Campylobacter-Enteritis
Definition
Die Campylobacter-Enteritis ist eine durch eine Infektion mit Bakterien der Gattung Campylobacter verursachte Gastroenteritis.
Epidemiologie
Die Campylobacter-Enteritis ist in Deutschland mit etwa 70.000 gemeldeten Fällen pro Jahr die häufigste bakterielle Durchfallerkrankung und hat die Salmonellen-Gastroenteritis weit überholt. Die Erkrankungshäufigkeit ist in den Sommermonaten am höchsten. Kinder unter 5 Jahren und Erwachsene zwischen 20 und 29 Jahren sind besonders häufig betroffen.
Erreger
Campylobacter-Spezies sind im Tierreich weit verbreitet. Durch das tierische Erregerreservoir kommt es daher zu Infektionen bei Kontakt mit kontaminierten tierischen Lebensmitteln, beispielsweise Rohmilch oder kontaminiertem Geflügel. Die Übertragung von Mensch zu Mensch ist ebenfalls möglich. Die wichtigsten humanpathogenen Spezies für die Entstehung einer Enteritis sind:
Klinik
Viele Infektionen verlaufen asymptomatisch. Eine symptomatische Infektion zeigt gewöhnlich das Bild einer akuten Enteritis.
Nach einer Inkubationszeit von 2 bis 5 Tagen folgt eine kurze Prodromalphase mit unspezifischer Symptomatik (Kopf- und Gliederschmerzen, Fieber). Im Anschluss setzen rasch breiige bis massiv wässrige Diarrhöen ein, die auch blutig sein können. Begleitend treten häufig Tenesmen und kolikartige Schmerzen auf. Bei Spontanverlauf sistieren die Durchfälle bei Immunkompetenten nach etwa 8 bis 10 Tagen.
Solange die Erreger im Stuhl ausgeschieden werden, sind die Patienten als infektiös zu betrachten (etwa 2 bis 4 Wochen).
Komplikationen
Bei Immunsuppression, sehr jungen oder alten Patienten kann es zu generalisierten Verläufen mit Peritonitis, Meningitis und Sepsis kommen. Weitere mögliche Komplikationen sind Cholezystitis und Salpingitis.
Folgeerkrankungen
Selten entwickelt sich mit einer Latenzzeit von mehreren Wochen nach einer Campylobacter-Enteritis eine reaktive Arthritis. Die Antigenvariante HLA-B27 begünstigt das Auftreten der Arthritis.
Sehr selten kann eine vorausgehende Campylobacter-Enteritis auch der Trigger für das Auftreten eines Guillain-Barré-Syndroms sein.
Weiterhin entwickeln einige Patienten ein postinfektiöses Reizdarmsyndrom (PI-IBS). Vermutet wird eine molekulare Mimikry, bei dem durch das bakterielle Cytolethal Distending Toxin B (CDT-B) Autoantikörper gegen das zelluläre Protein Vinculin entstehen. Diese Autoimmunreaktion kann Motilitäts- und Sensibilitätsstörungen des Darms hervorrufen.[1][2]
Diagnostik
Bakteriologie
Die Diagnose einer Campylobacter-Enteritis lässt sich durch die bakteriologische Untersuchung einer frischen Stuhlprobe sichern. Die Stuhlprobe sollte im Stadium der akuten Symptomatik gewonnen werden und innerhalb von 24 Stunden ins Labor gebracht werden, da die Erreger empfindlich gegenüber Umwelteinflüssen sind.
Die Sicherung der Diagnose erfolgt in der Regel durch Anzucht auf einem Selektivnährmedium unter mikroaerophilen Bedingungen bei 37–42 °C für mindestens 48 Stunden (z.B. CCD-Agar). Zusätzlich erfolgt eine Antibiotika-Resistenzbestimmung.
Antigennachweis
Alternativ können ein Antigennachweis mittels ELISA oder ein Nachweis der bakteriellen DNA via PCR aus dem Stuhl erfolgen. Multiplex-PCR-Paneltests können in begründeten Einzelfällen sinnvoll sein.
Antikörperdiagnostik
Im Rahmen von Folgeerkrankungen, wie der reaktiven Arthritis, ist die serologische Diagnostik die Methode der Wahl. Hierbei werden spezifische Antikörper gegen Campylobacter coli und Campylobacter jejuni mittels Komplementbindungsreaktion oder ELISA aus 1 ml Serum detektiert.
Der Normwert liegt bei einem Titer unterhalb von 1:10. Ab einem Titer von 1:80 ist der Test als positiv zu bewerten.
Bei einem erhöhten Titer besteht der Verdacht auf eine akute Infektion, es sollte eine Kontrolle nach 14 Tagen stattfinden. Ein signifikanter Titeranstieg bei der Kontrolluntersuchung zeigt eine sichere Infektion an. Die Antikörper persistieren bei durchgemachter Infektion oft nur kurz.
Differenzialdiagnosen
- akute Gastroenteritiden durch andere Bakterien (z.B. Salmonellen, Shigellen, Yersinien, Clostridien, Escherichia coli), Viren (z.B. Noroviren, Rotaviren, Adenoviren) oder Parasiten (z.B. Amöben, Giardien)
- chronisch entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa)
- Reizdarmsyndrom
Therapie
Die Therapie der Campylobacter-Enteritis erfolgt symptomatisch durch Rehydratation und Ausgleich des Elektrolytverlusts. Eine antibiotische Therapie ist in der Regel nicht erforderlich, kann jedoch bei schweren, hochfieberhaften und progredienten Verläufen mit Gefahr einer septischen Generalisation erwogen werden. Laut Leitlinie (Stand 2023) soll Ciprofloxacin aufgrund hoher Resistenzen nicht mehr eingesetzt werden, Makrolide wie Azithromycin gelten als Mittel der Wahl. Eine Antibiotikatherapie wird insbesondere bei Risikopatienten (z.B. ältere Menschen, Schwangere, immunsupprimierte Patienten) empfohlen.
Prävention
Die beste Prävention von Campylobacter-Enteritis ist der hygienische Umgang mit potentiell kontaminierten Lebensmitteln und deren richtige Zubereitung.
- Durchgaren von Geflügelfleisch vor dem Verzehr (Temperatur im Fleischinneren > 75 °C)
- Händewaschen vor und nach der Zubereitung des Lebensmittels
- Messer- und Schneidebrettwechsel bzw. gründliche Reinigung unter heißem Wasser
Weitere Risikofaktoren wie die Einnahme von Magensäurehemmern (PPI) können das Erkrankungsrisiko erhöhen.
Meldepflicht
Der direkte Erregernachweis durch Kultur oder mittels Antigentest ist meldepflichtig nach §7 Infektionsschutzgesetz. Im Jahr 2022 wurden laut RKI 43.601 Fälle gemäß der Falldefinition gemeldet.[3]
Leitlinie
Einzelnachweise
- ↑ Klem et al., Prevalence, Risk Factors, and Outcomes of Irritable Bowel Syndrome After Infectious Enteritis: A Systematic Review and Meta‑analysis, Gastroenterology, 2017
- ↑ Pimentel et al., Development and Validation of a Biomarker for Diarrhea‑Predominant Irritable Bowel Syndrome in Human Subjects, PLoS One, 2015
- ↑ Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2022, RKI
Literatur
- Laborlexikon.de; abgerufen am 16.02.2021
- Robert Koch Institut: Campylobacter-Enteritis (2018); abgerufen am 16.02.2021