemischt wird (Verhältnis 4:1), ist es nicht radiologisch darstellbar. Vor Applikation muss ein Shuntgefäß ausgeschlossen sein.
- Lipiodol: Ethiodiertes Öl bzw. jodhaltiges Mohnöl. Es wird bei der konventionellen transarteriellen Chemoembolisation (TACE) verwendet, wo es als fluoroskopisch sichtbarer Trägerstoff des Chemotherapeutikums sowie als transientes arterielles Embolisat wirkt. Des Weiteren können lymphatische Leaks bei Lymphangiographie verschlossen werden. Es kann auch anderen Embolisaten (z.B. Ethanol) zugesetzt werden. Es muss beachtet werden, dass Lipiodol weiche Kunststoffe wie Kathetermuffen, Spritzen oder 3-Wege-Hähne auflösen kann.
Thrombin
Thrombin wandelt Fibrin in Fibrinogen um, aktiviert die Gerinnungskaskade und verursacht einen thrombotischen Veschluss des Zielgefäßes. In der Regel sind nur 0,2 - 0,5 ml erforderlich. Bei nicht-gezielter Embolisierung sind schwere Komplikationen möglich.
Sklerosierende Embolisate
Sklerosierende Embolisate sind Detergenzien, die durch Entzündung und Thrombose einen Gefäßverschluss verursachen. Sie kommen zum Einsatz bei Krampfadern, venösen Malformationen, Pelvic Congestion Syndrome und BRTO (Balloon-occluded retrograde transvenous obliteration) zur Behandlung von gastrischen Varizen. Sie können flüssig oder gemischt mit Luft bzw. CO2 als Schaum verwendet werden. Letztere erhöhen den Kontakt mit der Gefäßwand, sodass weniger Sklerosierungsmittel notwendig ist. Beispiele sind das in Europa weit verbreitete Polidocanol, Ethanolaminoleat-Iopamidol (Ethamolin) und Natriumtetradecylsulfat-STS (Sotradecol).
Andere Sklerosierungsmittel sind Ethanol sowie heißes Kontrastmittel. Letzteres wird nur selten verwendet. Für Lymphozelen kommen Doxycyclin sowie seltener Tetrazyklin, Bleomycin, Talkum und Fibrinkleber zum Einsatz.
Onkologische Embolisate
Onkologische Embolisate werden zur Therapie maligner Tumoren eingesetzt. Beispiele sind:
- Medikamenten-freisetzende Partikel: Chemotherapeutika werden ionisch (Irinotecan) oder osmotisch (Doxorubicin) an Kügelchen ("Beads") gebunden und in den Tumor eingebracht, wo sie aus den Kügelchen freigesetzt werden. Dies ermöglicht eine selektiv höhere Zytostatikakonzentration im Tumor.
- Radioaktive Partikel: β-Strahlung emittierendes Y-90, eingebettet in Harz- oder Glas-Mikrosphären kommt bei der selektiven internen Radiotherapie (SIRT) zum Einsatz.
Stents
Stents können in Kombination mit Coils verwendet werden (Stent-unterstützte Coil-Embolisation), wobei ein nicht-gecoverter Stent über ein Aneurysma mit weitem Hals platziert wird. Die Coils werden mittels Mikrokatheter durch die Zwischenräume des Stents in das Aneurysma platziert.
Literatur
- Duale Reihe, Radiologie, 4. Auflage, Thieme Verlag