Excipient Lung Disease
Synonyme: Zellulose-Granulomatose, Talk-Granulomatose, pulmonale angiothrombotische Granulomatose, pulmonale granulomatöse Vaskulitis, angiozentrische systemische Granulomatose
Englisch: excipient lung disease, cellulose granulomatosis, talc granulomatosis, angiocentric systemic granulomatosis, pulmonary angiothrombotic granulomatosis, pulmonary granulomatous vasculitis, pulmonary foreign body angiogranulomatosis, talc embolism
Definition
Als Excipient Lung Disease, kurz ELD, bezeichnet man eine Lungenerkrankung, die durch bestimmte intravenös applizierte Fremdstoffe ausgelöst wird.
Ursachen
Per os zu applizierende Tabletten oder verunreinigte i.v.-Drogen enthalten bestimmte Stoffe, die bei intravenöser Injektion zu einer Okklusion von Lungenarteriolen und Kapillaren und zur Bildung eines angiozentrischen Fremdkörpergranuloms führen. Hintergrund ist meist ein Drogenabusus.
Zu den auslösenden Stoffen zählen z.B.:
- mikrokristalline Zellulose ("Zellulose-Granulomatose")
- Talkum ("Talk-Granulomatose")
- Crospovidon
- Maisstärke
- Baumwollfasern
Ritalin-Lunge
Eine Sonderform ist die sogenannte "Ritalin-Lunge". Bei missbräuchlicher intravenöser Gabe von Ritalin oder anderen Methylphenidat-enthaltenden Tabletten kann sich ein panlobuläres Lungenemphysem entwickeln. Dabei scheint neben Talkum auch Methylphenidat selbst eine pathogenetische Rolle zu spielen. Ob auch eine chronische orale Einnahme zu dieser Komplikation führen kann, ist noch (2023) unklar.
Klinik
Patienten mit ELD können sich zunächst mit unspezifischen Beschwerden wie Dyspnoe und Husten vorstellen. Auch Fieber und Herzrhythmusstörungen können vorkommen. In fortgeschrittenen Fällen entwickelt sich eine respiratorische Insuffizienz, ein panlobuläres Emphysem, ein Cor pulmonale oder eine akute pulmonale Hypertonie.
Bei Patienten mit ELD besteht ein erhöhtes Risiko für Pneumonien, septische Embolien, Lungenödem, Pneumothorax und Asthma-Exazerbationen.
Diagnostik
In leichten Fällen können in der Auskultation basale endinspiratorische Knistergeräusche auffallen. Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung weisen Anzeichen einer akuten pulmonalen Hypertonie auf (z.B. verstärkter zweiter Herzton).
In der Funduskopie können Talkum-Kristalle in den retinalen Arteriolen sichtbar sein.
Radiologie
Im Röntgen-Thorax fallen bisweilen diffus verteilte Mikronoduli auf. Häufig ist das konventionelle Röntgenbild jedoch unauffällig. Im Thorax-CT finden sich zahlreiche zentrilobuläre Mikronoduli, die den perivaskulären Granulomen entsprechen. Auch ein Tree-in-Bud-Muster ist möglich. Die Mikronoduli sind diffus, treten bilateral auf und sind einheitlich verteilt. Pleura und Lungenfissuren bleiben ausgespart. Bei Talkum kann es wie bei der progressiven massiven Fibrose (PMF) zu konglomeratartigen Raumforderungen sowie zu Milchglastrübungen und zu einem panlobulären Lungenemphysem kommen.
Eine Dilatation des Truncus pulmonalis und Rechtsherzbelastungszeichen sind hinweisend auf eine pulmonale Hypertonie.
Bei der Ritalin-Lunge zeigt sich ein Unterlappen-betontes panlobuläres Lungenemphysem, wobei auch konglomeratartige Raumforderungen und zentrilobuläre Mikronoduli vorkommen können.
Histopathologie
Histopathologisch führen die Fremdkörper zur Bildung von angiozentrischen Granulomen. Innerhalb des Granuloms kann Cellulose durch doppelbrechende stäbchenförmige, 20 bis 200 µm große Kristalle auffallen, die in der HE-Färbung durchsichtig und farblos bis leicht blau-grau erscheinen. Bei Crospovidon finden sich gelbe, nicht doppelbrechende, bis 100 µm große Partikel. Bei Talkum-Granulomatose zeigen sich intravaskuläre, stark doppelbrechende nadel- oder plattenförmige, 5 bis 15 µm große Kristalle, die sich in der HE-Färbung farblos bis blassgelb darstellen. Interstitielle Granulome führen zu einer Fibrose mit umgebendem Narbenemphysem. Kleine Talkpartikel können durch Kapillaren in die Lungenvenen gelangen und sich in Netzhaut, Nieren, Leber, Milz, Lymphknoten, Knochenmark und Rückenmark ablagern.
Differenzialdiagnosen
Radiologisch muss bei zentrilobulären Mikronoduli primär an eine zelluläre Bronchiolitis gedacht werden, die z.B. durch Infektionen oder Aspirationen ausgelöst wird. Das Tree-in-Bud-Muster kann zwar diffus auftreten, ist dabei aber typischerweise nicht einheitlich verteilt. Außerdem zeigen sich weitere Zeichen der Atemwegserkrankung wie Bronchialwandverdickungen, Bronchiektasen, Mukusimpaktionen und Mosaikmuster bzw. Air Trapping.
Bei der pulmonalen Hypertonie können zentrilobuläre Milchglasherde durch eine plexogene Arteriopathie, durch Cholesteringranulome oder im Rahmen einer pulmonalen kapillären Hämangiomatose entstehen.
Bei der Ritalin-Lunge muss differenzialdiagnostisch an einen Alpha-1-Antitrypsin-Mangel gedacht werden.
Literatur
- Nguyen VT et al. Pulmonary effects of i.v. injection of crushed oral tablets: "excipient lung disease". AJR Am J Roentgenol. 2014
- Bendeck SE et al. Cellulose granulomatosis presenting as centrilobular nodules: CT and histologic findings. AJR Am J Roentgenol. 2001