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Ossifikation des hinteren Längsbandes

Synonyme: Ossifikation des Ligamentum longitudinale posterius, Verknöcherung des hinteren Längsbandes
Englisch: ossification of the posterior longitudinal ligament, posterior longitudinal ligament ossification (PLLO)

1. Definition

Die Ossifikation des hinteren Längsbandes, kurz OPLL, ist eine abnormale Verkalkung bzw. Verknöcherung (Ossifikation) des Ligamentum longitudinale posterius. Sie kann zu einer progredienten Spinalkanalstenose führen, wobei meist das zervikale Rückenmark betroffen ist.

siehe auch: Ossifikation spinaler Ligamente

2. Epidemiologie

Die OPLL tritt weltweit auf, wobei eine gewisse Prädisposition bei der asiatischen Bevölkerung besteht. Hier liegt die Prävalenz bei 2 bis 4 %, während sie in der kaukasischen Bevölkerung 0,01 bis 2 % beträgt. Ungefähr 27 % der japanischen Patienten mit Myelopathie weisen eine OPLL auf, in den USA sind es ca. 20 %.

Weiterhin ist das männliche Geschlecht doppelt so häufig betroffen. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt um das 5. und 6. Lebensjahrzehnt. Patienten unter 30 Jahren sind selten betroffen.

3. Ätiopathogenese

Die genaue Pathogenese der OPLL ist derzeit (2021) unklar. Sie kann idiopathisch auftreten, aber auch mit Diabetes mellitus, Fluorose, Intoxikation durch Retinoide, Spondylosis hyperostotica (DISH) und seronegativen Spondylarthropathien (v.a. Spondylitis ankylosans) assoziiert sein.

Des Weiteren wird von einer genetischen Prädisposition ausgegangen, wobei die Gene BMP4, BMP9, COL6A1 und COL11A2 eine Rolle spielen.

4. Symptome

Die OPLL kann völlig asymptomatisch verlaufen. Jedoch kann es zu einer Radikulopathie oder aufgrund einer zunehmenden Spinalkanalstenose zu einer Myelopathie mit neurologischen Ausfällen (z.B. Dys- und Parästhesien, Paresen bis hin zur Tetraparese) kommen. Weiterhin klagen Patienten häufig über Nackenschmerzen und Steifigkeit.

Bei ausgeprägter Ossifikation besteht ein erhöhtes Risiko für eine Wirbelkörperquerfraktur (sog. Chalk Stick Fracture) mit Verletzung des Rückenmarks nach bereits leichten Traumata.

5. Diagnose

Eine sorgfältige Anamnese und körperliche Untersuchung sind wichtig für die Diagnose einer OPLL. Die Diagnosesicherung erfolgt durch bildgebende Verfahren.

5.1. Bildgebung

Grundsätzlich kann die Verknöcherung in jedem Wirbelsäulenabschnitt auftreten, bevorzugt sind aber die zervikalen Segmente C4 bis C5 betroffen. Die Brust- und Lendenwirbelsäule sind in 20 % d.F. mitbetroffen, jedoch nicht unbedingt kontinuierlich, sondern auch fokal. Weiterhin können auch der Atlas bzw. der Dens axis betroffen sein und zu einer zervikalen Myelopathie führen.

Bei der OPLL bleibt die Knochendichte meist normal. Nur bei ausgeprägter OPLL mit langstreckiger Fusion kommt es bisweilen zu einer Osteoporose. In diesem Fall besteht ein erhöhtes Risiko für eine Wirbelkörperquerfraktur bereits nach geringem Trauma. Diese Chalk Stick Fracture kommt jedoch häufiger bei ankylosierender Spondylitis vor.

Degenerative Veränderungen der Bandscheibenfächer (Chondrosis intervertebralis) oder der Facettengelenke (Spondylarthrose) treten nicht auf. Auch eine begleitende Sakroiliitis oder eine periphere Arthritis kommt nicht vor. Jedoch ist die OPLL assoziiert mit einer Ossifikation des vorderen Längsbandes im Rahmen einer DISH:

  • 44 % der Patienten mit OPLL weisen eine anteriore Hyperostose auf.
  • Umgekehrt haben 50 % der DISH-Patienten eine OPLL.

5.1.1. Röntgen

In der Röntgenuntersuchung stellt sich die Verknöcherung i.d.R. als lineare, dichte, der Wirbelkörperhinterfläche aufliegende Verschattung dar. Sie kann dabei den Intervertebralraum überbrücken ("flowing ossification"). Eine Beteiligung von C1 tritt wohl bei 25 % der Patienten mit zervikaler OPLL auf, ist jedoch im Röntgenbild aufgrund der Überlagerung durch die Massae laterales des Atlas meist nicht erkennbar.

5.1.2. Computertomographie

In der Computertomographie (CT) lassen sich bereits initiale Veränderungen erfassen, eine Beteiligung auf C1-Höhe erkennen und das Ausmaß der Spinalkanalstenose definieren. Im axialen Bild zeigt sich die Verknöcherung in Form einer sog. "upside-down T formation", auch "bow tie" genannt. Weiterhin muss in der CT nach subtilen Querfrakturen gesucht werden.

Bei einer Spinalkanalweite von < 6 mm, ist fast immer von einer symptomatischen Myelopathie auszugehen. Bei einem Spinalkanal von > 14 mm ist eine Myelopathie unwahrscheinlich.

Das Progressionsrisiko wird mithilfe der Occupancy-Ratio vorhergesagt. Sie wird wie folgt berechnet:

mit:

  • a = Abstand zwischen der größten Breite der OPLL zum posterioren Ende des Spinalkanals
  • b = Durchmesser des Spinalkanals

Ein Verhältnis von 30-60 % ist prädiktiv für die Entwicklung einer Myelopathie.

5.1.3. Magnetresonanztomographie

Die Magnetresonanztomographie (MRT) ist besonders hilfreich bei der Evaluation der Myelopathie. Typische Befunde sind:

  • T1w: Die Ossifikation weist ein geringes Signal auf. Bei ausgeprägter Verknöcherung kann diese in seltenen Fällen auch Knochenmark mit hohem T1-Signal enthalten. Im axialen Bild zeigt sich ebenfalls die "upside-down T formation".
  • Flüssigkeitssensitive Sequenzen (T2w, PDw, STIR): Die Ossifikation weist ebenfalls ein niedriges Signal auf. Bei Myelopathie zeigt sich eni hyperintenses Rückenmarksignal.

5.2. Klassifikation

Je nach Ausdehnung unterscheidet man zwischen:

  • Typ 1: kontinuierlich (Ossifikation überspannt mehrere Wirbelkörper und die dazwischenliegenden Bandscheibenräume)
  • Typ 2: segmental (Verknöcherung hinter jedem Wirbelkörper)
  • Typ 3: Mischform
  • Typ 4: lokalisiert bzw. umschrieben (Verknöcherung im Bandscheibenraum ohne Beteiligung des Wirbelkörpers)

Typ 1 und 3 sind am häufigsten mit einer Progression zur Myelopathie assoziiert.

6. Differenzialdiagnosen

Radiologische Differenzialdiagnosen sind:

7. Therapie

Eine kausale Therapie ist derzeit (2021) nicht möglich. Je nach Symptomen kommt eine konservative oder eine operative Therapie infrage. Konservative Maßnahmen umfassen die Gabe von Analgetika sowie Physiotherapie.

Bei Patienten mit Myelopathie ist ggf. eine chirurgische Behandlung notwendig. Der Zugangsweg kann sowohl von anterior als auch von posterior erfolgen:

  • anteriorer Zugang: z.B. ACDF (multilevel anterior discectomy and fusion) oder ACCF (anterior cervical corpectomy with fusion)
  • posteriorer Zugang: z.B. Laminoplastie oder Laminektomie mit Fusion

Eine anteriore Dekompression wird u.a. bei einer Occupancy-Ratio von mindestens 60 % empfohlen. Als Komplikationen der Operation drohen z.B. Verletzungen der Dura mater spinalis mit schlecht zu versorgenden Liquorfisteln.

siehe auch: Ossifikation des Ligamentum flavum (OLF)

8. Literatur

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