Evinacumab
Handelsname: Evkeeza®
Synonyme: evinacumab-dgnb, REGN-1500
Englisch: evinacumab
Definition
Evinacumab ist ein humaner monoklonaler Antikörper, der gegen das Angiopoetin-ähnliche Protein 3 (ANGPTL3) gerichtet ist. Er wird bei Patienten mit homozygoter familiärer Hypercholesterinämie (HoFH) als adjuvante Therapie zur Senkung des Low Density Lipoprotein-Spiegels (LDL-C) eingesetzt.
Hintergrund
Der homozygoten familiären Hypercholesterinämie liegen meist Mutationen im LDL-Rezeptor-Gen, seltener im ApoB-100- oder PCSK9-Gen zugrunde. Die Folge ist ein erhöhter LDL-Cholesterinspiegel mit frühen atherosklerotischen Komplikationen.
Mutationen, die zu einem Verlust der Wirkung von ANGPTL3 und ANGPTL4 führen, gehen mit einer Hypolipidämie einher und vermindern das kardiovaskuläre Risiko. Im Gegensatz dazu ist ein Anstieg von ANGPTL3 mit einem erhöhten Risiko verbunden. Diese Beobachtungen waren der Auslöser für die Entwicklung von Wirkstoffen, die ANGPTL3 neutralisieren.
Chemie
Evinacumab ist ein monoklonaler Antikörper und gehört somit zu den Proteinen. Die Summenformel ist C6480H9992N1716O2042S46. Die molare Masse beträgt 146.083,95 g/mol. Die CAS-Nummer lautet 1446419-85-7.
Wirkmechanismus
Evinacumab bindet an ANGPTL3, das überwiegend in der Leber exprimiert wird, und inaktiviert es. ANGPTL3 ist ein endogener Inhibitor der Lipoproteinlipase (LPL) und der endothelialen Lipase (EL), welche die Triglyceride der VLDL-Partikel im zirkulierenden Blut spalten. Durch die Hemmung von ANGPTL3 wird die Aktivität der beiden Enzyme erhöht. Die Metabolisierung von VLDL und der Abbau von VLDL-Resten (IDL) werden so gefördert, bevor es zur Bildung von LDL kommt. Auf diese Weise kann der Cholesterinspiegel unabhängig von den defekten LDL-Rezeptoren gesenkt werden.
Der Mechanismus, über den Evinacumab den LDL-C-Spiegel senkt, ist bisher (2023) noch nicht vollständig geklärt. Er ist jedoch unabhängig von der Dichte der LDL-Rezeptoren in der Leber.[1]
Pharmakokinetik
Nach intravenöser Applikation von Evinacumab beträgt das Verteilungsvolumen ca. 4,8 Liter (ca. 0,06 l/kgKG). Die Biotransformation erfolgt über katabole Stoffwechselwege (Proteolyse) zu kleinen Peptiden und Aminosäuren. Nach der letzten Gabe sinkt die Konzentration nach 19 Wochen unter die Nachweisgrenze (78 ng/ml).[1]
Indikation
Darreichungsform
Evinacumab steht als Konzentrat zur intravenösen Infusion zur Verfügung.
Dosierung
Die empfohlene Dosis beträgt monatlich (alle 4 Wochen) 15 mg/kgKG, die als intravenöse Infusion über einen Zeitraum von 60 Minuten verabreicht wird.[1]
Dosisanpassungen aufgrund von Leber- und Nierenfunktionsstörungen oder des Alters der Patienten sind nicht erforderlich. Durch eine Lipoproteinapherese wird die Wirksamkeit von Evinacumab nicht beeinträchtigt.[1]
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Die häufigsten unerwünschten Wirkungen von Evinacumab sind:[1]
- Nasopharyngitis
- Grippeähnliche Symptome
- Schwindel
- Rückenschmerzen
- Übelkeit
- Lokalreaktionen an der Injektionsstelle
Als schwerwiegende Nebenwirkung können allergische Reaktionen, einschließlich Anaphylaxie, auftreten.
Wechselwirkungen
Es wurden keine Studien zur Erfassung von Wechselwirkungen durchgeführt.[1]
Kontraindikationen
- Überempfindlichkeit gegen Evinacumab oder einen der sonstigen Bestandteile des Arzneimittels.
Schwangerschaft und Stillzeit
Im Tierexperiment wurde eine Reproduktionstoxizität festgestellt. IgG-Antikörper können die Plazenta passieren, was zu einer Schädigung des Fötus führen kann. Daher sollten Frauen im gebärfähigen Alter während der Behandlung mit Evinacumab und bis mindestens 5 Monate nach der letzten Dosis eine wirksame Verhütungsmethode anwenden.[1]
IgG-Antikörper können in den ersten Tagen nach der Geburt in die Muttermilch übergehen, sodass sich für diesen kurzen Zeitraum ein Risiko für den gestillten Säugling nicht ausschließen lässt. Falls klinisch erforderlich, kann Evinacumab danach während der Stillzeit verabreicht werden.[1]
Toxizität
Es liegen bisher (2023) keine Erfahrungen zur Symptomatik einer Überdosierung oder Vergiftung mit Evinacumab vor. Aufgrund der intravenösen Anwendung sind Maßnahmen der primären Giftentfernung nicht indiziert. Eine allergische Reaktion (Anaphylaxie) ist entsprechend zu behandeln. Ein spezifisches Antidot steht derzeit (2023) nicht zur Verfügung. Über die Wirksamkeit einer sekundären Giftentfernung durch Plasmapherese liegen keine Daten vor.
Klinische Studien
Eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Phase-3-Studie mit 65 Teilnehmern startete am 18. Januar 2018 und endete am 17. März 2020. Sie zeigte Senkungen des LDL um rund 50 %.[4]
Die Effekte waren bereits nach zwei Wochen messbar. Nach 24 Wochen sank das LDL durchschnittlich um 47,1 %. Absolut erfolgte eine LDL-Reduktion um bis zu 132 mg/dl, ausgehend vom Startwert.
Nutzenbewertung
Nach Einschätzung des IQWiG und der AkdÄ ist kein Zusatznutzen in der zugelassenen Indikation belegt.[7] Der Beschluss des G-BA zur Nutzenbewertung soll im Juli 2024 erfolgen.
ATC-Code
- C10AX17 - Mittel, die den Lipidstoffwechsel beeinflussen
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 1,8 Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels Evkeeza, EMA. Abgerufen am 09.10.2023
- ↑ Raal FJ et al. Evinacumab for Homozygous Familial Hypercholesterolemia. N Engl J Med. 2020
- ↑ Rosenson RS et al. Evinacumab in Patients with Refractory Hypercholesterolemia. N Engl J Med. 2020
- ↑ clinicaltrials.gov Efficacy and Safety of Evinacumab in Patients With Homozygous Familial Hypercholesterolemia, abgerufen am 27.08.2020
- ↑ Evkeeza. EMA, abgerufen am 27.05.2024
- ↑ Markham A. Evinacumab: First Approval. Drugs. 2021
- ↑ Evinacumab. Homozygote familiäre Hypercholesterinämie, ≥ 12 Jahre. Stellungnahme der AkdÄ 06.05.2024, abgerufen am 27.05.204
Weblinks
- Drugs.com - Evinacumab (Systemic) (Monograph). Abgerufen am 09.10.2023
- Drugbank - Evinacumab. Abgerufen am 09.10.2023
- Pharmazeutische Zeitung Arzneistoffe - Evinacumab. Abgerufen am 09.10.2023
- Gelbe Liste Wirkstoffe - Evinacumab. Abgerufen am 09.10.2023
- PubChem: 483928564
- MeSH: C000621590
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