Coffin-Siris-Syndrom
nach dem US-amerikanischen Pädiater Grange S. Coffin (* 1923) und der Radiologin Evelyn Siris (1914–1987)
Definition
Das Coffin-Siris-Syndrom, kurz CSS, ist eine seltene hereditäre Erkrankung, die durch Entwicklungsverzögerungen und eine Aplasie bzw. Hypoplasie des Nagels und der distalen Phalanx des Kleinfingers charakterisiert ist.
Epidemiologie
Bisher (2022) wurden mehr als 100 Fälle beschrieben. Die genaue Prävalenz ist jedoch nicht bekannt. Man vermutet, dass die Erkrankung insgesamt zu selten diagnostiziert wird.
Genetik
Das Coffin-Siris-Syndrom wird in der Regel durch sporadische Neumutationen verursacht. Nur in wenigen Fällen wurde eine autosomal-dominante Vererbung beschrieben. Für die Erkrankung wurden bisher (2022) heterozygote Mutationen oder Rearrangements in neun verschiedenen Genen detektiert.
In der folgenden Auflistung sind die von Mutationen betroffenen Gene in abnehmender Häufigkeit aufgeführt:
- ARID1B auf Chromosom 6 an Genlokus 6q25.3
- SMARCA4 auf Chromosom 19 an Genlokus 19p13.3
- SMARCC2 auf Chromosom 12 an Genlokus 12q13.2
- ARID1A auf Chromosom 1 an Genlokus 1p36.11
- SOX11 auf Chromosom 2 an Genlokus 2p25. 2
- DPF2 auf Chromosom 11 an Genlokus 11q13.1
- SMARCB auf Chromosom 22 an Genlokus 22q11.23
- SMARCE1 auf Chromosom 17 an Genlokus 17q21.2
- ARID2 auf Chromosom 21 an Genlokus 12q12
Die Gene kodieren für Untereinheiten des BAF-Komplexes, der bei verschiedenen regulatorischen Prozessen im Rahmen der Entwicklung involviert ist.
Klinik
Das Coffin-Siris-Syndrom kann sich durch verschiedene Symptome äußern, die sich bereits im Neugeborenenalter manifestieren. Die Hauptsymptome der Erkrankung sind eine Hypoplasie oder Aplasie des Nagels bzw. der distalen Phalanx des Kleinfingers sowie leichte bis schwere Entwicklungsverzögerungen.
Darüber hinaus liegen bei den meisten Patienten charakteristische faziale Auffälligkeiten vor:
- vergröberte Gesichtszüge
- lange Wimpern
- dichte Augenbrauen
- breiter Nasenrücken
- abnorme Position oder Form der Ohren
- breiter Mund
- evertierte Ober- und Unterlippe
Weitere häufige Nebenbefunde, die auftreten können, sind unter anderem:
- Fütterungsprobleme
- Gedeihstörungen
- Kleinwuchs
- Mikrozephalie
- kardiale Anomalien (z.B. Fallot-Tetralogie, Ventrikelseptumdefekt)
- ophthalmologische Erkrankungen (Ptose, Strabismus, Katarakt)
- Hypertrichose (insbesondere an den Armen, Rücken und im Gesicht)
- spärliche Kopfbehaarung
Seltene Nebenbefunde, die im Rahmen des Coffin-Siris-Syndroms auftreten, sind beispielsweise:
- neurologische Symptome (z.B. Krampfanfälle, Muskelhypotonie, Dandy-Walker-Malformation)
- Fehlbildungen der Niere und des Urogenitaltraktes
- überstreckbare Gelenke
- gehäufte Infektionen
- Schwerhörigkeit
Es wurde ein gehäuftes Auftreten von Neoplasien beschrieben.
Diagnostik
Die Verdachtsdiagnose wird anhand des klinischen Erscheinungsbildes gestellt. Durch eine molekulargenetische Untersuchung mit Nachweis der ursächlichen Mutation kann die Diagnose gesichert werden.
Differentialdiagnosen
Mögliche Differentialdiagnosen sind beispielsweise:
Therapie
Es existiert keine kausale Therapie der Erkrankung. Die Behandlung erfolgt rein symptomatisch und umfasst unter anderem eine Physio- und Sprachtherapie. Es sollten regelmäßig audiologische und ophtalmologische Kontrollen erfolgen und die Nahrungsaufnahme sowie die Entwicklung der Patienten engmaschig kontrolliert werden. Darüber hinaus sollte den Familien eine genetische Beratung angeboten werden.
Prognose
Die Prognose ist abhängig von der klinischen Ausprägung der Symptome.
Quelle
Orphanet - Coffin-Siris-Syndrom, abgerufen am 20.05.2022
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