Kryptosporidiose (Wiederkäuer)
Synonyme: Cryptosporidium-Infektion beim Wiederkäuer, Cryptosporidiose
Definition
Als Kryptosporidiose beim Wiederkäuer bezeichnet man eine parasitär bedingte Erkrankung beim Wiederkäuer, die durch Cryptosporidium-Arten verursacht wird.
Allgemein
Cryptosporidium-Arten sind Parasiten, die im Gastrointestinaltrakt von Wirbeltieren leben und nur wenig wirtsspezifisch sind. Aufgrund morphometrischer und molekularbiologischer Merkmale unterscheidet man derzeit (2018) etwa 14 verschiedene Arten.
Bei landwirtschaftlichen Nutztieren ist Cryptosporidium parvum der bedeutsamste Vertreter der Cryptosporidium-Arten. Dieser Erreger parasitiert im Dünndarm von Rindern, aber auch vielen anderen Säugetieren und auch beim Menschen. Bei Cryptosporidium parvum sind schon seit langem verschiedene Genotypen bekannt, die sich v.a. im Wirtsspektrum und in ihrer Schadwirkung voneinander unterscheiden. Einige dieser Genotypen weisen sogar ein zoonotisches Potenzial auf.
Ob die verschiedenen Genotypen auch unterschiedliche Arten repräsentieren, ist bislang nicht gesichert. Aufgrund dessen vertreten einige Autoren die Ansicht, dass der humane Genotyp von Cryptosporidium parvum als eigenständige Art betrachtet werden sollte, weshalb dieser Genotyp auch als Cryptosporidium hominis bezeichnet wird. Hinzu kommt jedoch, dass auch der sogenannte bovine Genotyp von Cryptosporidium parum ein zoonotisches Potenzial hat.
Beim Rind und anderen Nutztieren parasitiert auch Cryptosporidium andersoni im Magen.
Erreger
Oozysten von Cryptosporidium parvum sind kugelförmig, 4,5 bis 5,4 x 4,2 bis 5,0 μm groß und stark lichtbrechend. Die Oozystenhülle ist aus einer doppelten Lipoproteinmembran aufgebaut. Der Inhalt besteht aus vier etwa 5,5 μm langen Sporozoiten und einem kristallinen Restkörper.
Cryptosporidium-andersoni-Oozysten sind 6,6 bis 7,9 x 5,3 bis 6,5 μm groß.
Vorkommen
Cryptosporidium-Arten sind weltweit anzutreffen und die Befallsraten sind besonders bei Kindern und Jungtieren hoch. Kälber sind teilweise bis zu 100 % befallen, wobei starke Schwankungen zwischen den unterschiedlichen Betrieben auftreten können. Die Befallsrate ist bei Durchfallkälbern höher als bei Kälbern mit normalem Kotabsatz (bei Kühen liegt sie bei ca. 8 %).
Abhängig vom Alter und von den Haltungsbedingungen variiert die Befallsrate beim Schaf zwischen 7 und 43 %, beim Pferd zwischen 9 und 70 %, beim Schwein um 5 % sowie beim Hund und bei der Katze um etwa 20 %. Da unterschiedliche Wirtsspezies von verschiedenen Cryptosporidium-Artten befallen werden können kann nicht immer die genaue Prävalenz einer bestimmten Art (oder gar eines Genotyps) ermittelt werden.
Entwicklung
Cryptosporidium-Arten folgen einem einwirtigen Lebenszyklus. Der Wirt wird durch die orale Aufnahme von Oozysten aus der Umwelt infiziert. Die anschließende gesamte Entwicklung der Cryptosporidium-Arten erfolgt oberflächlich in den Epithelzellen des Gastrointestinaltraktes. Im Zuge der Entwicklung entstehen verschiedene, etwa 5 μm große Stadien.
Die Entwicklungsstadien von Cryptosporidium parvum befinden sich in parasitophoren Vakuolen im Bürstensäum der Epithelzellen des Dünndarms, vorzugsweise im hinteren Teil des Jejunums und Ileums (teilweise auch im Dickdarm).
72 Stunden p.i. lassen sich Mikrogamonten mit 16 geißellosen Mikrogameten und 4,6 μm großen Makrogameten nachweisen. Im Anschluss an die Befruchtung kommt es zu einer Sporogonie, in deren Folge bereits ab dem 3. bis 6. Tag p.i. Oozysten über den Kot ausgeschieden werden, die sofort infektiös sind. Einige dieser Oozysten setzen noch vor der Ausscheidung die Sporozoiten frei, die wieder zu einer neuen Infektion der Epithelzellen führen (Autoinfektion). Der Großteil der Oozysten von Cryptosporidium parvum wird innerhalb von 1 bis 2 Wochen ausgeschieden, wobei die Ausscheidungsperiode auch mehrere Wochen andauern kann.
Epidemiologie
Erkrankungen, die durch Cryptosporidium parvum verursacht werden, treten häufig als Bestandsproblem auf. Das Oozysten-Ausscheidungsmaximum wird bei 11 Tagen alten Kälbern beobachtet. Zu diesem Zeitpunkt können bis zu 107 Oozysten pro Gramm Kot an die Umwelt abgegeben werden. Eine Infektion erfolgt daher hauptsächlich in den mit Oozysten kontaminierten Kälberboxen.
10 bis 100 Oozysten können bei Jungtieren bereits zu einer klinischen Kryptosporidiose führen. Da die Oozysten gegenüber äußeren Einflüssen sehr widerstandsfähig sind, wird eine Verbreitung innerhalb eines Betriebes begünstigt. Die Oozysten überleben bei 4 °C und ausreichender Feuchtigkeit bis zu 6 Monate, wobei sie bei Zimmertemperatur nach 4 Monaten noch infektiös sind. Temperaturen unterhalb von -18 °C sowie über 65 °C führen zum Absterben der Oozysten.
Pathogenese
Die verschiedenen Entwicklungsstadien von Cryptosporidium parvum verursachen im Bereich ihrer Anheftungszone zu einer Verdrängung des Mikrovillisaums der Epithelzellen. Bei einem starken Befall gehen diese sogar gänzlich verloren, weshalb die Funktion der Darmmukosa gestört und die Aktivität der Verdauungsenzyme herabgesetzt wird. In Folge dessen kommt es zu einer Verkürzung und Verklebung der Darmzotten, weshalb die resorptive Darmoberfläche drastisch verkleinert wird. Die Konsequenz ist eine schlechte Futteraufnahme sowie -verwertung.
Der Krankheitsverlauf wird oftmals durch bakterielle oder virale Begleitinfektionen verschlimmert.
Pathologie
Im Zuge der Sektion wird eine Enteritis mit Entzündung und Hyperämie der Schleimhaut beobachtet. Die histologische Untersuchung zeigt eine Atrophie der Darmzotten, Hyperplasie der Krypten, epitheliale Brücken und Fusionen zwischen benachbarten Zotten sowie Infiltrationen von neutrophilen Granulozyten.
Cryptosporidium andersoni führt zu einer Verdickung der Labmagenmukosa, einer Erweiterung der Drüsenlumina und einer Atrophie des Epithels.
Klinik
Die Infektion mit Cryptosporidium parvum ist eine typische Jungtiererkrankung. Kälber und Lämmer sind vorwiegend in der 1. bis 4. Lebenswoche betroffen, meist im Alter von 5 bis 14 Tagen. Eine Kryptosporidiose führt zu einer fauligen, profusen oder wässrigen Diarrhö, die über 2 bis 14 Tage hinweg anhalten kann und mit einem hohen Gewichtsverlust sowie einer fortschreitenden Exsikkose einhergeht. Typisch für eine Infektion mit Cryptosporidium parvum ist die gelblich-grüne Farbe des Kotes.
Die Erkrankung führt oftmals zu keinem Verlust der Fresslust.
Diagnose
Die Kryptosporidiose wird mittels koproskopischen Nachweis diagnostiziert. Da Cryptosporidium-Oozysten sehr klein sind, sind verschiedene Spezialmethoden entwickelt worden, z.B. modifizierte Ziehl-Neelsen-Färbung, Gegenfärbung mit Karbolfuchsin oder Antikörpermarkierung. Zusätzlich stehen kommerziell verfügbare Tests zur Untersuchung auf Koproantigene zur Verfügung, die aufgrund der geringen Oozystenausscheidung sensitiver sind als die mikroskopische Untersuchung.
Therapie
Die Kryptosporidiose beim Kalb kann mit Halofuginon therapiert werden. Die Behandlung sollte möglichst 24 Stunden nach dem Einsetzen der ersten Symptome begonnen und über 7 Tage fortgesetzt werden. Aufgrund der sehr geringen therapeutischen Breite von Halofuginon sollte eine Dosis von 0,1 mg/kgKG täglich nicht überschritten werden.
Das Medikament sollte in mindestens 500 ml Milch oder Milchaustauscher verabreicht werden. Halofuginon ist bei laktierenden Tieren verboten.
Bedeutung für den Menschen
Einige Cryptosporidium-Arten (Cryptosporidium hominis, boviner Genotyp von Cryptosporidium parvum) sind Zoonoseerreger. Gefährdet sind hier v.a. Kinder und Patienten mit einer Immunschwäche (z.B. AIDS-Patienten).
Da Cryptosporidium-Oozysten sehr klein sind können sie auch in das Trinkwasser für Menschen gelangen. Aus diesem Grund ist darauf zu achten, dass Rinder nicht in Wassergewinnungsgebieten gehalten werden.
Literatur
- Boch, Josef, Supperer, Rudolf. Veterinärmedizinische Parasitologie. 6. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Parey Verlag, 2005
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