Arachnoidalzyste
Synonyme: Subarachnoidalzyste, meningeale Zyste, leptomeningeale Zyste
Englisch: arachnoid cyst, subarachnoid cyst, meningeal cyst
Definition
Als Arachnoidalzyste bezeichnet man eine liquorgefüllte Zyste, die von einer flachen Schicht von Arachnoidalzellen umhüllt wird.
Ätiologie
Arachnoidalzysten entstehen in der Regel als Entwicklungsstörung der Endomeninx. Dabei kommt es zu einer arachnoidalen "Duplikatur", die durch die reifen Arachnoidalzellen mit Liquor gefüllt wird. Es handelt sich entprechend um eine nicht-neoplastische Raumforderung.
Selten führen Blutungen, Infektionen oder Operationen zu einer Arachnoidalzyste. Ähnliche Zysten entstehen teilweise angrenzend an einen extraaxialen Tumor (z.B. Meningeom, Schwannom, Hypophysenmakroadenom). Diese Tumor-assoziierten Zysten werden jedoch nicht zu den Arachnoidalzysten im engeren Sinne gezählt.
Ob Arachnoidalzysten einen kausalen oder zufälligen Zusammenhang zu Subduralhämatomen (SDH) aufweisen, ist derzeit (2024) unklar. Traumatische SDH können in eine Arachnoidalzyste rupturieren, umgekehrt führt eine Zystenruptur nur selten zu einem spontanen SDH.
Ein syndromales Auftreten von Arachnoidalzysten ist beschrieben bei akrokallosalem Syndrom, Aicardi-Syndrom und Pallister-Hall-Syndrom.
Epidemiologie
Arachnoidalzysten sind die häufigsten kongenitalen intrakraniellen Zysten. Sie machen ca. 1 % aller intrakraniellen Raumforderungen aus. In einer Querschnittsstudie wurden bei rund 1,7 % aller teilnehmenden Männer Arachnoidalzysten gefunden.[1]
Arachnoidalzysten können in jedem Alter detektiert werden, mit 75 % am häufigsten bei Kindern und jungen Erwachsenen. Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen.
Lokalisation, Zahl und Größe
Arachnoidalzysten treten extraaxial und in der Regel intrakraniell, seltener spinal auf. Die häufigste Lokalisation ist supratentoriell (90 %) und meist entfernt von der Mittellinie. Über zwei Drittel der Fälle sind in der mittleren Schädelgrube anteromedial zum Temporallappen lokalisiert. 15 % der Arachnoidalzysten finden sich an der Großhirnkonvexität, insbesondere angrenzend an die Frontallappen.
Mittellinien-nahe supratentorielle Arachnoidalzysten sind selten und dann meist in der Cisterna chiasmatica, seltener in der Cisterna quadrigeminalis und am Velum interpositum lokalisiert. Interhemisphärische Arachnoidalzysten sind mit Pathologien des Corpus callosum assoziiert.
Ungefähr 10 bis 15 % der Arachnoidalzysten befinden sich in der hinteren Schädelgrube, insbesondere im Kleinhirnbrückenwinkel. Hier stellen sie nach Epidermoidzysten die zweithäufigste, zystische, extraaxiale Raumforderung dar. Die zweithäufigste Lokalisation ist retrozerebellär.
Ararchnoidalzysten können wenige Millimeter bis über 5 cm groß sein. In der Regel handelt es sich um solitäre Läsionen. Über das Auftreten von multiplen meningealen Zysten wurde berichtet. Dabei handelt es sich am ehesten um erworbene Zysten nach okkulter Meningitis.
siehe auch: Galassi-Klassifikation
Pathologie
Makroskopie
Arachnoidalzysten sind gut begrenzte Zysten, die mit klarer, liquorähnlicher Flüssigkeit gefüllt sind. Sie zeigen keine interne Septierungen und sind vollständig von einer zarten, durchsichtigen Membran umhüllt.
Pathohistologie
Unter einer zarten fibrösen Membran findet sich eine einschichtige Zelllage aus reifen Arachnoidalzellen. Kleine entzündliche Infiltrate sind sehr selten.
Klinik
Arachnoidalzysten sind größtenteils asymptomatisch und werden oft als Zufallsbefund bei radiologischen Schnittbilduntersuchungen des Schädels entdeckt. Je nach Größe und Lokalisation kann es zu Kopfschmerzen, Schwindel, Hörstörungen sowie zu zusätzlichen Zeichen eines obstruktiven Hydrozephalus kommen.
In der Regel bleiben Arachnoidalzysten langfristig unverändert. Ein langsames Wachstum kann vorkommen, insbesondere bei jungen Patienten (< 4 Lebensjahr zum Diagnosezeitpunkt). Bei den seltenen traumatischen oder spontanen Blutungen in die Arachnoidalzyste kann es zu einer plötzlichen Größenzunahme kommen. Die Größe oder Lokalisation spielt keine Rolle für das Blutungsrisiko.
Diagnostik
Eine Arachnoidalzyste wird radiologisch diagnostiziert. Unkomplizierte Zysten verhalten sich in der Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT) identisch zum Liquor.
Computertomographie
In der CT zeigt sich eine Liquor-isodense Raumforderung. Im Falle einer Einblutung kann der Zysteninhalt im Vergleich zu Liquor leicht hyperdens sein. Arachnoidalzysten führen zu einem raumfordernden Effekt und können z.B. zu einer Hypoplasie oder Verlagerung des Temporallappens führen. Weiterhin kann es zu einem druckbedingten Remodeling der angrenzenden Schädelkalotte kommen, jedoch nicht zu einer richtigen Knocheninvasion.
Nach Kontrastmittelgabe zeigt sich kein Enhancement. Durch intrathekale Kontrastmittelgabe (CT-Zisternographie) kann eine gegebenenfalls vorliegende Kommunikation der Zyste mit dem Subarachnoidalraum (SAB) nachgewiesen werden. Die meisten symptomatischen Arachnoidalzysten zeigen keine Kommunikation mit dem SAB.
Magnetresonanztomographie
In der MRT findet sich eine scharf begrenzte, oft muschelförmige Läsion mit Liquor-isointensem Signalverhalten in allen Sequenzen. Arachnoidalzysten können das angrenzende Hirnparenchym, Gefäße und Hirnnerven verdrängen, jedoch nicht umhüllen. Interne Septierungen oder Gefäße kommen nicht vor.
Normalerweise zeigen Arachnoidalzysten wie Liquor eine Signalunterdrückung in der FLAIR-Sequenz. Liquorpulsationen können in großen Zysten teilweise zu heterogenen Signalalterationen und Artefakten führen. Weiterhin zeigt sich weder eine Diffusionsrestriktion noch ein Kontrastmittelenhancement.
Mittels speziellen MRT-Sequenzen (z.B. 2D-Cine PC) kann der Liquorfluss zwischen Zyste und Subarachnoidalraum quantifiziert werden.
Differentialdiagnosen
Die wichtigste Differenzialdiagnose ist die Epidermoidzyste. Ihr Signalverhalten ähnelt, gleicht aber nicht dem von Liquor (z.B. unvollständige FLAIR-Suppression und moderat bis deutlich hyperintens in der DWI-Sequenz). Sie ist blumenkohlartig lobuliert und kann Gefäße und Nerven umhüllen.
Weitere Differenzialdiagnosen, die berücksichtigt werden müssen, sind:
- vergrößerter Subarachnoidalraum durch Hirnvolumenminderung: meist diffuser verteilt und kein raumfordernder Effekt
- chronisches Subduralhämatom (cSDH) und subdurales Hygrom: nicht liquor-identisches Signalverhalten, meist sichelförmig und nicht rund oder muschelartig. Bei cSDH zeigen sich Zeichen einer zurückliegenden Blutung (Hämosiderinablagerungen in T2*-Sequenzen) und möglicherweise Kontrastmittel-affine Membranen.
- porenzephale Zyste: intraaxiale Läsion, die dem Liquorsignal ähnelt, aber einen FLAIR-hyperintensen gliotischen Rand aufweist.
- neurenterische Zyste: meist hyperintens im Vergleich zu Liquor und selten supratentoriell lokalisiert.
Therapie
Asymptomatische Arachnoidalzysten bedürfen keiner Therapie. Kommt es jedoch zu Symptomen, kann eine endoskopische Resektion bzw. Fenestration, eine offen-chirurgische Fenestration bzw. Marsupialisation oder die Anlage eines zystoperitonealen Shunts indiziert sein. Nach Shuntanlage verschwinden Arachnoidalzysten in 60 % der Fälle vollständig, bei 50 % dieser Patienten kann im Verlauf der Shunt entfernt werden.
Literatur
- Rabiei K et al. Prevalence and symptoms of intracranial arachnoid cysts: a population-based study. J Neurol. 2016
- Chen Y et al. Treatment of Middle Cranial Fossa Arachnoid Cysts: A Systematic Review and Meta-Analysis. World Neurosurg. 2016
- Hall A et al. Spontaneous subdural haemorrhage from an arachnoid cyst: a case report and literature review. Br J Neurosurg. 2017
- Nikolić I et al. The association of arachnoid cysts and focal epilepsy: Hospital based case control study. Clin Neurol Neurosurg. 2017
- Lee CH et al. Comparative analysis of bleeding risk by the location and shape of arachnoid cysts: a finite element model analysis. Childs Nerv Syst. 2017
Quellen
- ↑ Weber F et al. Incidental findings in magnetic resonance imaging of the brains of healthy young men, J Neurol Sci. , 2005, PMID 16256141