Pinealiszyste
Synonym: Zirbeldrüsenzyste
Englisch: pineal cyst
Definition
Pinealiszysten sind relativ häufige, meist asymptomatische Zysten der Zirbeldrüse (Glandula pinealis).
Ätiologie
Die genaue Ursache von Pinealiszysten ist derzeit (2023) unklar. Vermutet werden das Zusammenfließen von embryonalen Kavitäten oder eine gliale Degeneration mit anschließender Höhlenbildung.
Epidemiologie
In der Magnetresonanztomographie (MRT) finden sich bei ca. 50 % der Kinder und über 25 % der gesunden Erwachsenen zystische Läsionen der Glandula pinealis. In Autopsieserien konnten Pinealiszysten bei 25 bis 40 % der Patienten festgestellt werden.
Pinealiszysten kommen in jedem Alter vor. Am häufigsten werden sie bei Personen mittleren bis höheren Alters festgestellt. Frauen sind doppelt so häufig betroffen, vermutlich aufgrund von hormonellen Faktoren. Bei Frauen werden die Zysten häufig im Laufe des Lebens zunächst größer, bevor sie wieder schrumpfen. Bei Männern bleiben die Zysten i.d.R. konstant.
Klinik
Pinealiszysten sind meist weniger als 1 cm groß und verursachen keine Symptome, sodass es sich um einen radiologischen Zufallsbefund handelt. Seltener kommt es zu einem Parinaud-Syndrom oder zu Kopfschmerzen aufgrund eines Hydrocephalus occlusus. Sporadisch führt eine Blutung in die Epiphyse zu einem sogenanten Pinealapoplex. Dabei beklagen die Patienten akute schwere Kopfschmerzen und Sehstörungen. In diesem Fall kann ein akuter intraventrikulärer Hydrocephalus occlusus auftreten.
Pathologie
Makroskopie
Makroskopisch zeigt sich eine glatt begrenzte, weiche, braun-gelbe Glandula pinealis, die eine meist unilokuläre Zyste mit klarer bis gelblicher Flüssigkeit enthält. Multilokuläre Zysten können vorkommen.
Mikroskopie
Pinealiszysten bestehen aus drei konzentrischen Schichten:
- innere Schicht: feinfibrilläres gliales Gewebe, oft mit Hämosiderinablagerungen
- mittlere Schicht: Zirbeldrüsenparenchym, z.T. mit Verkalkungen
- äußere Schicht: dünnes fibröses Bindegewebe
Die Zysten enthalten meist eine proteinreiche, z.T. hämorrhagische Flüssigkeit. Wie die restliche Zirbeldrüse weisen sie keine gut ausgebildete Blut-Hirn-Schranke auf. Ependymale oder epitheliale Zellen kommen nicht vor.
Radiologie
Pinealiszysten befinden sich wie jede pineale Raumforderung unterhalb des Fornix cerebri, des Velum interpositum und der inneren Hirnvenen, die entsprechend nach superior verlagert werden. Pinealiszysten können den posterioren dritten Ventrikel komprimieren, führen jedoch meist zu keinem oder nur einem geringem raumforderden Effekt auf das Tectum oder den Aquaeductus mesencephali. Ein Hydrocephalus occlusus kommt daher nur selten bei sehr großen Zysten vor.
Computertomographie
Pinealiszysten zeigen in der Computertomographie (CT) in 25 % der Fälle Verkalkungen in der Wand. Die Zystenflüssigkeit ist iso- bis leicht hyperdens im Vergleich zum Liquor. Bei sehr hyperdenser Flüssigkeit und begleitenden Kopfschmerzen sollte an eine Hämorrhagie mit Pinealapoplex gedacht werden. Ballonierte Ventrikel mit unscharfen Begrenzungen sind hinweisend auf einen akuten obstruktiven Hydrozephalus. Häufig findet sich ein Enhancement, sowohl randständig als auch sichelförmig oder nodulär.
Magnetresonanztomographie
Die meisten Pinealiszysten zeigen folgendes Signalverhalten:
- T1w: leicht hyperintens im Vergleich zu Liquor (50 bis 60 %) oder isointens (40 %). In 1 bis 2 % der Fälle sehr hyperintens; dabei muss wie im Falle von Blut-Flüssigkeits-Spiegeln an eine intrazystische Einblutung gedacht werden.
- PDw: meist hyperintens im Vergleich zu Liquor
- T2w: iso- bis leicht hyperintens. Im Falle einer akuten Einblutung sehr hypointens. Intrazystische Septierungen in 20 bis 25 % der Fälle und multizystische Erscheinung in 10 %.
- FLAIR: keine vollständige Suppression, daher moderat hyperintens im Vergleich zum Hirnparenchym.
- T2*: Blooming-Artefakt der Flüssigkeit im Falle einer Einblutung sowie randständig bei Verkalkungen
- DWI/ADC: typischerweise keine Diffusionsrestriktion
- T1w-KM: Enhancement in 1/3 bis 2/3 der Fälle. Häufig dünner zirkumferentieller Rand. Seltener noduläres, sichelförmiges oder irrreguläres Enhancement. 60 bis 90 Minuten nach Kontrastmittelgabe diffundiert Kontrastmitel in die Zystenflüssigkeit, sodass die Masse solide erscheinen kann.
Große Zysten oder akute Einblutungen können zu einem Hydrocephalus occlusus führen. In diesen Fällen finden sich in PDw-, T2w- und FLAIR-Sequenzen fingerartige Hyperintensitäten, die in die weiße Substanz um die Hirnventrikel ausstrahlen und subependymalen Ansammlungen interstitieller Flüssigkeit entsprechen (transependymales Ödem).
Differenzialdiagnosen
Die häufigste Differenzialdiagnose ist eine normale Glandula pinealis, die oft eine oder mehrere kleine zystische Areale enthält und ein noduläres, sichelförmiges oder ringförmiges Enhancement aufweisen kann. Die wichtigste pathologische Differenzialdiagnose ist ein Pineozytom. Dabei handelt es sich um einen benignen pinealen Parenchymtumor (WHO-Grad I), der meist solide oder gemischt solide-zystisch ist. Rein zystische Pineozytome sind radiologisch kaum von einer Pinealiszyste zu unterscheiden. Pineozytome können im Verlauf ebenfalls jahrelang unverändert bleiben.
Bei atypischen bildgebenden Befunden, fokaler Invasion oder signifikanter Veränderung im Verlauf muss an eine Pinealisparenchymtumor mit intermediärer Differenzierung (PPTID) gedacht werden. Weitere Differenzialdiagosen sind:
- Keimzelltumore: Germinom, embryonales Karzinom, Chorionkarzinom, Teratom
- andere pineale Parenchymtumore: papillärer Tumor der Pinealregion, Pineoblastom
- Gliome
- Pineale Metastase
- Epidermoidzyste
- Arachnoidalzyste: meist hinter der Zirbeldrüse
siehe Hauptartikel: Pinealistumor
Therapie
Bei inzidentiellen Pinealiszysten sollten nur klinische Verlaufskontrollen erfolgen. Bei atypischen radiologischen Befunden (Größenzunahme, atypischer Kontrastmittelaufnahme, Hämorrhagien) sind bildgebende Verlaufskontrollen mittels MRT sinnnvoll.
In den meisten Fällen ist keine Therapie notwendig. Symptomatische Pinealiszysten können mittels stereotaktischer Aspiration oder Resektion behandelt werden.
Literatur
- Starke RM et al. Pineal cysts and other pineal region malignancies: determining factors predictive of hydrocephalus and malignancy. J Neurosurg. 2017
- Májovský M et al. Conservative and Surgical Treatment of Patients with Pineal Cysts: Prospective Case Series of 110 Patients. World Neurosurg. 2017
- Evans RW. Incidental Findings and Normal Anatomical Variants on MRI of the Brain in Adults for Primary Headaches. Headache. 2017
um diese Funktion zu nutzen.