Lungenödem (Pferd)
Englisch: pulmonary edema
Definition
Als Lungenödem bezeichnet man die Ansammlung unphysiologischer Mengen an Flüssigkeit (Ödem) in der Lunge beim Pferd.
Ätiopathogenese
Ein Lungenödem kann aufgrund vieler unterschiedlicher Ursachen entstehen. Folgende Pathomechanismen führen zu einem vermehrten Flüssigkeitsaustritt aus den Lungenkapillaren in das Interstitium:
- erhöhter Lungenkapillardruck (kardial bedingtes Lungenödem, häufigster Auslöser)
- erhöhte Kapillarpermeabilität (z.B. Sepsis)
- hochgradige Obstruktion im Bereich der oberen Atemwege (z.B. RAO)
- herabgesetzter kolloidosmotischer Druck im Gefäßbett (z.B. Leberinsuffizienz)
Kardial bedingtes Lungenödem
Kardial bedingten Lungenödeme sind die häufigsten Auslöser einer vermehrten Flüssigkeitsansammlung in der Lunge. Die wichtigste Ursache beim Pferd ist eine dekompensierte Linksherzinsuffizienz. Aufgrund der mangelnden Pumpleistung des linken Herzens kommt es zum Rückstau im venösen Teil des Lungenkreislaufs. Überschreitet der hydrostatische letztendlich den kolloidosmotischen Druck, bildet lediglich die aus Kapillarendothel, Basalmembran und Alveolarepithel bestehende gasaustauschende Fläche eine Prädilektionsstelle für die Transsudation von Blut in die Alveolen (Stauungsödem).
Bei perakut auftretenden, schweren Linksherzinsuffizienzen (z.B. nach Ruptur der Mitralklappe oder nach einem Abriss der Chordae tendineae) kommt es zu besonders dramatisch und meist tödlich verlaufenden Lungenödemen. Zusätzlich können auch Myokarditiden oder ventrikuläre Tachykardien Lungenödeme bedingen. Davon abzugrenzen ist die aufgrund erhöhter Lungenkapillardrücke (bei körperlicher Hochleistung) entstehende leistungsinduzierte Lungenblutung (EIPH). Dieses Erkrankung geht zwar mit erhöhten Druckverhältnissen einher, jedoch kommt es hier nicht zu einem begleitendem Ödem.
In äußerst seltenen Fällen können chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen zu einer reaktiven Rechtsherzhypertrophie und damit einhergehenden Lungenödemen führen.
Erhöhte Kapillarpermeabilität
Zu einer erhöhten Permeabilität des pulmonalen Gefäßsystems kommt es beim Pferd am ehesten im Rahmen überschießender Immunreaktionen (v.a. bei Anaphylaxie und Immunkomplex-vermittelten Erkrankungen) oder septischen Zuständen. Eine Zerstörung des Gefäßendothels durch Virusinfektionen (z.B. Equines Arteritisvirus, Afrikanische Pferdepest) verursacht ebenfalls Lungenödeme.
Andere virale Infektionen, die Inhalation von toxischem Gas oder Rauch (z.B. bei Stallbrand) sowie die iatrogene Fehleingabe von Flüssigkeiten in die Trachea (z.B. fehlerhafte Nasenschlundsonde) können über die Schädigung des Alveolarepithels zu entzündlich bedingten Steigerungen der Gefäßpermeabilität führen.
Obstruktion der oberen Atemwege
Akut auftretende hochgradige Obstruktionen der oberen Atemwege mit einhergehender inspiratorischer Atemnot bedingen beim Pferd einen reflektorischen Unterdruck im intrathorakalen Bereich, um den Sauerstoff an die gasaustauschenden Flächen heranzuziehen. Gleichzeitig kommt es zu einem Saugeffekt auf das in den Kapillaren strömende Blut in die Alveolen. Es folgt (unabhängig vom subatmosphärischen Luftdruck im luftführenden System der Lunge) eine Hypoxämie, was wiederum eine pulmonale Vasokonstriktion verursacht und so zu einer Blutdruckerhöhung führt. Die Folge ist die Bildung eines Lungenödems.
Herabgesetzter kolloidosmotischer Druck
Ein erniedrigtes Gesamteiweiß mit Hypalbuminämie führt zu einem verminderten kolloidosmotischen Druck. Die Folge ist ein Austritt von Flüssigkeit in das interstitielle Gewebe und somit ein Lungenödem.
Hiervon abzugrenzen ist das iatrogen bedingte Lungenödem durch Hyperinfusion im Rahmen der Therapie des equinen Asthmas. Hierbei wird durch die rasche Infusion großer Mengen an Flüssigkeit ein Lungenödem erzeugt, das wiederum die Sekretolyse fördern soll. Diese Behandlungsmethode darf jedoch nur bei kreislaufstabilen und herzgesunden Patienten unter engmaschiger Kontrolle durchgeführt werden.
Klinik
Charakteristisch für Lungenödeme ist ein rasselndes Atemgeräusch und eine starke in- sowie exspiratorische Dyspnoe. Betroffene Pferde leiden an Tachykardie und einem feuchten (produktiven) Husten. Typisch ist ein schaumartiger, rötlicher, bilateraler Nasenausfluss.
Diagnose
Die Diagnose wird anhand der typischen Klinik, mittels Auskultation und mithilfe von Röntgenuntersuchungen gestellt. Im Röntgenbild zeigen sich diffuse alveoläre Verschattungen, die fleckig und schlecht abgrenzbar erscheinen, sowie ein positives Bronchopneumogramm.
Therapie
Entscheidend für die Therapie bei hochgradigem Lungenödem ist die Identifizierung und Behandlung der zugrundeliegenden Erkrankung. Bei nicht-kardial bedingten Lungenödemen wird initial Sauerstoff intranasal verabreicht und eine hochdosierte medikamentöse Therapie eingeleitet:
- Glukokortikoid (z.B. Prednisolon 2 bis 5 mg/kgKG i.v.
- Diuretikum (z.B. Furosemid 5 mg/kgKG i.v.)
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Prognose
Literatur
- Fey K, Ohnesorge B, Venner M. Krankheiten der Atmungsorgane. In: Brehm W, Gehlen H, Ohnesorge B, Wehrend A (Hrsg.). 2017. Handbuch Pferdepraxis. 4., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in Georg Thieme Verlag KG. 321-420. ISBN: 978-3-13-219621-6