IgG4-assoziierte Hypophysitis
Englisch: IgG4-related hypophysitis
Definition
Die IgG4-assoziierte Hypophysitis ist eine seltene, immunvermittelte Entzündung der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) im Rahmen einer IgG4-assoziierten Systemerkrankung.
Ätiologie
Die Ursache ist bislang (2025) nicht abschließend geklärt. Es wird eine fehlgesteuerte Autoimmunreaktion angenommen, bei der IgG4-produzierende Plasmazellen und T-Helferzellen eine chronisch-entzündliche Gewebereaktion im Hypophysengewebe auslösen. Sie führen zu einer schrittweisen lymphoplasmazellulären Infiltration und später zu fibrotischen Umbauprozessen.
Etwa ein Drittel der Fälle verläuft isoliert, während zwei Drittel im Rahmen einer systemischen IgG4-assoziierten Erkrankung auftreten.
Symptomatik
Die typischen klinischen Manifestationen ergeben sich aus der Kombination lokaler Raumforderungssymptome und hormoneller Ausfälle:
- Zentraler Diabetes insipidus mit Polyurie und Polydipsie (häufig erstes Symptom)
- Zeichen einer Hypophyseninsuffizienz (z. B. Müdigkeit, Libidoverlust, Gewichtsverlust, sekundäre Amenorrhö)
- Lokale Beschwerden durch Vergrößerung der Hypophyse oder Verdickung des Hypophysenstiels, z. B. Kopfschmerzen, Visusstörungen oder Gesichtsfelddefekte infolge einer Kompression des Chiasma opticum.
Gelegentlich treten unspezifische Allgemeinsymptome wie Übelkeit, Erbrechen oder Abgeschlagenheit auf.
Diagnostik
Bildgebung
Im MRT zeigt sich typischerweise eine symmetrisch vergrößerte Hypophyse mit Verdickung des Hypophysenstiels und homogener Kontrastmittelaufnahme. Bei Beteiligung der Neurohypophyse fehlt häufig das physiologische T1-hyperintense Hinterlappensignal. Die Veränderungen sind unspezifisch und können bei allen Hypophysitiden vorkommen.
Da die IgG4-assoziierte Erkrankung häufig unter Multiorgan-Beteiligung verläuft, sollte zusätzlich eine umfangreichere Bildgebung mittels CT, MRT oder FDG-PET erfolgen, um weitere Organmanifestationen zu erfassen.
Serologie
Der Serum-IgG4-Spiegel ist in etwa der Hälfte der Fälle erhöht, kann jedoch auch normal sein. Normale Werte schließen die Diagnose daher nicht aus. Die Bestimmung dient als unterstützender Parameter und sollte im Verlauf wiederholt werden.
Endokrinologische Diagnostik
Endokrinologisch finden sich meist kombinierte Ausfälle der hormonellen Vorder- und Hinterlappenfunktion bis hin zum Panhypopituitarismus.
siehe Hauptartikel: IgG4-assoziierte Erkrankung
Diagnosekriterien
Für die organspezifische Beurteilung können die Leporati-Kriterien angewandt werden.[1] Im Unterschied zu den allgemeinen Kriterien, die auf systemische Organmanifestationen ausgelegt sind, bieten sie eine gezielte und klinisch anwendbare Grundlage zur Diagnostik der hypophysären Beteiligung, auch wenn keine Biopsie des Organs vorliegt.
| Nr. | Kriterium | Beschreibung |
|---|---|---|
| 1 | Hypophysenbiopsie | Mononukleäre Infiltration der Hypophyse, reich an Lymphozyten und Plasmazellen, mit mehr als 10 IgG4-positiven Plasmazellen pro Hauptgesichtsfeld (HPF) |
| 2 | MRT der Hypophyse | Nachweis einer sellären Raumforderung und/oder eines verdickten Hypophysenstiels |
| 3 | Biopsie eines anderen Organs | Nachweis einer IgG4-positiven Läsion in einem anderen Organ |
| 4 | Serologie | Erhöhte Serum-IgG4-Spiegel (> 140 mg/dl). |
| 5 | Ansprechen auf Glukokortikoide | Rückbildung der hypophysären Raumforderung und klinische Besserung nach Glukokortikoidgabe. |
Eine gesicherte Diagnose liegt bei Erfüllung von Kriterium 1 vor. Eine wahrscheinliche Diagnose liegt vor bei Erfüllung von Kriterien 2 + 3 oder 2 + 4 + 5.
Differenzialdiagnosen
Die IgG4-assoziierte Hypophysitis lässt sich klinisch und radiologisch nur schwer von anderen entzündlichen oder neoplastischen Läsionen der Hypophyse abgrenzen. Wichtige Differenzialdiagnosen sind:
- andere primäre Hypophysitis-Formen (lymphozytär, granulomatös, xanthomatös)
- sekundäre Hypophysitiden bei Sarkoidose, Granulomatose mit Polyangiitis, Tuberkulose, Syphilis oder Pilzinfektion
- Neoplasien der Hypophyse, z. B. Hypophysenadenom, Germinom oder Kraniopharyngeom
- Medikamenten-assoziierte Hypophysitis unter Immuncheckpoint-Inhibitoren
Therapie
Ein standardisiertes Behandlungsschema existiert derzeit (2025) nicht. Die Therapie richtet sich nach den Empfehlungen für die systemische IgG4-assoziierte Erkrankung. Meist wird eine systemische Glukokortikoidtherapie eingesetzt, die in der Regel zu einer klinischen und radiologischen Besserung führt.
Prednisolon wird meist in einer Dosierung von etwa 0,5 - 1 mg/kgKG pro Tag über 4 - 6 Wochen verabreicht, gefolgt von einer schrittweisen Dosisreduktion über 3 bis 6 Monate. Danach kann eine niedrig dosierte Erhaltungstherapie mit 2,5 - 5 mg Prednisolon täglich fortgeführt werden werden.[2]
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Bei ausgeprägter Raumforderung oder akutem Verlauf kann eine Methylprednisolon-Stoßtherapie erfolgen.
Bei unzureichendem Ansprechen oder Rückfall werden in der Regel Rituximab sowie seltener Azathioprin, Methotrexat oder Mycophenolat-Mofetil eingesetzt. Inebilizumab (Anti-CD19-Antikörper) wird aktuell (2025) als neue therapeutische Option bei IgG4-assoziierten Erkrankungen geprüft.
Eine operative Intervention erfolgt nur bei Chiasmakompression.
Prognose
Die Prognose ist bei frühzeitiger Behandlung günstig. Unter Glukokortikoiden kommt es meist innerhalb weniger Wochen zu einer deutlichen Besserung der durch die Raumforderung bedingten Symptome wie Kopfschmerzen oder Sehstörungen. Die endokrine Funktion erholt sich dagegen häufig nur teilweise, insbesondere bleibt ein Diabetes insipidus meist weiter bestehen.
Rezidive treten bei etwa einem Drittel der Fälle auf, meist im Zusammenhang mit der Reduktion der Glukokortikoiddosis.
Die Langzeitprognose wird im Wesentlichen durch das Vorliegen und die Kontrolle einer systemischen Organbeteiligung bestimmt.
Quellen
- ↑ Leporati P. IgG4-Related Hypophysitis: A New Addition to the Hypophysitis Spectrum. The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism. 2011
- ↑ Yang L et al. IgG4-related disease in the nervous system. Practical Neurology 2025