Picornaviridae
von griechisch: pico - sehr klein
Synonyme: Picornaviren, Naniviren
Englisch: picornaviruses
Definition
Als Picornaviridae wird eine taxonomische Familie von ikosaedrischen Plusstrang-RNA-Viren (+ssRNA) bezeichnet.
Taxonomie
Die Virusfamilie Picornaviridae zählt zur Ordnung Picornavirales (Bereich Riboviria). Die folgende Tabelle listet eine Auswahl wichtiger human- und zoopathogener Gattungen auf:
Gattung | Art |
---|---|
Aphthovirus | Maul-und-Klauenseuche-Virus (FMDV) |
Cardiovirus | Cardiovirus A (Enzephalomyokarditis-Virus 1 und 2) |
Cosavirus | Cosavirus A und D |
Enterovirus |
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Hepatovirus | Hepatovirus A (Hepatitis-A-Virus) |
Kobuvirus | Aichivirus A |
Parechovirus |
|
Rosavirus | Rosavirus A bis C |
Salivirus | Salivirus A |
Aufbau
Picornaviren sind etwa 25 bis 30 nm groß und erscheinen im elektronenmikroskopischen Bild in etwa kugelförmig. Sie bestehen aus einem unbehüllten Kapsid in Ikosaederform und einer linearen (+)ssRNA als Genom. Bei der Translation entsteht zunächst ein Polyprotein, das sich autokatalytisch in die Strukturproteine VP1 bis VP4 und in Nichtstrukturproteine spaltet.
VP1 bis VP3 bilden die Oberfläche des Kapsids, VP4 befindet sich auf der Kapsidinnenseite.
Resistenz
Da Picornaviren keine Lipidhülle besitzen, sind sie relativ unempfindlich gegen organische Lösungsmittel und Detergenzien. Enteroviren sind empfindlich gegen Austrocknen und mäßiges Erhitzen (ca. 50 °C), jedoch resistent gegenüber Äther oder Magensäure. Rhinoviren sind nur bei einem pH von 6,0 bis 7,5 stabil und sehr temperaturempfindlich.
Diagnostik
Polio-, Coxsackie-B-, Echo-, Entero- und die meisten Coxsackie-A-Viren lassen sich gut auf Affennierenzellen züchten.
Während einer akuten Erkrankungsphase können Proben von Rachenspülwasser, Liquor, Biopsiematerial und Stuhl mittels PCR untersucht werden. Nach Infektionen mit Enteroviren können diese für einige Monate im Stuhl nachweisbar sein.
Spezifische Anstiege der Antikörper gegen Polioviren lassen sich über den Neutralisationstest bestimmen, insbesondere zur Feststellung einer Immunität. Andere serologische Methoden haben nur eine geringe diagnostische Bedeutung.
Pathologie
Picornaviridae werden von Mensch zu Mensch insbesondere auf fäkal-oralem Infektionsweg weitergegeben. Sie vermehren sich im Magen-Darm-Trakt und werden über den Stuhl ausgeschieden.
Hauptsächlich werden folgende Krankheiten durch Picornaviren ausgelöst:
Symptom bzw. Erkrankung | Virustyp |
---|---|
Hepatitis A | Hepatitis-A-Virus |
Poliomyelitis | Polioviren |
Aseptische Meningitis | diverse Coxsackie-, Echo- und Enterovirus-Typen (v.a. Echo-Virus 30) |
Akute schlaffe Myelitis | zahlreiche Enteroviren |
Enzephalitis, Meningoenzephalitis | Enterovirus 70, 71; Echovirus 2, 6, 9, 19 |
Myokarditis | humanes Enterovirus B (v.a. Coxsackievirus B3) |
Pleurodynie (Bornholm-Krankheit) | humanes Enterovirus B (v.a. Coxsackie-B-Typen) |
Herpangina | Coxsackie A2 bis A6, 8, 10 |
Hand-Fuß-Mund-Krankheit | u.a. Enterovirus 71, Coxsackie A5, 10, 16 |
Makulopapulöses Exanthem | u.a. Echoviren 2, 4, 5, 9, 11, 16, 18, verschiedene Coxsackie-A-Typen |
Schnupfen | u.a. Coxsackie A1, A11, 21, 24 |
"Sommergrippe" | u.a. Coxsackie A und B1 bis B5, Echoviren 11, 20, Enterovirus 68 |
Pneumonie | Enterovirus 68, 74, 78, Coxsackie A16 |
Akute hämorrhagische Konjunktivitis | Enterovirus 70, Coxsackie A24 |
Perinatal: Myokarditis, Hepatitis, Enzephalitis | u.a. Coxsackie A und B, Echovirus 11 |
Rhinoviren treten eher in den kälteren Jahreszeiten auf und verursachen Symptome wie Schnupfen oder eine Pharyngitis, jedoch nur selten Komplikationen (Otitis media, Sinusitis, Pneumonie).
Parechoviren sind u.a. für Gastroenteritis, Erkältungen, Exantheme, Myokarditis, Enzephalitis und schlaffe Lähmungen verantwortlich. Das Ljunganvirus scheint mit dem Guillain-Barré-Syndrom und Myokarditiden assoziiert zu sein.
Das Aichivirus A wird oft durch roh verzehrte Meeresfrüchte (v.a. Austern) übertragen und löst Gastroenteritiden aus. Weiterhin kommt es gehäuft in (sub)tropischen Ländern mit niedrigem Hygienestandard vor.
Die Gattungen Aphthovirus und Cardiovirus verursachen seltene Zoonosen (Maul- und Klauenseuche, Enzephalomyokarditis).
Weiterhin sind Coxsackie-B4- und -B5-Infektionen assoziiert mit der Entstehung eines Diabetes mellitus Typ 1.
Veterinärmedizin
In der Veterinärmedizin werden u.a. folgende Erkrankungen durch Picornaviren ausgelöst:
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