AV-Block (Hund)
Synonyme: AV-Blockierung, atrioventrikulärer Block
Englisch: atrioventricular block
Definition
Als AV-Block des Hundes bezeichnet man eine bradykarde Herzrhythmusstörung, bei der die Überleitung des normalen elektrischen Impulses vom Sinusknoten auf den AV-Knoten oder vom AV-Knoten auf die Ventrikel gestört ist.
Einteilung
Ähnlich der Humanmedizin unterscheidet man beim Hund folgende drei Formen eines AV-Blocks:
- AV-Block 1. Grades: Überleitungsverzögerung
- AV-Block 2. Grades: zeitweise Überleitungsblockierung
- Typ Mobitz I (Wenckebach-Periodik)
- Typ Mobitz II
- AV-Block 3. Grades: vollständige Unterbrechung der Überleitung (totaler AV-Block)
Vorkommen
Genaue Angaben über die Häufigkeit des Vorkommens von AV-Blöcken sind in der Literatur nicht zu finden. Hunde scheinen jedoch öfters betroffen zu sein als Katzen, wobei ältere Tiere häufiger erkranken als jüngere.
Innerhalb der verschiedenen Hunderassen kann eine Prädisposition beim Labrador, Chow-Chow, Afghane, Teckel, Deutsch Drathaar, Mops und Cocker Spaniel nachgewiesen werden. Weibliche Hunde sind öfters betroffen als Männchen.
Ätiologie
AV-Blöcke können aufgrund unterschiedlicher Auslöser entstehen. Als häufige Ursache gelten entweder ein erhöhter Parasympathikotonus oder strukturelle Schädigungen des AV-Knotens infolge degenerativer Mechanismen (Alter der Tiere, speziell beim Mops). Beim AV-Block 3. Grades sind jedoch neben degenerativen Veränderungen auch idiopathische Formen beschrieben, deren Ursachen bislang (2022) unbekannt sind.
Neben brachyzephalen Hunden besitzen auch gut trainierte Hunde einen erhöhten Vagotonus, sodass vermehrt AV-Blöcke auftreten können. Parallel dazu führen aber auch Erkrankungen des Respirationstrakts (Lungenfibrose, Trachealkollaps, chronische Bronchitis) sowie endokrine Störungen (Hypothyreose, Hypoadrenokortizismus) zu einer verzögerten AV-Überleitung. Junge Hunde mit ausgeprägter Sinusarrhythmie oder ausgeprägtem Vagotonus können auch AV-Blöcke (bis Grades 2) aufweisen.
Zu Störungen des Reizleitungssystems kommt es auch infolge der Gabe unterschiedlicher Medikamente (z.B. Xylazin oder Medetomidin sowie Digitalis). Zusätzlich können auch im Rahmen anderer Herzerkrankungen Störungen im Bereich des AV-Knotens auftreten, z.B.:
Pathogenese
Durch einen erhöhten Parasympatikotonus oder aufgrund degenerativer Veränderungen der AV-Knotenfasern entstehen Überleitungsstörungen zwischen dem Sinusknoten und dem AV-Knoten oder zwischen AV-Knoten und den Ventrikeln. Durch die gestörte Reizweiterleitung ist die Herzfrequenz vermindert (bradykard), sodass es dann häufig auch zu einer Volumenüberladung des Herzens sowie zu ventrikulären Pausen kommt, die dann auch Synkopen hervorrufen können.
Ob es zur Ausbildung klinisch manifester Symptome kommt, hängt von mehreren Faktoren ab. Während Hunde mit intermittierender Bradykardie nur selten klinische Anzeichen zeigen, leiden Tiere mit durchgehender Bradykardie häufig an deutlichen Symptomen. Sinkt die Herzkammerfrequenz unter 40 Kontraktionen pro Minute oder entstehen Frequenzpausen, die länger als 6 Sekunden andauern, können Synkopen von einer Länge von bis zu 10 Sekunden auftreten. Im Gegensatz dazu entwickeln Hunde, die eine permanente grenzwertig niedrige Herzfrequenz (30 bis 45 Schläge pro Minuten) aufweisen, eine chronische Volumenüberladung mit einem permanent erniedrigten Auswurfvolumen. Diese Tiere leiden aufgrund des niedrigen systolischen Blutdrucks an chronischer Müdigkeit und Apathie.
Klinik
AV-Blöcke ersten Grades erzeugen in der Regel keine klinischen Symptome.
Im Gegensatz dazu werden Hunde mit totalem AV-Block (Grad 3) sowie vereinzelt auch Hunde mit AV-Blöcken zweiten Grades klinisch auffällig. Sie sind chronisch lethargisch, müde, leistungsintolerant und leiden auch oftmals an Synkopen.
Diagnose
Die Verdachtsdiagnose ergibt sich während der Auskultation im Rahmen der klinischen Untersuchung. Hier zeigt sich v.a. eine ausgeprägte Bradykardie sowie Arrhythmie. Eine genaue Differenzierung des AV-Blocks ist dann mittels EKG möglich.
AV-Block 1. Grades
- nur mittels EKG diagnostizierbar
- P/QRS-Verhältnis = 1:1
- PQ-Dauer > 0,13 Sekunden
AV-Block 2. Grades
- P/QRS-Verhältnis > 1:1
- P-Wellen besitzen eine normale Vorhoferregung
- es fehlen nur vereinzelt die AV-Überleitung auf die Ventrikel
- es können 2 Typen unterschieden werden
Typ Mobitz I (Wenckeback-Periodik)
- PQ-Intervall verlängert sich bei jedem einzelnen Herzzyklus, bis plötzlich der korrespondierende QRS-Komplex ausfällt
- im Anschluss beginnt eine neue Wenckebach-Periodik (Verlängerung des PQ-Intervalls bis zum erneuten vollständigen Ausfall)
Typ Mobitz II
- die periodische Verlängerung des PQ-Intervalls fehlt
- es treten einzelne oder mehrfache Ausfälle von QRS-Komplexen auf
- im Rahmen der Diagnostik muss das Verhältnis von übergeleiteten zu blockierten Herzzyklen bestimmt werden:
- einfacher AV-Block 2. Grades: Anzahl der blockierten Überleitungen < als Anzahl der übergeleiteten Zyklen
- hochgradiger AV-Block 2 Grades (high-grade): Anzahl der blockierten Überleitungen > als Anzahl der normalen Zyklen (fast immer klinisch relevant)
AV-Block 3. Grades
- P/QRS-Verhältnis deutlich > 1:1
- P-Wellen und QRS-Komplexe treten völlig unabhängig voneinander, meist aber für sich regelmäßig auf
- die Vorhoffrequenz wird vom Sinusknoten bestimmt
- die Ventrikelfrequenz ist deutlich niedriger und wird von Ersatzzentren bestimmt, wobei die Frequenz vom Ort des Zentrums im Myokard abhängt:
- Ersatzrhythmus aus dem unteren Bereich des AV-Knotens und des His-Bündels: Frequenz 40 bis 60 Schläge pro Minute und schlanke Komplexe
- liegt zusätzlich ein Schenkelblock vor, bleibt die Frequenz gleich (40 bis 60 Schläge pro Minute), jedoch sind die Komplexe verbreitert
- Ersatzrhythmus aus den Tawara-Schenkeln und Purkinjefasern: Frequenz 20 bis 40 Schläge pro Minute und breite Komplexe
Therapie
Ziel der Therapie ist es, eine Erhöhung der Kammerfrequenz zu erreichen.
AV-Blöcke 1. Grades werden nicht therapiert, während einfache AV-Blöcke 2. Grades oftmals nur leicht frequenzsteigernde Medikamente wie z.B. Xanthinderivate (Theophyllin, Propentofyllin) benötigen. Bei einem AV-Block 2. Grades (Typ Mobitz II, high grade) hingegen sind Parasympatholytika indiziert, z.B.
- Atropin: 0,04 mg/kgKG bis zu 4x täglich p.o. bzw. im akuten Fall 2 bis 5 µg/kgKG/Minute i.v. (als DTI)
- Ipratropiumbromid: 0,1 bis 0,5 mg/kgKG 2-3x täglich p.o.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Totale AV-Blöcke (AV-Block 3. Grades) werden ebenfalls mit Parasympatholytika und/oder Stoffen der Xanthingruppe behandelt. Ziel ist es, bereits eine geringe Erhöhung der Herzfrequenz zu erreichen (z.B. von 35 auf 45 bis 50 Schläge pro Minute). Auf diese Weise können die Hämodynamik verbessert und Synkopen verhindert werden. Bei therapieresistenten AV-Blöcken sowie bei degenerativen Prozessen kommen Herzschrittmacher zum Einsatz. Als erfolgreich haben sich beim Hund sowohl Ein- als auch Zweikammersysteme erwiesen.
Prognose
Die Prognose ist für AV-Blöcke 1. Grades sowie einfache AV-Blöcke 2. Grades gut. Bei totalen AV-Blöcken ist fast immer eine Schrittmacherimplantation nötig.
Literatur
- Kresken J-G, Wendt RT, Modler P. 2019. Praxis der Kardiologie Hund und Katze. 2., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Georg Thieme Verlag KG. ISBN: 978-3-13-242994-9
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