Korallenotter
Zoologische Bezeichnung: Micrurus sp.
Synonyme: Korallenschlangen, Echte Korallenschlangen
Englisch: coral snake
Definition
Die Korallenottern sind eine Gattung von Giftschlangen aus der Familie der Giftnattern (Elapidae). Bissunfälle mit dem Menschen sind lebensbedrohlich, aber selten.
Systematik
Die Gruppe der Korallenottern (Micrurus) stellt eine artenreiche Gattung der Giftnattern (Elapidae), Unterfamilie Elapinae, dar. Im Folgenden werden die wichtigsten Arten aufgeführt: Micrurus albicinctus, Micrurus alleni, Micrurus altirostris, Micrurus ancoralis, Micrurus annellatus, Micrurus averyi, Micrurus baliocoryphus, Micrurus bernadi, Micrurus bocourti, Micrurus bogerti, Micrurus brasiliensis, Micrurus browni, Micrurus camilae, Micrurus catamayensis, Micrurus circinalis, Micrurus clarki, Micrurus collaris, Micrurus corallinus, Micrurus decoratus, Micrurus diana, Micrurus diastema, Micrurus dissoleucus, Micrurus distans, Micrurus dumerilii, Micrurus elegans, Micrurus ephippifer, Micrurus filiformis, Micrurus frontalis, Micrurus frontifasciatus, Micrurus fulvius, Micrurus hemprichii, Micrurus hippocrepis, Micrurus ibiboboca, Micrurus isozonus, Micrurus langsdorffi, Micrurus laticollaris, Micrurus latifasciatus, Micrurus lemniscatus, Micrurus limbatus, Micrurus margaritiferus, Micrurus medemi, Micrurus mertensi, Micrurus mipartitus, Micrurus multifasciatus, Micrurus multiscutatus, Micrurus narduccii, Micrurus nebularis, Micrurus nigrocinctus, Micrurus oligoanellatus, Micrurus ornatissimus, Micrurus pacaraimae, Micrurus pachecogili, Micrurus paraensis, Micrurus peruvianus, Micrurus petersi, Micrurus proximans, Micrurus psyches, Micrurus putumayensis, Micrurus pyrrhocryptus, Micrurus remotus, Micrurus renjifoi, Micrurus ruatanus, Micrurus sangilensis, Micrurus scutiventris, Micrurus serranus, Micrurus silviae, Micrurus spixii, Micrurus spurelli, Micrurus steindachneri, Micrurus stewarti, Micrurus stuarti, Micrurus surinamensis, Micrurus tamaulipensis, Micrurus tener, Micrurus tricolor, Micrurus tschudii.
Biologie
Korallenottern weisen einen schlanken Körperbau, einen wenig vom Hals abgesetzten Kopf, glatte Körperschuppen und bei Lichteinfall runde Pupillen auf. Die Tiere bleiben relativ klein (40 bis 80 cm), die größten Arten erreichen circa 120 cm. Die Bezeichnung "Korallenotter" ist auf die häufig bunte Färbung zurückzuführen: viele Arten weisen rote, schwarze, gelbe und/ oder weiße Bänder auf (Warntracht). Die Fortpflanzung erfolgt durch Oviparie (eierlegend). Zum Beutespektrum zählen in erster Linie andere Reptilien sowie Amphibien. Zwar besitzen Korallenottern ein starkes Gift, ihre Gefährlichkeit wird im Allgemeinen jedoch überschätzt, da sie durch eine sehr versteckte Lebensweise kaum in Kontakt mit Menschen kommen. Zudem sind Korallenottern nicht aggressiv und beißen nur in Bedrängnis.
Giftapparat
Der Giftapparat im Allgemeinen ist typisch für alle Vertreter der Giftnattern:
- Giftdrüse: evolutionsbiologisch betrachtet eine umgebildete Speicheldrüse, seitlich beiderseits des Schädels, von Muskeln umgeben.
- Giftkanal, welcher Giftdrüse und Giftzähne verbindet.
- Giftzähne (Fangzähne): relativ klein, nicht beweglich, beiderseits im vorderen Oberkiefer befindlich. Sie besitzen einen Giftkanal, über welchen das Gift im Falle eines Bisses injiziert wird.
Verbreitung
Südstaaten der Vereinigten Staaten, Mexiko, Mittelamerika, tropisches und subtropisches Südamerika. Es werden verschiedenste Habitate bewohnt, beispielsweise Kiefernwälder, aride Biotope wie Halbwüsten und Wüsten, Wälder der Feuchttropen.
Toxikologie
Das Toxingemisch ist sehr wirksam und weist postsynaptische Neurotoxine auf, die auf das vegetative und somatische Nervensystem wirken. Sie blockieren als Antagonisten die Nikotinrezeptoren der motorischen Endplatte. Präsynaptische Neurotoxine (z.B. die Phospholipase A2 svPLA2/ Phosphatidylcholine 2-acylhydrolase) bewirken eine Hemmung der Freisetzung von Acetylcholin in den synaptischen Spalt. Durch beide Arten von Neurotoxinen kommt es zu Lähmungserscheinungen, die sich anfangs als Ptosis äußern und bis hin zu einer totalen Paralyse mit letaler Atemlähmung führen können. Kardiotoxische Bestandteile können vorhanden sein. Häufig finden sich potente Myotoxine, die zum Untergang von Muskelgewebe (Myolyse) führen, was sekundäre Schädigungen der Nieren nach sich ziehen kann. Hämorrhagine (ebenfalls aus der Gruppe der Phospholipase A2; ähnelt Toxinen der australischen Tigerotter, Notechis scutatus) sind bei einigen Arten, etwa Micrurus frontalis, nachweislich, wohl aber klinisch wenig relevant.
Die mit einem Giftbiss abgegebene Giftmenge variiert je nach Art und Größe des Tieres, zumeist zwischen 2 und 12 mg (Trockengewicht).
Symptome
Nach einem Giftbiss treten kaum lokale Symptome (ggf. leichte Schmerzen, Schwellung, Erythem oder Juckreiz) auf. Es können folgende unspezifische Beschwerden auftreten: Schwitzen, vermehrte Salivation, Übelkeit, Emesis, Kopfschmerzen, Diarrhoe, Vertigo, Abdominalschmerzen, Krämpfe, Tachykardie oder Bradykardie und besonders im Falle einer allergischen Reaktion Hypotonie bis hin zum Schock, unter Umständen Tod durch Kreislaufversagen. Die neurotoxische Komponente bewirkt eine fortschreitende Paralyse, die sich im Anfangsstadium als Ptosis ausdrückt und zu einer peripheren Atemlähmung mit letalem Ausgang führen kann. Der Tod kann unbehandelt innerhalb weniger bis 36 Stunden eintreten.
Komplikationen
- Sekundärinfektionen durch den Giftbiss oder mangelhafte Wundversorgung; Sepsis.
- Klassische Komplikationen sind allergische Reaktionen auf das Gift.
- Gegebenenfalls tritt eine sekundäre Nierenschädigung auf.
Therapie des Giftbisses
- Das Bissopfer muss Ruhe bewahren und die Bissstelle ist ruhig zu halten. Nach sofortiger Alarmierung des Notarztes sollte der Patient liegend in das nächstgelegene Krankenhaus transportiert werden.
- Die Kompressionsmethode ist anzuwenden, um die Distribution der Toxine zu verzögern!
- Die Möglichkeit der künstlichen Beatmung ist unbedingt sicherzustellen. Nötigenfalls muss mehrtätig künstlich beatmet werden.
- Maßnahmen zur Vermeidung einer Sepsis sind zu treffen (ggf. Antibiotika); Tetanusprophylaxe.
- Schockprophylaxe.
- Infusion mit 0,9%iger Kochsalzlösung zwecks Nierenschutz.
- Weitere Maßnahmen dienen der symptomatischen Therapie.
- Antivenine: Allgemein gilt, dass der Einsatz von Antiveninen nur in Rücksprache mit einer Giftnotruf-Zentrale und nach gründlicher Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen sollte. Nach Bissen durch Korallenottern ist die Anwendung beim ersten Auftreten neurotoxischer Effekte indiziert. Folgende Präparate stehen beispielsweise zur Verfügung:
- Antimicrurus (Produzent: Instituto Nacional de Produccion de Biologics, Argentinien)
Epidemiologie
In den USA sind lediglich 2 Prozent der Schlangenbissunfälle auf Korallenottern zurückzuführen, in Brasilien sind es mit 0,7 Prozent noch weniger.
Literatur
- O'Shea: Giftschlangen - Alle Arten der Welt in ihren Lebensräumen, Kosmos Verlag, 2006.
- Trutnau: Schlangen im Terrarium Bd. 2: Giftschlangen. Verlag Ulmer, Stuttgart 1998.