Prämedikation (Rind)
Synonym: (Tiefe) Sedierung
Englisch: premedication
Definition
Als Prämedikation bzw. Sedierung bezeichnet man die medikamentöse Vorbereitung eines Rindes vor einer Allgemeinanästhesie (Narkose).
Hintergrund
Abhängig vom weiteren Vorgehen (nur Sedierung notwendig oder Vorbereitung für eine Allgemeinanästhesie) wird das Rind durch die Verwendung verschiedener Sedativa ruhig gestellt. Mithilfe der Anamnese und der anschließenden gründlichen klinischen Untersuchung kann der Gesundheitszustand des Tiers erhoben und eine ASA-Klassifizierung durchgeführt werden.
Unter Berücksichtigung des Eingriffs und der körperlichen Verfassung des Rindes erstellt der Anästhesisten dann ein geeignetes Anästhesieprotokoll.
Besonderheiten
Rinder zählen zu den lebesmittelliefernden Tieren, weshalb sie besonderen Gesetzen unterliegen. Daher sind für diese Tiere auch nur wenige Anästhetika und Analgetika zugelassen und verfügbar.
Aufgrund der eingeschränkten Wirkstoffauswahl und den einzuhaltenden Wartezeiten werden viele Eingriffe ausschließlich mit Lokalanästhetika durchgeführt. Auch wenn Rinder stoisch sind und kaum Stress oder Schmerz zeigen, ist dennoch auf eine ausreichende Analgesie und Sedierung zu achten.
Präanästhetische Überlegungen
Die präoperative Handhabbarkeit des Tiers hängt maßgeblich davon ab, ob das Rind an den Menschen gewöhnt ist oder bisher nur wenig Menschenkontakt hatte. Rinder sind grundsätzlich stoisch und leicht handhabbar. Wehrhafte Rinden hingegen können nach allen Seiten kräftig treten und schwere Verletzungen verursachen. Zusätzlich neben den Sicherheitsvorkehrungen muss auch für die notwendige Logistik gesorgt werden, da die bis zu 1.000 kg (oder auch mehr) schweren Tiere nach der Anästhesie wieder in die Box transportiert werden müssen.
Durch den speziellen Aufbau des Verdauungstrakts muss - wie bei allen Wiederkäuern - mit Regurgitation und einer damit verbundenen Aspiration von Mageninhalt gerechnet werden. Aufgrund der Anatomie kommt es jedoch in rechter Seitenlage deutlich seltener zu Komplikationen, weshalb die Tiere bevorzugt rechtsseitig gelagert werden sollten. Gleichzeitig ist immer auf ein Aufgasen des Magens (Pansentympanie) zu achten.
Bei beginnender Tympanie muss entweder eine Nasenschlundsonde oder ein Trokar gesetzt werden. Da die Tiere auch unter Sedierung eine ständige Salivation zeigen, sollte man den Kopf so lagern, dass ein ungehindertes Abfließen des Speichels nach außen möglich ist. Aufgrund des hohen Gewichts ist bei der Lagerung auf mögliche Nervenschädigungen oder Myopathien zu achten.
Weitere typische und zu erwartende Komplikationen sind:
- ausgeprägte Atemdepression bzw. Hypoventilation
- Hyperkapnie und Hypoxämie
- Hypotension oder Hypertension
- Tachykardie
Protokoll
Auch wenn die Auswahl an Medikamenten stark begrenzt ist, muss bei jeglicher Verwendung die gesetzlich vorgeschriebene Wartezeit für Milch und Fleisch eingehalten werden.
Wirkstoff | Dosis | Applikation | Information |
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Protokoll 1: | |||
Xylazin | 0,02-0,05 mg/kgKG | i.m. oder i.v. |
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Protokoll 2: | |||
Xylazin | 0,05-0,1 mg/kgKG | i.m. oder i.v. |
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Protokoll 3: | |||
Detomidin | 0,01 mg/kgKG | i.m. oder i.v. |
|
Butorphanol | 0,05 mg/kgKG | i.m. oder i.v. |
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Protokoll 4: | |||
Xyalzin oder Detomidin | siehe oben | i.m. oder i.v. | siehe oben |
Ketamin | 0,2-1,0 mg/kgKG | i.v. |
|
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Wirkstoffe
Rinder sind um ein Vielfaches sensibler gegenüber Xylazin als z.B. Pferde. Die zu verwendeten Dosierungen betragen etwa nur 1/5 der Dosis von Pferden. Während bei den anderen Tierarten bei der Gabe von Xylazin initial Hypertension und dann Hypotension folgt, tritt beim Rind sofort eine Hypotension ein. Zusätzlich sind auch rassespezifische Unterschiede in der Sensibilität gegenüber Xylazin nachweisbar (Rahman > Hereford > Holstein-Rind).
Thiopental ist im Gegensatz zur Anästhesie anderer Großtiere beim Rind ungeeignet und nicht zugelassen. Aufgrund der extrem kurzen Wirkdauer (< 5 Minuten bei 10 mg/kgKG i.v.) müsste die Dosis so oft erhöht und wiederholt werden, dass mit deutlichen Nebenwirkungen wie z.B. Apnoe und kardiovaskulärer Depression zu rechnen wäre. Atropin wird ebenfalls schnell metabolisiert und eignet sich daher auch nicht zum Einsatz beim Rind.
Literatur
- Eberspächer-Schweda E. 2017. MemoVet, AnästhesieSkills, Perioperatives Management bei Klein-, Heim- und Großtieren. Stuttgart: Schattauer GmbH. ISBN: 978-3-7945-3055-7
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