Prinzmetal-Angina
nach Myron Prinzmetal (1908-1987), amerikanischer Kardiologe
Synonyme: vasospastische Angina, Variantangina, Angina varians
Englisch: variant angina, prinzmetal angina, vasospastic angina, angina inversa
Definition
Die Prinzmetal-Angina ist eine Sonderform der Angina pectoris, die durch Spasmen der epikardialen Herzkranzgefäße (Koronarspasmen) ausgelöst wird. Sie führen zu einer passageren transmuralen Myokardischämie und Verschlechterung der linksventrikulären Funktion.
Epidemiologie
Aus ungeklärten Gründen hat die Prävalenz der Prinzmetal-Angina in den letzten Jahrzehnten abgenommen. In Japan kommt sie häufiger als in Nordamerika oder Westeuropa vor.
Patienten mit Prinzmetal-Angina sind meist jünger und haben weniger koronare Risikofaktoren (außer Zigarettenrauchen) als Patienten, die an einem NSTEMI leiden.
Pathophysiologie
Der genaue zugrundeliegende Pathomechanismus ist aktuell (2020) noch nicht bekannt. Diskutiert werden eine erhöhte Kontraktilität der glatten Gefäßmuskelzellen, eine erhöhte Aktivität von Alpha-Adrenorezeptoren sowie der Einfluss von Vasokonstriktoren wie Thromboxan A2 und Serotonin.
Klinik
Die Prinzmetal-Angina tritt belastungsunabhängig, also auch in Ruhe auf. Die Episoden fallen meist in die frühen Morgenstunden. Sie werden vom Patienten als starker retrosternaler Druck oder Schmerz beschrieben, der in Nacken, Kiefer und/oder linke Schulter und Arm ausstrahlt.
Die Myokardischämie und Verschlechterung der linksventrikulären Funktion kann zu Palpitationen, Myokardinfarkt, Synkopen, ventrikulären Tachykardien, Kammerflimmern und plötzlichen Herztod führen.
Einige Patienten weisen eine Tendenz zu generalisierten Vasospasmen mit Migräne und/oder Raynaud-Syndrom auf.
Diagnostik
Der kardiale Untersuchungsbefund ist bei Patienten mit Prinzmetal-Angina meist unauffällig. Im Elektrokardiogramm (EKG) lassen sich anfallsartige, reversible ST-Hebungen detektieren, die v.a. in Phasen mit Ruheschmerzen auftreten. Viele Patienten weisen aber auch Episoden von asymptomatischen ST-Hebungen auf (stille Ischämie). Q-Zacken sind nicht ausgebildet. Abhängig von der Schwere und Dauer der Ischämie können sich die ST-Hebungen innerhalb von Minuten zurückbilden oder es folgen über Stunden oder Tage persistierende T-Inversionen.
Herzenzyme (z. B. Troponin T oder Troponin I) sind meistens nicht erhöht.
In der Koronarangiografie können vorübergehende Koronarspasmen nachgewiesen werden. Hyperventilation und intrakoronar appliziertes Acetylcholin werden eingesetzt, um eine fokale Koronarstenose oder ST-Hebungen zu provozieren.
Differentialdiagnose
Die differentialdiagnostische Unterscheidung zwischen einer Prinzmetal-Angina und einer instabilen Angina pectoris, die im Rahmen einer Atherosklerose der Koronargefäße auftritt, kann schwierig sein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ungefähr 50 % der Patienten mit Prinzmetal-Angina zumindest in einem Hauptgefäß einen atherosklerotischen Plaque aufweisen. Das Fehlen der typischen kardiovaskulären Risikofaktoren weist in der Regel auf eine Prinzmetal-Angina hin. Hilfreich zur Differenzialdiagnose ist u.a. die Koronarangiografie.
Vasospasmen der Koronargefäße können auch beim Kounis-Syndrom (Angina allergica) auftreten.
Therapie
Zur Akuttherapie sowie zur Prophylaxe werden Nitrate und Calciumantagonisten eingesetzt. Acetylsalicylsäure kann die Schwere der ischämischen Episoden verstärken. Weiterhin reduzieren Statine vermutlich das Risiko schwerer Komplikationen, wobei der genaue Mechanismus derzeit unklar ist.
Das Ansprechen auf Betablocker ist unterschiedlich: Theoretisch verstärken sie den Spasmus aufgrund einer konsekutiven Verstärkung der über Alpha-Rezeptoren vermittelten Vasokonstriktion, wobei der Effekt nicht bewiesen ist. Eine Symptomverschlechterung kann umgekehrt durch Betablocker mit alpha-adrenerger Blockade (z.B. Carvedilol) oder mit vasodilatierender Wirkung (z.B. Nebivolol) vermieden werden. Grundsätzlich sollten Betablocker mit Vorsicht eingesetzt werden, einige gelten sogar als kontraindiziert.
Eine koronare Revaskularisation kann bei Patienten mit Prinzmetal-Angina, die gleichzeitig eine flusslimitierende, fixierte und proximal lokalisierte Koronarobstruktion aufweisen, hilfreich sein. Patienten mit Ischämie-assoziiertem Kammerflimmern trotz maximaler konservativer Therapie profizieren von einer ICD-Implantation.
Prognose
Patienten mit Prinzmetal-Angina weisen während der ersten 6 Monate nach klinischer Vorstellung i.d.R. eine akute Phase mit häufigen Episoden und kardialen Ereignissen auf. Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt 90-95 %. Bei bis zu 20 % der Patienten tritt jedoch ein Myokardinfarkt auf. Wird die akute Phase überlebt, stabilisiert sich der Zustand meist.
Patienten mit Prinzmetal-Angina, die maligne Herzrhythmusstörungen während der spontanen Schmerzepisode entwickeln, besitzen ein höheres Risiko für einen plötzlichen Herztod.
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