Follikelstimulierendes Hormon
Synonyme: FSH, Follitropin
Englisch: follicle stimulating hormon
Definition
Das Follikelstimulierende Hormon, kurz FSH, ist ein in der Adenohypophyse gebildetes Glykoprotein aus der Gruppe der Gonadotropine, welches in den Gonaden die Follikelreifung bzw. Spermatogenese stimuliert.
Physiologie
FSH wird durch den Einfluss von im Hypothalamus gebildeten GnRH sezerniert. FSH hemmt selbst im Sinne eines negativen Feedbacks die Freisetzung von GnRH.
Biochemie
FSH ist ein dimeres Glykoprotein, das aus 2 Polypeptid-Untereinheiten besteht, die jeweils an einen Zucker gebunden sind. Die beiden Monomere werden als Alpha- und Beta-Untereinheit bezeichnet. Die Alpha-Untereinheit ist mit der der Hormone LH, TSH und hCG identisch und besteht aus 92 Aminosäuren. Die Beta-Untereinheit des FSH besteht aus 111 Aminosäuren, die für die Interaktion mit dem FSH-Rezeptor und damit für die spezifische biologische Wirkung verantwortlich sind.
Der Zuckeranteil des follikelstimulierenden Hormons enthält die Zucker Fruktose, Galaktose, Mannose, Galactosamin, Glucosamin und Sialinsäure. Die Halbwertzeit beträgt etwa 3-4 Stunden.
Geschlechtsspezifische Wirkung
Bei beiden Geschlechtern stimuliert FSH die Reifung der Keimzellen:
- Beim Mann stimuliert FSH die Aktivität der für die Spermatogenese wichtigen Sertoli-Zellen und steigert hier die Bildung des Androgen-bindenden Proteins (ABP).
- Bei der Frau stimuliert FSH in der ersten Phase des Menstruationszyklus die Follikelreifung vom Tertiärfollikels bis zum Graaf-Follikel (die Reifung von Primär- und Sekundärfollikeln verläuft weitgehend hormonunabhängig). FSH induziert zudem in den Granulosazellen die Bildung der Aromatase, wodurch die Östrogensynthese ermöglicht wird. Östrogene stimulieren dann zusätzlich die Follikelreifung, hemmen jedoch bei erhöhten Plasmaspiegeln die FSH-Ausschüttung in der Hypophyse. Durch den nachfolgenden FSH-Abfall kommt es zur Follikelatresie und Selektion des einen dominanten Follikels (Graaf-Follikel), der ausreichend Rezeptoren für FSH (und LH) besitzt.
Labormedizin
Der FSH-Wert kann zur Beurteilung von Zyklusstörungen, im Rahmen der Sterilitätsdiagnostik, zur Untersuchung einer Störung der Pubertätsentwicklung und zur Beurteilung der Hormonsubstitution im Klimakterium erhoben werden.
Material
Für die Diagnostik wird 1 L Serum benötigt. Auch 24h-Sammelurin kann untersucht werden.
Referenzbereiche
Klientel | Phase/Alter | Normwert (IU/L) |
---|---|---|
Frauen, Serum | follikuläre Phase | 3–12 |
mittzyklische Phase (periovulatorisch) | 8–20 | |
luteale Phase | 2–8 | |
Menopause | 20–100 | |
Frauen, Sammelurin | follikuläre Phase | 11–20 |
Menopause | 10–87 | |
Männer, Serum | 2–10 | |
Mädchen | < 3 Jahre | < 3,5 |
4–9 Jahre | < 1,6 | |
10 Jahre | 0,4–6,9 | |
11 Jahre | 0,4–9,0 | |
12–14 Jahre | 1–17 | |
15 Jahre | zyklusabh. | |
Jungen | < 3 Jahre | < 5,5 |
4–9 Jahre | < 1,9 | |
10 Jahre | 0,2–4,5 | |
11 Jahre | 0,4–9,0 | |
12–14 Jahre | 0,5–10 | |
15 Jahre | 0,4–18,5 |
Die Referenzbereiche variieren methodenabhängig, daher sind die vom jeweiligen Labor angegebenen Werte entscheidend.
Interpretation
Erhöhte Werte
Bei Frauen können folgende Ursachen zugrunde liegen:
- Primäre Ovarialinsuffizienz
- präovulatorischer Gonadotropinanstieg
Mögliche Gründe für erhöhte Werte bei Männern sind:
- primärer hypergonadotroper Hypogonadismus (z.B. Klinefelter-Syndrom)
- Hodenatrophie
- Leistenhoden
- Dysfunktion der Spermatogenese
- Verminderung der Germinalzellen
- Reifungsstop der Spermatogenese
Erniedrigte Werte
Erniedrigte Werte können bei Frauen auf Folgendes hindeuten:
- Sekundäre Ovarialinsuffizienz
- Einnahme von Ovulationshemmern
- Sexualsteroidsubstitution
- Anorexia nervosa
- Stress
Bei Männern können bei sekundärem Hypogonadismus sowie bei sekundärer Hodeninsuffizienz erniedrigte FSH-Werte vorliegen.
Hinweise
Bei sekundärem Hypogonadismus ist die Abklärung der anderen hypophysären Funktionsachsen erforderlich. Bei Männern reflektiert das FSH insbesondere die Spermatogenese, weshalb bei pathologischen Werten ein Spermiogramm sinnvoll ist.
Quellen
- Laborlexikon.de; abgerufen am 11.03.2021
- Gressner AM., Arndt T. Lexikon der medizinischen Laboratoriumsdiagnostik, 3. Auflage, 2019, Springer