Habronematidose (Pferd)
Synonym: Habronematidae-Infektion des Pferdes
Definition
Als Habronematidose des Pferdes bezeichnet man parasitär bedingte Erkrankungen der Pferde, die durch Vertreter der Gattungen Habronema und Draschia verursacht werden.
Erreger
Aus der Familie der Habronematidae parasitieren beim Pferd die Gattungen Habronema und Draschia. Die Adultstadien leben im Magen (Magen-Habronematidose), wohingegen die Larven Veränderungen in der Haut (Haut-Habronematidose) oder in der Lunge (Lungen-Habronematidose) hervorrufen.
Bei den Parasiten handelt es sich um 7 bis 35 mm lange Nematoden, die durch folgende Merkmale charakterisiert sind: Sie besitzen zwei um die Mundöffnung angeordnete, laterale Lippen, die durch Zwischenlippen verbunden sind. Die Mundkapsel ist dickwandig und trichterförmig (Draschia) bzw. zylindrisch (Habronema). Der Ösophagus ist kurz und aus einem vorderen muskulösen sowie einem hinteren drüsigen Teil aufgebaut. Das Hinterende der Männchen ist eingerollt und mit zwei ungleich langen Spicula sowie einem Gubernakulum ausgestattet. Die Weibchen besitzen ihre Vulvaöffnung in der Nähe der Körpermitte.
Bei Pferden findet man hauptsächlich:
Vorkommen
Die Habronematidose ist weltweit verbreitet. In Norddeutschland wiesen bei 89 untersuchten Pferden (1 bis 20 Jahre alt) 48 % einen Befall des Magens mit Habronema majus und 28 % mit Habronema muscae auf. Draschia megastoma konnte nicht nachgewiesen werden.
Die Magen-Habronematidose ist in Europa äußerst häufig - obwohl sie ziemlich selten intra vitam diagnostiziert wird.
Entwicklung
Habronema-Arten leben vorwiegend auf der Magenschleimhaut der Fundusregion (eingebettet in einer dicken Mukusschicht). Draschia megastoma dringt in die Magenwand ein und verursacht dort Knoten. Draschia-Weibchen legen dünnschalige, längliche Eier, aus denen die Erstlarven (L1) bereits im Verdauungstrakt oder kurz nach der Ausscheidung über den Kot schlüpfen. Die Erstlarven sind im Kot nicht lange lebensfähig, sodass ihre Weiterentwicklung nur nach Aufnahme durch Maden bestimmter Fliegenarten möglich ist.
Als Zwischenwirte für Habronema muscae und Draschia megastoma fungieren Stubenfliegen (Musca domestica), bei Habronema majus sind es Wadenstecher (Stomoxys calcitrans). Nach der Aufnahme der Erstlarven durch den Zwischenwirt dringen diese vom Darm aus in die Malpighi-Gefäße (Draschia megastoma) oder in den Fettkörper (Habronema muscae) der Fliegenmade ein. Dort entwickeln sie sich durch zwei Häutungen zu infektiösen Drittlarven (L3) weiter. Die Weiterentwicklung der Larven findet in der Regel in der Zeit während der Verpuppung der Fliegenmaden statt.
Während die Imagines ausschlüpfen, wandern in ihnen die Drittlarven durch den Thorax zum Kopf und zu den Mundwerkzeugen. Setzt sich eine infizierte Fliege an den Lippen oder Nüstern eines Pferdes nieder, wandern die infektiösen Larven unter dem Temperatur- und Feuchtigkeitsreiz aus den Mundwerkzeugen der Fliege. Die Larven werden im Anschluss vom Endwirt abgeschluckt und gelangen so in den Magen, wo sie innerhalb von 2 Monaten die Geschlechtsreife erlangen.
Pathogenese
Eine Habronematidose kann sich in verschiedenen Krankheitsformen manifestieren.
Magen-Habronematidose
Bei der Magen-Habronematidose erfolgt eine Infektion des Magens mit Habronema und Draschia. Die Erkrankung verläuft meist symptomlos. Bei einem stärkeren Befall mit Parasiten können jedoch klinische Symptome auftreten. Da Habronema muscae und Habronema microstoma meist mit ihren Vorderenden in den Magendrüsen sitzen, können sie eine übermäßige Schleimbildung sowie eine chronische, katarrhalische Gastritis verursachen (bei Habronema muscae meist in Kombination mit Hämorrhagien und Ulzerationen).
Draschia megastoma führt meist in der Fundusregion zur Bildung von bis zu hühnereigroßen Knoten, die kraterförmige Einziehungen aufweisen. Durch Druck auf diese Knoten können sie entleert werden, sodass verkäsendes Material mit Würmern austritt. Die Würmer wandern nach einer gewissen Zeit aus den Knoten aus und sterben ab, wobei dann nur noch Vernarbungen zurück bleiben. Die abszendierenden Knoten können gelegentlich in die Bauchhöhle durchbrechen und zu Peritonitiden führen. In seltenen Fällen sind Habronematiden in der Lage, größere Wanderungen im Tierkörper auszuführen. Gelangen sie bis in das Gehirn, verursachen sie neurologische Symptome.
Haut-Habronematidose
Die in der warmen Jahreszeit auftretenden schlecht heilenden und stark granulierenden Hautwunden können an verschiedenen Stellen des Körpers aufgefunden werden: an der Kopfhaut, im Lippenbereich, an den Augenlidern und Konjunktiven, an den distalen Extremitäten, in der Sattellage sowie an Präputium und Penis. Diese werden durch Habronema-Larven verursacht, die durch Zwischenwirte (Überträgerfliegen) auf kleine Hautdefekte gelangen. Nachdem die Larven das Mundwerkzeug der Fliegen verlassen haben dringen sie in das Gewebe ein und stimulieren während mehrerer Wochen eine starke Granulation - wobei keine Weiterentwicklung der Larven erfolgt.
siehe Hauptartikel: Kutane Habronematidose (Pferd)
Lungen-Habronematidose
Fliegen, die ihre Drittlarven im Nasen- oder Lippenbereich absetzen, verursachen oftmals eine Lungen-Habronematidose. Dabei wandern die Larven über die Luftwege in die Lunge ein.
Klinik
Die Magen-Habronematidose ist durch Verdauungsstörungen und Kolikerscheinungen während der Futteraufnahme sowie Abmagerung gekennzeichnet.
Bei der Haut-Habronematidose entstehen an den befallenen Stellen anfangs unscheinbare Dermatitiden mit Schwellung, Empfindlichkeit und starkem Juckreiz. In weiterer Folge bilden sich nässende Erosionen die erbsen- bis eurostückgroß sind, später gefolgt von Granulombildung und Entstehung großflächiger Wunden. Breiten sich die Veränderungen aus, werden die Wundränder nekrotisch und das Granulationsgewebe ragt oftmals blumenkohlartig über die Wundfläche hinaus. Im histologischen Schnittbild kann eine außergewöhnlich starke zellige Infiltration beobachtet werden. Besonders an den Extremitäten können durch bakterielle Sekundärinfektionen phlegmonöse Schwellungen der Wundumgebung auftreten. Die Wunden heilen erst im Herbst aus, wobei teilweise große Narben und Narkenkeloide zurückbleiben.
Bei der Lungen-Habronematidose können die Larven unter Mitwirkung von Bakterien zahlreiche Abszesse im Lungengewebe verursachen.
Diagnose
Die Habronematidose wird bei koproskopischen Untersuchungen mit den üblichen Flotationsverfahren nicht erfasst. Verdachtsfälle sollten daher stets mit einer Magenspülung und anschließender Untersuchung der Spülflüssigkeit auf adulte Würmer, Larven und Eier abgeklärt werden. Bei der Haut-Habronematidose wird in erster Linie anhand des klinischen Bildes diagnostiziert. Die in der warmen Jahreszeit entstehenden Hautveränderungen sind mit anderen Krankheitsbildern kaum zu verwechseln. Differenzialdiagnostisch sollte eine Parafilariose (durch Parafilaria multipapillosa hervorgerufenes "Sommerbluten") ausgeschlossen werden. Durch Biopsien der Hautläsionen kann zusätzlich noch ein Larvennachweis erfolgen.
Therapie
Die Magen-Habronematidose kann mit Ivermectin (0,2 mg/kgKG p.o.) oder Moxidectin (0,4 mg/kgKG p.o.) therapiert werden. Ivermectin erzielt auch bei der Haut-Habronematidose gute Erfolge, sodass bei rund 80 % der behandelten Pferde (nach einmaliger Gabe) innerhalb von 1 bis 6 Wochen eine Abheilung der Wunden erfolgt. Bestehende Hautwunden können durch wiederholte Behandlung therapiert werden. In seltenen Fällen kann eine chirurgische Sanierung der Hautveränderungen notwendig werden.
Bekämpfung
Die Habronematidose kann durch die üblichen Maßnahmen zur Fliegenbekämpfung verhindert werden. Die adulten Stadien von Habronema werden bei der regelmäßigen Entwurmung mit Mono- sowie Kombinationspräparate (die Ivermectin enthalten) mit erfasst.
Literatur
- Boch, Josef, Supperer, Rudolf. Veterinärmedizinische Parasitologie. 6. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Parey Verlag, 2005