Muckle-Wells-Syndrom
Synonyme: Urtikaria-Taubheit-Amyloidosis-Syndrom
Englisch: Muckle-wells syndrome, UDA syndrome (Urticaria-Deafness-Amyloidosis Syndrome)
Definition
Das Muckle-Wells Syndrom, kurz MWS, ist ein seltenes, durch eine Genmutation hervorgerufenes autoinflammatorisches Syndrom.
Epidemiologie
Seit der Erstbeschreibung im Jahr 1962 durch die englischen Ärzte Thomas James Muckle und Michael Vernon Wells sind mehrere Fälle in Familien verschiedener ethnischer Gruppen beschrieben worden. Die Prävalenz wird auf 1 bis 2 Fälle pro 1.000.000 Einwohner geschätzt, wobei vermutlich eine hohe Dunkelziffer vorliegt.
Ätiologie
Das MWS entsteht i.d.R. durch verschiedene autosomal-dominant vererbte Mutationen im NLPR3-Gen auf Chromosom 1 (Genlokus 1q44). Dieses Gen wird auch als CIAS1 bezeichnet und kodiert für Cryopyrin. Dieses Protein wird vorwiegend im Zellkern der Granulozyten exprimiert und ist ein zentraler Bestandteil des NLRP3-Inflammasoms. Die Genmutationen führen zu einer vermehrten Produktion des proinflammatorischen Zytokins Interleukin-1β, welches u.a. an der Entstehung von Fieber beteiligt ist.
Das MWS wird somit zusammen mit der familiären Kälteurtikaria (FCAS) und dem CINCA-Syndrom zu den Cryopyrin-assoziierten periodischen Syndromen (CAPS) gezählt.
Da Mutationen im NLRP3-Gen bisher nur bei 65 bis 75 % der betroffenen Patienten nachgewiesen werden konnten, werden weitere noch unbekannte Störungen der Interleukin-1β-Signalkaskade vermutet.
Klinik
Das MWS manifestiert sich überwiegend in der Kindheit mit rezidivierend auftretenden Fieberattacken, die meist 1 bis 2 Tage anhalten.
Weitere Begleitsymptome sind:
- Hauteffloreszenzen: diffuse Urtikaria, z.T. unspezifische Ichthyosis und Aphthen
- Arthralgien bzw. Oligoarthritis (insbesondere der großen Gelenke)
- Myalgien
- Konjunktivitis, Episkleritis, Papillenödem
- Kopfschmerzen
Die Symptome treten schubweise und meist ohne offensichtlichen Auslöser auf. Müdigkeit, Kälte und Stress werden häufig als Trigger genannt.
Richtungweisend ist weiterhin eine relativ früh einsetzende sensorineurale Hörstörung, die bei ca. 50 bis 70 % der Patienten nachgewiesen werden kann.
Aufgrund der erhöhten Bildung des Akute-Phase-Proteins Serumamyloid A entwickelt sich bei ca. 25 % der Patienten im Erkrankungsverlauf eine AA-Amyloidose. Sie kann zu einem nephrotischem Syndrom und einer Niereninsuffizienz führen. Dies kann eine Dialysepflichtigkeit bedingen und stellt somit die wichtigste Komplikation des MWS dar.
Diagnose
Während der Fieberattacken finden sich erhöhte unspezifische Entzündungszeichen im Blut, z.B. ein BSG-Anstieg, eine CRP- und Interleukin-6-Erhöhung sowie eine Leukozytose. Zur Sicherung der Diagnose ist eine molekulargenetische Untersuchung notwendig.
Weiterhin sollten regelmäßige Bestimmungen von Serumamyloid A und Urinkontrollen bzgl. einer Proteinurie durchgeführt werden, um eine Amyloidose frühzeitig zu erkennen.
Differentialdiagnosen
- andere hereditäre Fiebersyndrome (z.B. familiäres Mittelmeerfieber, FCAS sowie CINCA-Syndrom)
- Schnitzler-Syndrom
- Kälteurtikaria
- chronische spontane Urtikaria
- andere Ursachen einer sekundären Amyloidose
- Alport-Syndrom
- Ohlsson-Syndrom
Therapie
Neben einer symptomatischen Schmerzlinderung durch NSAR können gute Therapieerfolge durch eine Blockade der IL-1-Signalkaskade mittels Anakinra oder Canakinumab erreicht werden.
Prognose
Beim MWS kann die Innenohrschwerhörigkeit zu einer völligen Taubheit foranschreiten. Die Letalität der Erkrankung ist wesentlich vom Auftreten einer Amyloidose und der damit einhergehenden Niereninsuffizienz abhängig.