Chronisches irritatives Kontaktekzem
Synonyme: kumulativ-toxisches Kontaktekzem, toxisch-degeneratives Ekzem, Abnutzungsdermatose, chronische irritative Kontaktdermatitis
Definition
Das chronische irritative Kontaktekzem ist eine chronische entzündliche Hautreaktion durch wiederholte bzw. längerfristige Einwirkung von schwachen Irritanzien.
Nomenklatur
Das chronisch irritative Kontaktekzem äußert sich meistens in Form eines Handekzems, weshalb in der Literatur auch verallgemeinernd vom chronisch irritativen Handekzem gesprochen wird. Grundsätzlich ist jedoch ein Auftreten an allen Hautarealen des Körpers möglich.
Epidemiologie
Das chronische irritative Kontaktekzem ist eine relativ häufige Erkrankung, insbesondere als Berufsdermatose bei Hausfrauen, Friseuren, Beschäftigten im Gesundheitswesen und in der Bauindustrie.
Sonderformen
Zu den wichtigsten Ekzemerkrankungen, bei denen chronische, irritative Einwirkungen eine wichtige pathogenetische Rolle spielen, zählen:
- chronisches irritatives Handekzem (kumulativ-toxisches Handekzem)
- Pityriasis simplex
- Exsikkationsekzematid
- Intertrigo
- Windeldermatitis
- Stomaekzem
- juvenile Plantardermatose
- Lidekzem
- Lippenleckekzem
- Perianalekzem
In vielen Fällen muss als Differenzialdiagnose eine kontaktallergische Mitauslösung in Betracht gezogen werden.
Ätiologie
Meist wird das chronische irritative Kontaktekzem multifaktoriell ausgelöst. Genetische Veränderungen können eine Rolle spielen, z.B. Mutationen im Filaggrin-Gen bei Ichthyosis vulgaris, atopischem Ekzem und kumulativ-toxischem Handekzem. Häufig sind die individuellen Schutzmechanismen der Haut gestört.
Zu den Kontaktnoxen zählen:
- Wasser und Tenside: Wasser allein oder in Kombination mit Tensiden löst Lipide und wasserlösliche Substanzen aus der Haut. Entsprechend kann gehäuftes Duschen, Baden oder Händewaschen zur Austrocknung der Haut mit der Folge eines Exsikkationsekzematids oder Ekzems führen.
- chemische Reize: Organische Lösungsmittel (Aceton, Alkohol, Benzin, Benzol, Tetrachlorkohlenstoff, Toluol) entfetten die Haut und trocknen sie aus. Alkalische oder saure Lösungen übersteigen die Pufferkapazität.
- physikalische Reize:
- mechanische Noxen (Sand, Staub, Textilien, Papier) können die Haut austrocknen.
- Wolle wirkt insbesondere bei atopischem Ekzem hautreizend.
- Sonnenlicht, niedrige relative Luftfeuchtigkeit, Reiben und Scheuern führen ebenfalls zur Austrocknung
- Körpersekrete:
- Stuhl, Urin (Windeldermatitis)
- Wundsekrete (z.B. am Rand eines Ulcus cruris oder Stomas)
- Schweiß (Intertrigo)
- Speichel (Lippenleckekzem)
Klinik
Die wiederholte Einwirkung der Kontaktnoxen führt nach Erschöpfung der protektiven Hautfunktionen zur entzündlichen Veränderung. Typische Zeichen der chronischen Schädigung sind Lichenifikation, Schuppung und Rhagaden. Bei stärkerer Entzündung kommen auch Rötung, Schwellung, Bläschen und Krusten vor.
Diagnostik
Zur Diagnose eines chronischen irritativen Kontaktekzems reichen i.d.R. eine sorgfältige Anamnese, das klinische Bild und die Erfassung der individuellen Ekzembereitschaft (Atopie, Sebostase, Ichthyosis) aus. Die atopische Diathese wird anhand der Anamnese oder Pricktestreaktionen vom Soforttyp auf häufige Umweltallergene (Gräser-, Hausstaubmilben-, Katzenallergene) festgestellt.
Histopathologie
Eine Biopsie und histopathologische Untersuchung ist i.d.R. nicht notwendig und zeigt nur unspezifische Veränderungen. Je nach klinischer Ausprägung finden sich spongiotische Veränderungen, akanthotische Epidermisverdickung mit Hyperkeratose und eine geringe Papillomatose mit perivaskulären, lymphohistiozytären Infiltraten.
Differenzialdiagnosen
In erster Linie ist differenzialdiagnostisch ein kontaktallergisches Ekzem zu erwägen. Auch bei typischem Bild sollte ein Epikutantest vorgenommen werden, um eine Kontaktallergie nicht zu übersehen. Häufig bestehen beide Erkrankungen gleichzeitig, sodass die Zuordnung zu einer Diagnose nicht möglich bzw. sinnvoll ist.
Weitere wichtige Differenzialdiagnosen sind:
Therapie
Eine topische Glukokortikoidtherapie führt in der Akutsituation meist zur schnellen Besserung. Aufgrund der oft nicht konsequent umsetzbaren Noxenkarenz verlaufen chronische irritative Kontaktekzeme meist langwierig. Entsprechend sind zur Einsparung von Glukokortikoiden weitere Therapeutika empfohlen, z.B. Calcineurininhibitoren oder eine topische PUVA-Therapie.
Parallel werden rückfettende und hydratisierende Externa angewendet. Bei Handekzem dürfen die Hände so wenig wie möglich gewaschen werden und nur naturlatexfreie Handschuhe getragen werden. Weiterhin kann Alitretinoin verwendet werden.
Trotz klinischer Abheilung sind die Hautbarrieremechanismen meist über Wochen gestört. Rezidive sind häufig und benötigen eine erneute konsequente Behandlung.
Prognose
Irritative Kontaktekzeme führen im Verlauf, wenn die Noxe nicht beseitigt wird, zur Kontaktsensibilisierung z.B. gegen Inhaltsstoffe der topischen Therapeutika, sodass sich ein Mischbild aus irritativem und allergischem Kontaktekzem entwickelt. Diese sekundäre Kontaktallergie (Propfallergie) zeigt sich oft als Exazerbation des Ekzems mit akuter Dermatitis (Bläschen, Nässen, Krusten) mit typischen Streuphänomenen.