Pyrophosphatarthropathie
Synonyme: Pyrophosphatarthritis, Pseudogicht, Calciumpyrophosphat-Dihydrat-Arthropathie, Kalziumpyrophosphat-Arthropathie, CPPD-Ablagerungskrankheit
Englisch: pyrophosphate arthropathy, calciumpyrophosphat deposition disease, calcium pyrophosphate dihydrate deposition disease, CPPD arthropathy, CPPD
Definition
Die Pyrophosphatarthropathie, kurz CPPD, ist eine Kristallarthropathie, die durch intra- und paraartikuläre Ablagerung von Pyrophosphat- bzw. genauer Kalziumpyrophosphat-Dihydrat-Kristallen entsteht.
Terminologie
Häufig werden die Bezeichnungen Pyrophosphatarthropathie und Chondrokalzinose synonym verwendet. Letztere ist jedoch ein pathohistologischer oder radiologischer Übergriff für Ablagerungen vom Calciumkristallen im Gelenkknorpel, die auch bei anderen Erkrankungen auftreten können. Entsprechend unterscheidet man zwischen:
- CPPD: Auftreten von Calciumpyrophosphat-Kristallen (mit/ohne Symptome)
- asymptomatische CPPD: Chondrokalzinose ggf. mit arthrotischen Gelenkveränderungen, aber klinisch asymptomatisch
- akute CPPD-Arthropathie bzw. -Arthritis: selbstlimitierende Synovialitis im Rahmen einer CPPD
- Arthrose mit CPPD: typische Zeichen einer Arthrose im Rahmen einer CPPD
- chronische CPPD-Arthropathie bzw. -Arthritis
Epidemiologie
Die Prävalenz der Pyrophosphatarthropathie steigt mit zunehmendem Alter. Frauen sind 2- bis 7-mal häufiger betroffen.
Ätiologie
Ursachen einer CPPD sind:
- idiopathisch
- hereditär: autosomal-dominant vererbte Mutation im ANKH-Gen (Pyrophosphat-Transporter)
- sekundär:
CPPD-Ablagerungen sind assoziiert mit einer Arthrose. Es ist derzeit unklar (2021), ob es einen Zusammenhang zwischen den beiden Erkrankungen gibt.
Klinik
Ungefähr 10-20 % der Patienten mit radiologischen Zeichen einer CPPD weisen keine Symptome auf. Weiterhin unterscheidet man folgende Verlaufsformen:
- "Pseudogicht": CPPD-Arthritis mit starken, akut oder subakut auftretenden Schmerzen, Schwellung, Rötung und Überwärmung eines oder mehrerer Gelenke. Diese akute Form verläuft meist selbstlimitierend und ähnelt einer Gicht oder einer septischen Arthritis.
- "Pseudoarthrose": Bei der chronischen CPPD-Arthropathie finden sich eher chronisch degenerative Gelenkveränderungen, die an eine Arthrose erinnern.
- "Pseudo-RA": Rezidivierende akute Attacken, die klinisch und in der Verteilung an eine rheumatoide Arthritis (RA) erinnern.
- "Pseudoneuropathisch" (< 2 %): rapide Gelenkdestruktion
Lokalisation
Die CPPD-Arthropathie verläuft in 2/3 der Fällen polyartikulär und symmetrisch. Typischerweise sind folgende Gelenke von den Gelenkveränderungen betroffen:
- Kniegelenk: v.a. femoropatellares Kompartiment
- Hand: v.a. Radiokarpalgelenk, Metakarpophalangealgelenk (MCP) II und III
- Schultergelenk
- Hüftgelenk
Eine Chondrokalzinose findet man am häufigsten in folgenden Gelenke:
- Kniegelenk: mediales und femoropatellares Kompartiment
- Symphysis pubica
- Handgelenk: Ulnokarpaler Komplex (TFCC), Ligamentum lunotriquetrum
- Hüftgelenk: Labrum acetabuli
- Schultergelenk
- Ellenbogengelenk
Selten liegt eine Verteilung wie bei der rheumatoiden Arthritis vor (Interphalangealgelenke und MCP). Weiterhin kann auch die Wirbelsäule beteiligt sein.
Diagnostik
Pathologie
Die CPPD-Kristalle sind schwach positiv doppelbrechend in der Polarisationsmikroskopie und weisen eine rhomboide oder stabförmige Morphologie auf.
Bildgebung
Typisches Merkmal einer Pyrophosphatarthropathie ist das gemeinsame Auftreten von
- Chondrokalzinose (v.a. im Knie- oder Handgelenk) und
- Arthropathie (v.a. Radiokarpalgelenk, Metakarpophalangealgelenk oder Femoropatellargelenk).
Röntgen
- Chondrokalzinose: muss nicht immer vorliegen
- entlang des hyalinen Gelenkknorpels: v.a. entlang der Femurkondylen, zwischen Os lunatum und Os triquetrum oder zwischen Os scaphoideum und Os lunatum.
- in Faserknorpel gut erkennbar: dreieckige Form im Meniskus, dreieckige oder amorphe Morphologie im TFFC-Komplex.
- seltener in Synovialis oder Gelenkkapsel: lineare, seltener rundliche Form
- Arthropathie:
- meist rein-produktive Gelenkerkrankung: hakenförmige ("hook-like") oder herabhängende Osteophyten am Caput der Metacarpalknochen
- selten initial auch gemischt produktiv-erosiv oder nur erosiv
- sehr selten pseudoneuropathisch mit Fragmentation und schwerer Destruktion
- Gelenkspaltverschmälerung
- normale Knochendichte
- subchondrale Zysten: scharf begrenzt mit sklerotischen Rändern, z.T. sehr groß
- Fehlstellungen:
- Radialdeviation der MCPs
- SLAC-Wrist: Skapholunäre Dissoziation. Wanderung des Os capitatum nach proximal zwischen Os lunatum und Os scaphoideum. Das Kahnbein erodiert in die distale radiale Gelenkfläche.
- Halswirbelsäule:
- Crowned-Dens-Syndrom
- Pseudotumor des periodontoiden Weichteilgewebes mit Erosionen und Remodeling des Dens axis (Frakturrisiko erhöht)
- Kalzifikationen des Ligamentum flavum
- Kalzifikation der Bandscheiben mit Verschmälerung der Bandscheibenfächer
Computertomographie
In der Computertomographie (CT) zeigen sich die gleichen Zeichen wie im Röntgenbild. Die kalzifizierten Verdichtungen sind meist noch deutlicher erkennbar, insbesondere im Bereich der Wirbelsäule:
- lobulierte kalzifiizerte Verdichtungen im Ligamentum flavum oder in der Kapsel der Facettengelenke
- kalzifizierte Bandscheiben
- Druckerosionen und subchondrale Zysten um den Dens
- ggf. Frakturen (v.a. des Dens)
Magnetresonanztomographie
Die Magnetresonanztomographie (MRT) ist bei der Pyrophosphatarthropathie nur wenig hilfreich. Die Chondrokalzinose kann sich sowohl hypointens als auch hyperintens in T1w- oder flüssigkeitssensitiven Sequenzen (T2-FS, PD-FS, STIR) darstellen. Häufig ist der Meniskus lediglich vergrößert. Aufgrund der Signalalterationen sind Meniskusverletzungen in diesem Fall nur schwer diagnostizierbar.
Die Arthropathie zeigt sich im MRT ebenfalls nur in Form von unspezifischen Zeichen (entzündliche Veränderungen, Granulationsgewebe, Fibrose). Kalzfikationen um den Dens axis weisen ein niedriges Signal auf und können mit Pannusgewebe im Rahmen einer rheumatoiden Arthritis verwechselt werden.
Differenzialdiagnosen
- Septische Arthritis: ähnliche Entzündungszeichen. Ggf. Knochenabbau. Gelenkpunktion notwendig.
- Hämochromatose: Meist jüngere Männer. Bis zu 50 % der Patienten mit Hämochromatose entwickeln eine sekundäre CPPD-Arthropathie.
- Riesenzelltumor: Subchondrale Zysten können bei CPPD so groß werden, dass sie mit einem subchondralen Riesenzelltumor verwechselt werden können. Hilfreich zur Differenzierung sind Chondrokalzinose und die Anzahl der Zysten bei CPPD.
- Chondrosarkom: Eine amorphe Chondrokalzinose kann Knorpelmatrix eines Chondrosarkoms imitieren. Die Erosionen durch lobulierte kalzifizierte Massen bei Chondrokalzinose kommen beim Chondrosarkom seltener vor.
- Rheumatoide Arthritis: Kalzifikationen um den Dens können im MRT mit Pannusgewebe verwechselt werden. Auch die Erosionen und das Remodeling des Dens ist ähnlich. Hilfreich zur Differenzierung sind Kalzfikationen im CT oder Röntgen, die bei der RA nicht vorkommen.