Lippe (Veterinärmedizin)
Synonym: Labium oris
Englisch: lip
Definition
Die Lippen der Haussäugetiere sind Greif-, Tast- und Saugorgane, die - je nach Ernährungsweise - eine tierartlich unterschiedliche Gestalt und Beweglichkeit aufweisen.
Anatomie
Der Eingang zur Mundhöhle (Cavum oris), der durch die Mundspalte (Rima oris) markiert wird, wird von den Rändern der
- Oberlippe (Labium superius) und jenen der
- Unterlippe (Labium inferius) umfasst.
Die Mundspalte ist bei den verschiedenen Tierarten unterschiedlich weit, sodass der Mundwinkel (Angulus oris), an dem die Ober- und Unterlippen ineinander übergehen, mehr rostral oder mehr kaudal liegt.
Schichten
Die Lippen gehen - je nach Ernährungsweise und Tier - unterschiedlichen Funktionen nach. So besitzen Hunde, Katzen, Pferde, Schafe und Ziegen gut, Rinder und Schweine hingegen mäßig bewegliche Lippen.
Die Lippen sind am Os incisivum sowie an der Maxilla und der Mandibula angeheftet und bestehen aus drei Schichten:
- Pars mucosa: Die Innenfläche der Lippen wird von der Lippenschleimhaut gebildet. Diese springt auf den Alveolarteil des Os incisivum, der Maxilla und der Mandibula über und setzt sich in das Zahnfleisch der Schneidezähne und auf den Margo interalveolaris fort.
- Pars intermedia: Die Mittelschicht bildet die Grundlage der Lippen und enthält Muskeln, Sehnen, Binde- und Fettgewebe.
- Pars cutanea: Die Außenfläche wird von der allgemeinen Haut gebildet.
Hautmodifikation
Die Haut geht am Lippenrand mit scharfer Grenze in die Schleimhaut über. Beim Fleischfresser, den kleinen Wiederkäuern und beim Pferd trägt der Hautüberzug der Lippen alle baulichen Merkmale der allgemeinen Haut, sodass auch Sinus- und Tasthaare ausgebildet sind.
Beim Schwein vereinigt sich der mittlere Abschnitt, der vereinzelt Sinushaare trägt, mit dem sonst unbehaarten Abschnitt der Oberlippe und mit dem Nasenspiegel zur Rüsselscheibe (Planum rostrale). Auf ähnliche Weise fließt beim Rind der unbehaarte mittlere Teil der Oberlippe mit dem Nasenspiegel zum Flotzmaul (Planum nasolabiale) zusammen. Die Oberlippe von Hund, Katze, Schaf und Ziege trägt eine markante, bei den anderen Haussäugetieren weniger deutlich ausgeprägte mediane Furche, die als Philtrum bezeichnet wird. Sie ist bei Hund, Katze und Schwein deutlich größer als die Unterlippe. Die Unterlippe beim Pferd und Rind weist einen aus Muskulatur und Fettgewebe bestehenden Wulst auf, der als Kinnwulst (Mentum) bezeichnet wird.
Drüsen
Submukös oder intramuskulär liegende Drüsen an der Ober- und Unterlippe, die besonders gut in der Nähe des Mundwinkels ausgebildet sind, werden als Lippendrüsen (Glandulae labiales) bezeichnet. Sie kommen mit absteigender Ausprägung bei Pferd, Rind, Ziege, Schaf, Schwein, Hund und Katze vor.
Muskulatur
Die Lippen werden muskulär von der Gruppe der Lippen- und Backenmuskeln gestützt. Sie gehören zur Fazialismuskulatur und werden geschlossen vom 7. Hinrnerven motorisch innerviert.
Gefäße
Die Blutversorgung der Ober- und Unterlippe erfolgt aus Ästen der Arteria facialis:
- Arteria labialis superior: versorgt die Oberlippe
- Arteria labialis inferior: versorgt die Unterlippe
- Arteriae angulares oris: versorgen den Mundwinkel
Das venöse Blut der Oberlippe kann über einen Ast der Vena facialis, die Vena angularis oculi, abgeführt werden. Die restlichen Anteile werden über gleichnamige Venen drainiert.
Innervation
Die Oberlippen werden sensibel durch den Nervus infraorbitalis des Nervus maxillaris innerviert. Die Unterlippen versorgt der Nervus mentalis, der ein verlängerter Ast des Nervus alveolaris inferior (aus dem Nervus mandibularis) ist.
Funktion
Die Lippen dienen primär dem Mundschluss. Beim Pferd ergreifen und fixieren sie die Nahrung, indem die äußerst bewegliche Unterlippe das Futter umschließt, das mit den Zähnen abgerissen wird. Die Lippen der restlichen Haussäugetiere weisen nur eine mäßige Beweglichkeit auf, weshalb sie bei der Fixierung der Nahrung nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Literatur
- Nickel, Richard, Schummer, August, Seiferle, Eugen. Lehrbuch der Anatomie der Haustiere, Band II: Organsysteme. Parey Verlag, 2003.
- Salomon, Franz-Viktor, Geyer, Hans, Gille, Uwe. Anatomie für die Tiermedizin. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Enke-Verlag, 2008.
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