Nachtschattengewächs
Synonym: Solanaceae
Englisch: solanum owl, night owl
Definition
Nachtschattengewächse bilden innerhalb der Solanales eine Pflanzenfamilie der Bedecktsamer (Magnoliopsida). Zahlreiche Arten haben Bedeutung als Gift-, Arznei-, Nahrungs- und Zierpflanzen.
Namensherkunft
Die Etymologie der botanischen Fach- und Trivialbezeichnungen ist nicht eindeutig geklärt. Die Bezeichnungen "Nachtschatten" und "Solanum" werden heute der botanischen Gattung Nachtschatten (Solanum) zugeordnet. Sie wurden früher jedoch für zahlreiche weitere Nachtschattenarten verwendet, welche heute in eigenständigen Gattungen geführt werden (z.B. Schwarze Tollkirsche, heute Gattung Atropa). Von "Solanum" abgeleitet ist die Bezeichnung "Solanaceae" für die gesamte Familie der Nachtschattengewächse.
Mögliche Herleitungen des deutschen Trivialnamens "Nachtschatten" sind:
- "Nachtschatten" von althochdeutsch "nahtscato"/ mittelhochdeutsch "nahtschade", bezogen auf die dunklen Beerenfrüchte des Schwarzen Nachtschattens
- "Schatten" von "Schaden" im Sinne von Kopfschmerzen durch Blütenduft
- Wirksamkeit gegen Schäden durch Hexenzauber
Mögliche Herleitungen der botanischen Bezeichnung "Solanum" sind:
- "Solanum" von lateinisch "sōlārī" ("trösten", "lindern"), bezogen auf die pharmakologischen Effekte einiger Arten
Ein Bezug der Bezeichnungen zu nächtlichen Blüh- oder Wachstumsprozessen der Pflanzen besteht nicht, obwohl einige Arten ihre Blüten tatsächlich vor allem nachts öffnen.
Merkmale
Nachtschattengewächse können krautige Pflanzen, teilverholzte Halbsträucher oder verholzte Sträucher, kleine Bäume sowie Rankpflanzen sein. Die Laubblätter sind wechselständig, selten scheingegenständig und besitzen keine Nebenblätter. Die Pflanzen sind einjährig oder mehrjährig. Die Blüten stehen häufig in Wickeln, sind zwittrig, häufig radiärsymmetrisch und fünfzählig. Sie besitzen einen Griffel mit zweilappiger Narbe. Der Fruchtknoten ist oberständig, zumeist zweiblättrig, selten mehrfächrig (durch falsche Scheidenwände), vielfach schräggestellt und enthält viele Samenanlagen. Es werden Beeren- oder Kapselfrüchte ausgebildet. Teilweise finden sich bikollaterale Leitbündel.
Wichtige Gattungen
Die Solanaceae sind kosmopolitisch (weltweit) mit 102 Gattungen und 2460 Arten vertreten. Im folgenden folgt eine Auswahl wichtiger Gattungen und Arten.
- Tollkirschen (Atropa)
- Schwarze Tollkirsche (Atropa belladonna)
- Engelstrompeten (Brugmansia, ehemals Datura)
- Paprika (Capsicum), siehe auch Cayennepfeffer
- Spanischer Pfeffer (Capsicum anuum), Chili (Capsicum annuum var. glabriusculum)
- Capsicum frutescens
- Stechapfel (Datura)
- Gemeiner Stechapfel (Datura stramonium)
- Duboisia
- Bilsenkraut
- Weißes Bilsenkraut (Hyoscyamus albus),
- Schwarzes Bilsenkraut (Hyoscyamus niger)
- Bocksdorn (Lycium)
- Goji-Beere, Gemeiner Bocksdorn (Lycium barbarum)
- Alraunen (Mandragora)
- Gemeine Alraune (Mandragora officinarum)
- Tabak (Nicotiana)
- Virginischer Tabak (Nicotiana tabacum)
- Stachelbeere (Physalis)
- Lampionpflanze (Physalis alkekengi)
- Kapstachelbeere (Physalis peruviana)
- Nachtschatten (Solanum):
- Bittersüßer Nachtschatten (Solanum dulcamara)
- Tomate (Solanum lycopersicum)
- Auberginen (Solanum melongena)
- Schwarzer Nachtschatten (Solanum nigrum)
- Kartoffel (Solanum tuberosum)
Verwendung
Vertreter der Nachschattengewächse werden verwendet als:
- Nahrungsmittel: Knollengemüse (z.B. Kartoffel), Fruchtgemüse (z.B. Aubergine, Paprika, Tomate)
- Zierpflanzen: z.B. Bocksdorn, Korallenstrauch, Paprika, Spaltblumen, Ziertabak
- Giftpflanzen: Rauschpflanzen (z.B. Gemeine Alraune, Schwarzes Bilsenkraut, Schwarze Tollkirsche, Tabak)
- Alkaloidgewinnung: z.B. Duboisia (Scopolamin zur Synthese von Butylscopolamin), Tollkirsche (Atropin)
Inhaltstoffe
Bei Lebensmitteln
- sekundärere Pflanzenstoffe
- Mineralstoffe (Calcium, Kalium, Magnesium)
- Spurenelemente
- Vitamine (hauptsächlich Vitamin A, aber auch B, C und E)
Pharmakologische Wirkstoffe
- Alkaloide
- Tropanalkaloide: z.B. Apoatropin, Atropin, Hyoscyamin, Mandragorin, Scopolamin
- Alkaloidglykoside (mit Steroidstruktur): z.B. Solanin
- Saponine (mit Steroidstruktur, teilweise steroide Alkaloidglykoside mit Saponineigenschaften)
Besonders Tropanalkaloide sind für ihre potentiell toxischen Wirkungen bekannt. Hauptwirkmechanismus ist ein Antagonismus an Muskarinrezeptoren (mACh-Rezeptor-Antagonisten). Eine Aufnahme wirkt berauschend, bewusstseinsverändernd, narkotisierend bis hin zu Halluzinationen und führt zu Desorientierung, Gleichgewichtsstörung, Herzklopfen, Euphorie, Stimmungsschwankungen, extreme Angstzustände sowie Tachykardie u.a. Herzrhythmusstörungen, Atemlähmung und Kreislaufkollaps.
Medizinische Bedeutung
- Augendiagnostik: Pupillenerweiterung (Atropin und Derivate desselben)
- Rheumabehandlung: Capsaicin
- Antidot: Atropin, z.B. bei Intoxikationen durch Cholinesterasehemmer
- Antiemetika: Scopolamin (transdermal)
- Spasmolyse: z.B. halbsynthetisches Butylscopolamin
- Einsatz in der Homöopathie
Literatur
- Jäger et al.: Rothmaler - Exkursionsflora von Deutschland, Bd. 2. Aufl. 20, Spektrum Akadem. Verlag.
- Roth, Daunderer & Kormann: Giftpflanzen - Pflanzengifte, 5. Aufl., Nikol Verlag.
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