Pathologische Fraktur
Synonym: Spontanfraktur
Englisch: pathologic fracture
Definition
Pathologische Frakturen sind Knochenbrüche, die spontan bzw. ohne adäquates Trauma in einem abnormalen Knochen entstehen.
Nomenklatur
Pathologische Frakturen im engeren Sinne entstehen auf dem Boden eines fokalen ossären Tumors (z.B. osteolytischer Metastase). Der Begriff wird in der klinischen Praxis jedoch auch im Rahmen einer Osteomyelitis oder bei metabolischen Erkrankungen verwendet.
Teilweise wird der Begriff fälschlicherweise als Synonym für Stressfrakturen (Ermüdungsfrakturen oder Insuffizienzfrakturen) verwendet. Ermüdungsfrakturen sind nichttraumatische Frakturen des primär gesunden Knochens durch eine dauerhafte mechanische Überbeanspruchung. Eine Insuffizienzfraktur entsteht im osteoporotischen Knochen bei normaler Belastung.
Ursachen
Typische Ursachen einer pathologischen Fraktur sind:
- Knochenmetastasen: bei Erwachsenen am häufigsten Mamma-, Prostata- und Bronchialkarzinom, seltener Nierenzell- und Schilddrüsenkarzinom
- Multiples Myelom bzw. Plasmozytom
- Primäre Tumoren des Knochens:
- Metabolische Erkrankungen: Morbus Gaucher, renale Osteodystrophie bei Urämie, sekundärer Hyperparathyreoidismus
- Infektionen (Osteomyelitis)
- Postoperative Defekte
- Strahlenosteitis
- Knocheninfarkt bzw. Osteonekrose
- Knochenzysten bei Arthritis bzw. Arthrose
- Kongenital: Osteogenesis imperfecta
Lokalisation
Die häufigsten Lokalisationen einer pathologischen Fraktur sind:
Metastasen und Myelomläsionen finden sich insbesondere im Femur und im Humerus. Suspekte Befunde sind eine Avulsionsfraktur des Trochanter minor oder der Tubes ischiadicum bei Erwachsenen sowie eine subtrochantäre Femurfraktur. Enchondrome führen hauptsächlich in den Fingern zu pathologischen Frakturen. Juvenile Knochenzysten bei Kindern erwartet man in den langen Röhrenknochen, insbesondere im proximalen Humerus.
Komplikationen
Durch maligne Tumoren oder Metastasen ausgelöste Spontanfrakturen entziehen sich meist den normalen therapeutischen Möglichkeiten. Sie führen - wenn die Wirbelsäule oder die untere Extremität betroffen ist - häufig zur Immobilisierung des Patienten.
Des Weiteren können sich maligne Tumorzellen entlang der Frakturspalten ausbreiten sowie in die Blutbahn gelangen.
Radiologie
Pathologische Frakturen werden primär radiologisch diagostiziert. Hinweisend ist eine Frakturlinie durch eine fokale destruktive Knochenläsion sowie Avulsionsfrakturen in untypischer Lokalisation. Häufig handelt es sich um Querfrakturen.
Bei einem kortikalem Scalloping > 50 % sowie einer Beteiligung des pertrochantären Femurs muss mit einer pathologischen Fraktur gerechnet werden. Das ungefähre Risiko kann mittels Mirels-Klassifikation oder anhand der Harrington-Kriterien abgeschätzt werden.
Konventionelles Röntgen
Im konventionellen Röntgenbild zeigen sich beispielweise umgebende permeative Knochenveränderungen, fokale Aufhellungen mit Tumormatrix (chondroid, osteoid, Milchglas), endostales Scalloping oder eine umgebende Weichteilmasse.
Computertomographie
Die Computertomographie (CT) zeigt neben der Fraktur eine Zerstörung der Kortikalis, die Tumormatrix, aggressive Periostreaktionen, das endostale Scalloping sowie assoziierte Weichteilmassen.
Magnetresonanztomographie
In der Magnetresonanztomographie (MRT) sind folgende Faktoren hinweisend auf eine pathologische Fraktur:[1]
- gut abgrenzbares, raumforderndes, T1w-hypointenses Knochenmarksignal (83 % vs. 7 % bei nicht-pathologischen Frakturen)
- abnormales Muskelsignal bei pathologischer Fraktur (83 % vs. 48 %)
- Weichteilmasse (67 % vs. 0 %): muss von einem umgebenden Hämatom differenziert werden
- Endostales Scalloping (58 % vs. 0 %)
- weitere Metastasen oder Myelomläsionen
Die Gabe von Kontrastmittel erbringt selten einen Mehrwert. Posttraumatische Blutungen und Neovaskularisation können mit einem zugrundeliegenden Tumor verwechselt werden. Hilfreich ist eine T2w-Sequenz ohne Fettsättigung zur Beurteilung einer zugrundeliegenden Raumforderung und Abgrenzung zum Hämatom.
Nützlich sind außerdem In/OOP-Sequenzen: Während ein Knochenmarködem ein Signalabfall in der Opposed-Phase zeigt, fehlt der Signalabfall bei infiltrativen Prozessen.[2] Weiterhin führt die Tumorinfiltration zu einer Diffusionsstörung in Diffusions-gewichteten Sequenzen.[3]
Therapie
Bei benignen Läsionen kommen eine Kürettage, ein Knochentransplantat oder Knochenzement sowie in manchen Fällen Osteosynthesematerialien zum Einsatz. Juvenile Knochenzysten sowie das nichtossifizierende Fibrom können nach Fraktur auch ohne Behandlung ausheilen.
Bei pathologischen Frakturen von gewicht-tragenden Knochen bei zugrundeliegenden Metastasen wird die Marknagelosteosynthese teilweise der Plattenosteosynthese vorgezogen. Eine Bestrahlung kann zur Schmerzreduktion erwogen werden, verzögert jedoch die Frakturheilung. Weiterhin kommen Knochentransplantate oder Knochenzement sowie zur Schmerzkontrolle eine Thermoablation in Frage.
Peer-Review durch Bijan Fink |
Quellen
- ↑ Fayad LM et al. Distinction of long bone stress fractures from pathologic fractures on cross-sectional imaging: how successful are we?, AJR Am J Roentgenol. 2005;185(4):915-924
- ↑ Erly WK et al. The utility of in-phase/opposed-phase imaging in differentiating malignancy from acute benign compression fractures of the spine, AJNR Am J Neuroradiol. 2006;27(6):1183-1188, abgerufen am 18.10.2022
- ↑ Spuentrup E et al. Diffusion-weighted MR imaging for differentiation of benign fracture edema and tumor infiltration of the vertebral body, AJR Am J Roentgenol. 2001;176(2):351-358, abgerufen am 18.10.2022
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