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Primäre synoviale Chondromatose

Synonyme: Synoviale Osteochondromatose, Reichel-Syndrom
Englisch: primary synovial chondromatosis, PSC

1. Definition

Die primäre synoviale Chondromatose, kurz PSC, ist eine seltene, benigne Neoplasie des subsynovialen Bindegewebes mit Knötchen aus hyalinem Knorpel innerhalb eines Gelenks, einer Sehnenscheide oder eines Schleimbeutels. Die Noduli können sich vergrößern, von der Synovialis ablösen und als freier Gelenkkörper vorliegen. Am häufigsten ist das Kniegelenk betroffen.

2. Epidemiologie

Die primäre synoviale Chondromatose kommt meist bei Personen im dritten bis fünften Lebensjahrzehnt vor. Männer sind zwei- bis viermal häufiger betroffen. Ein familiäres Auftreten findet sich in 2 % der Fälle und ist u.a. assoziiert mit dem Wagner-Stickler-Syndrom.

3. Ätiopathogenese

Die genaue Ursache der primären synovialen Chondromatose ist derzeit (2021) unklar. Früher wurde sie als Metaplasie gehalten, inzwischen geht man von einem benignen neoplastischen Prozess aus. Vermutlich spielen eine Dysregulation im Shh-Signalweg sowie Aberrationen auf Chromosom 6 eine wichtige Rolle.

4. Klinik

Das Kniegelenk ist mit 50-65 % d.F. am häufigsten betroffen. Weitere Gelenke sind:

Fast immer handelt es sich um eine monoartikuläre Erkrankung.

Zu den typischen klinischen Symptomen zählen:

Bei der körperlichen Untersuchung lassen sich eine diffuse Gelenkschwellung (40-60 %), eine erhöhte Gelenkempfindlichkeit (20-40 %), Krepitationen (20-33 %) und Blockierungen (5-12 %) sowie tastbare Knötchen (3-20 %) feststellen. Eine assoziierte Muskelatrophie kann selten vorkommen.

Die Beschwerden treten oft schleichend auf und schreiten allmählich fort. In seltenen Fällen wurde auch über eine spontane Rückbildung berichtet. Die Beschwerden bestehen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung meist 5 Jahre.

Selten kann die PSC auch extraartikulär im Bereich der Synovia von Sehnenscheiden oder Schleimbeuteln lokalisiert sein. In diesem Fall spricht man auch von einer tenosynovialen oder bursalen Chondromatose. Am häufigsten sind die Sehenscheiden der Hände und Füße sowie die Bursa subdeltoidea und Bursa musculi poplitei betroffen. Die Patienten berichten meist von einer schmerzlosen Masse oder einer leichten Druckschmerzhaftigkeit bei Palpation der Läsion. Eine Bewegungseinschränkung besteht nur selten.

5. Komplikationen

Die primäre synoviale Chondromatose kann zu einer sekundären Arthrose führen.

Weiterhin ist eine maligne Transformation in ein synoviales Chondrosarkom möglich. Die Prävalenz beträgt in einzelnen Fallserien bis zu 5 % d.F. In absteigender Reihenfolge sind Knie, Hüfte, Sprunggelenk und Ellenbogen betroffen. Das Chondrosarkom kann in die Lunge metastasieren. Insbesondere eine rasche Größenzunahme oder ein sich rapide verschlechternder klinischer Verlauf sollten eine Biopsie nach sich ziehen. Pathohistologisch handelt es sich meist um niedriggradige Läsionen mit ausgeprägter myxoider Veränderung der Matrix, "blattartiger" oder aufgereihter Anordnung der Chondrozyten, Nekroseherden, Knocheninvasion und Knochenmarkinfiltration. Radiologisch ist die Differenzierung von einer PSC oder einem Rezidiv ebenfalls schwierig. Eine tiefe Erosion im Rahmen der PSC muss von einer Zerstörung der Kortikalis mit Knochenmarkinvasion beim Chondrosarkom unterschieden werden. Therapie der Wahl ist die chirurgische Resektion (meist Amputation). Chemo- und Strahlentherapie sind i.d.R. unwirksam.

6. Diagnostik

6.1. Pathologie

6.1.1. Makroskopie

Makroskopisch erscheint die primäre synoviale Chondromatose als von hyperplastischem Synovialgewebe umgebene, bläulich-weiße, multilobuläre, knotige Vorsprünge aus hyalinem Knorpel, die diffus die gesamte Gelenkoberfläche einnehmen. Die Noduli können zahlreich sein und zu einem "kopfsteinpflaster-artigen" Aussehen der Synovialis führen. Die subsynovialen Knötchen können sich in die angrenzenden Weichteile und Schleimbeutel ausbreiten und zu einer Knochenerosion führen. Die extraartikuläre Chondromatose weist ein identisches pathologisches Erscheiniungsbild auf.

Die Knötchen können sich von der Synovialis lösen und frei im Gelenk, Schleimbeutel oder in der Sehnenscheide liegen. Die knorpeligen Körperchen können dabei allmählich an Größe zunehmen und sich auch zu einem Konglomerat verbinden.

6.1.2. Mikroskopie

Pathohistologisch besteht die PSC aus Läppchen aus hyalinem Knorpel, die vom Synovialgewebe umgeben sind. Eine synoviale Hyperplasie kann vorliegen. Der hyaline Knorpel ist meist hyperzellulär und weist atypische Merkmale wie mehrere, hyperchromatische Zellkerne auf. Diese Merkmale, die sonst für ein bösartiges Chondrosarkom sprechen, sind typisch für die PSC. Daher ist eine Korrelation mit dem radiologischen Erscheinungsbild entscheidend.

Insbesondere bei langjähriger Erkrankung kommt es in den Läppchen oft zu einer peripheren enchondralen Ossifikation. In diesem Fall spricht man auch von einer synovialen Osteochondromatose. Die verknöcherten Körperchen können fetthaltiges Knochenmark enthalten. Die synoviale Osteochondromatose darf nicht mit multiplen Osteochondromen verwechselt werden.

6.2. Bildgebung

6.2.1. Röntgen

In der Röntgenuntersuchung lassen sich in 70-95 % d.F. multiple, intraartikuläre Verkalkungen ähnlicher Größe und Form erkennen, die über das gesamte Gelenk gleichmäßig verteilt sind und meist eine typische ring- und bogenförmige Mineralisierung aufweisen. Bei gering ausgeprägter Verkalkung, kann diese im Röntgenbild nicht erkennbar sein. Die Fragmente können außerdem weiter reifen und enchondral ossifizieren, sodass sie eine periphere Kortikalis und eine innere Trabekelstruktur aufweisen. Weiterhin kann ein Schießscheiben-Bild mit peripher verkalktem Rand vorkommen. Selten verschmelzen die einzelnen Körper zu einem Konglomerat. Eine juxtaartikuläre Osteopenie kommt eher selten vor. Ein Gelenkerguss ist möglich. Der Gelenkspalt ist i.d.R. nicht verändert. Es kann jedoch im Verlauf zu einer sekundären Arthrose mit asymmetrischer Gelenkspaltverschmälerung kommen. Extrinsische, mechanisch bedingte, scharf begrenzte Knochenerosionen finden sich bei 20-50 % der Patienten.

Röntgenbilder bei tenosynovialer oder bursaler Chondromatose zeigen ähnliche Befunde.

6.2.2. Computertomographie

In der Computertomographie (CT) zeigt sich eine hypodense, lobulierte Raumforderung sowie hyperdense verkalkte intraartikuläre Fragmente und extrinsische Knochenerosionen. Nach intravenöser Kontrastmittelgabe kann eine periphere und septale Anreicherung in der vaskularisierten Synovialis und den fibrösen Septen beobachtet werden.

6.2.3. Magnetresonanztomographie

In der Magnetresonanztomographie (MRT) sind Erosionen (80 % d.F.) und ein großer Erguss erkennbar. Die Körperchen weisen je nach Mineralisierungsgrad ein variables Erscheinungsbild auf:

In T1-FS nach Kontrastmittelgabe zeigt die hyperplastische Synovialis ein starkes Enhancement, während der umgebende Erguss und die multilobulierten hyalinen Knorpelbereiche nicht anreichern.

6.2.4. Weitere Bildgebung

In der Knochenszintigraphie bei primärer synovialer Chondromatose zeigt sich eine unspezifische, prominente Radionuklidaufnahme. Dies spiegelt den erhöhten Calcium- und Phosphatumsatz wider.

Im Ultraschall manifestiert sich eine heterogene Masse mit hyperechogenen Knorpelherden. Bei ausreichender Mineralisierung oder enchondraler Ossifikation kann eine dorsale Schallauslöschung auffallen.

7. Differentialdiagnosen

7.1. Sekundäre synoviale Chondromatose

Die PSC muss von der häufigen sekundären synovialen Chondromatose bei zugrundeliegender Gelenkerkrankung unterschieden werden. Ursächlich sind:

Am häufigsten sind das Knie- oder Hüftgelenk betroffen, seltener das Schultergelenk. Die Patienten sind meist älter und weisen ähnliche Beschwerden auf. Radiologisch finden sich zahlenmäßig weniger freie Gelenkkörper von unterschiedlicher Größe und Form. Die reaktiven, proliferativen Knorpelkörper weisen oft einen zentralen Nidus aus hypozellulärem Knorpel auf, der in konzentrischen Ringen wächst. Kernatypien finden sich nicht.

7.2. Weichteilchondrome

Weichteilchondrome treten nicht intraartikulär, intrabursal oder in einer Sehnenscheide auf und betreffen v.a. die Hände und Füße. Histologisch findet sich ein solitärer Knorpelknoten aus hyalinem Knorpel ohne synoviale Auskleidung.

7.3. Intrakapsuläres Chondrom

Das intrakapsuläre Chondrom kommt am häufigsten im Hoffa-Fettkörper vor. Die Kalzifikationen können der nodulären Raumforderung beim PSC ähneln.

7.4. Chondrosarkom

Ein intraossäres niedriggradiges Chondrosarkom, das sich in das Gelenk ausbreitet, kann radiologisch unterschieden werden. Eine histologische Differenzierung ist aufgrund von bei beiden Erkrankungen vorkommenden Kernatypien schwierig.

7.5. Pigmentierte villonoduläre Synovialitis

Die pigmentierte villonoduläre Synovialitis (PVNS) kann sich ähnlich wie die PSC in Form von intraartikulären Knötchen und extrinsischen Erosionen darstellen. Die PVNS zeigt sich hypointens in T1w und T2w. Aufgrund von Hämosiderinablagerungen fällt in Gradientenecho-Sequenzen (GRE) ein Blooming-Artefakt auf.

8. Therapie

Die primäre synoviale Chondromatose wird mittels chirurgischer Synovektomie mit Entfernung der Knorpelfragmente behandelt. Die Rezidivrate bei intraartikulärer Lokalisation liegt zwischen 3 und 23 % und hängt meist mit einer unvollständigen Resektion zusammen. In einigen Fällen ist auch eine arthroskopische Behandlung möglich. Bei mehrfachen Rezidiven kann eine Radiatio erwogen werden.

Peer-Review durch Bijan Fink

9. Literatur

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