Frühsommer-Meningoenzephalitis (Hund)
Synonyme: Zentraleuropäische Zeckenenzephalitis (ZE), FSME
Englisch: European tick-born ecephalitis, TBE
Definition
Als Frühsommer-Meningoenzephalitis, kurz FSME, bezeichnet man eine durch das FSME-Virus hervorgerufene Infektionskrankheit beim Hund. Die Erkrankung kann mit der Frühsommer-Meningoenzephalitis des Menschen verglichen werden.
Ätiologie
Die FSME wird durch das FSME-Virus, ein Flavivirus innerhalb der Familie Flaviviridae, übertragen. Das FSME-Virus ist ein behülltes Einzelstrang-RNA-Virus (ssRNA-Virus), das aus drei verschiedenen Strukturproteinen besteht. Das Glykoprotein E stellt den Hauptanteil der Virusoberfläche dar und ist für die Virulenz verantwortlich.
Das FSME-Virus weist eine hohe Tenazität auf.
Epidemiologie
Die zeckenassoziierte Meningoenzephalitis tritt sporadisch bei Hund, Pferd und Wiederkäuer, nicht aber bei der Katze auf. Die Infektion beschränkt sich auf Endemiegebiete, in denen mit Flaviviren infizierte Zeckenarten (Ixodes ricinus) vorkommen.
Man geht davon aus, dass Hunde in endemischen Gebieten häufig mit dem Virus in Kontakt kommen. Ein Großteil der Tiere durchläuft eine stumme Serokonversion, sodass es aufgrund der natürlichen Resistenz zu keiner klinisch manifesten Erkrankung kommt. Es sind nur wenige Fallberichte von an FSME-erkrankten Hunden bekannt.
Pathogenese
Hunde werden durch den Biss infizierter Zecken angesteckt. Über die genauen Pathomechanismen ist aufgrund der geringen Fallzahl noch wenig bekannt. Sie dürften jedoch der menschlichen FSME ähneln.
Prädisponierend für die klinische Manifestation ist eine Immunsuppression unterschiedlicher Genese (z.B. Belastung, Stress).
Klinik
Da es zu multifokalen Läsionen im ZNS kommt, sind die Krankheitszeichen äußerst variabel. Die Krankheitsdauer beschränkt sich auf wenige Tage bis eine Woche.
Zu Beginn der Infektion zeigen betroffene Hunde Apathie, Fieber und eventuell auch Gangstörungen. Zusätzlich können noch Symptome einer Hirnstammläsion wie z.B. Ataxie, Tetraparese bis Tetraplegie und Kopfnervenausfälle auftreten. Großhirn- (Übererregbarkeit, Schreckhaftigkeit oder Krampfanfälle) und Kleinhirnsymptome (Ataxie, Hypermetrie) können ebenfalls auftreten. Häufig leiden die Tiere auch an Halsbiegeschmerz (Meningitis) oder Hyperalgesie.
In der Literatur sind auch spinale Formen beschrieben. Dieser Verlauf entsteht vorwiegend bei asymmetrischer Lokalisation der Läsionen. Hunde mit spinalen Symptomen leiden an Lähmungen, Gangstörungen und Reflexausfällen.
Labormedizin
Die Blutbefunde sind recht unspezifisch. Im Liquor cerebrospinalis lässt sich eine mononukläre Pleozytose mit erhöhtem Proteingehalt feststellen.
Differenzialdiagnose
Differenzialdiagnostisch müssen u.a. granulomatöse Meningoenzephalitis, Toxoplasmose, Neosporose, nervöse Form der Staupe, Tollwut oder Pseudowut ausgeschlossen werden.
Diagnose
Die Verdachtsdiagnose ergibt sich anhand der Klinik (zentralnervöse Symptome) und der Anamnese (Aufenthalt in Endemiegebiet).
Eine gesicherte Diagnosestellung ist intra vitam schwierig. Der Nachweis von spezifischen Antikörpern im Blut ist wenig aussagekräftig, da auch gesunde Hunde seropositiv sind. Im Umkehrschluss schließt ein negatives Resultat eine bestehende Infektion nicht aus, da aufgrund des akuten Krankheitsverlaufs oftmals noch keine Serokonversion stattgefunden hat. Hohe FSME-Antikörpertiter im Liquor cerebrospinalis weisen auf eine Infektion mit dem FSME-Virus hin. Allerdings dürfen dann zeitgleich keine hohen Antikörpertiter gegen andere Erreger nachweisbar sein, da dies ein Hinweis auf eine Schädigung der Blut-Hirn-Schranke wäre. Parallel dazu kann die Antikörperkonzentration im Liquor cerebrospinalis mit jener im peripheren Blut verglichen werden: Sollte der Antikörpertiter im Liquor cerebrospinalis höher sein als jener im Blut, kann dies als diagnostischer Hinweis auf eine aktive Infektion angesehen werden. Alternativ ist auch ein direkter Erregernachweis mittels PCR (Blut oder Liquor cerebrospinalis) möglich.
Post mortem kann der Erreger auch immunzytochemisch in ZNS-Proben nachgewiesen werden. Die histopathologischen Befunde sind jedoch pathognomonisch und lassen sich gut von anderen ZNS-Krankheiten abgrenzen.
Therapie
Derzeit (2021) existiert keine kausale Therapie. Die Behandlung orientiert sich an den Symptomen. Empfohlen wird eine antiepileptische Prophylaxe - noch bevor Krampfanfälle entstehen.
Prognose
Die Prognose hängt vom Schweregrad der Erkrankung ab. Milde Verlaufsformen sind oftmals selbstlimitierend, wobei bleibende Schädigungen (z.B. Lähmung einer Gliedmaße) möglich sind. In schweren Fällen (insbesondere bei Krampfanfällen) ist die Prognose ungewiss bis aussichtslos und oftmals nur noch mit einer Euthanasie behandelbar.
Prophylaxe
In Endemiegebieten sollten Hunde einerseits regelmäßig eine Zeckenprophylaxe (z.B. Pyrethroide in Form von Spot-ons oder Halsbänder) erhalten, andererseits regelmäßig von anhaftenden Zecken befreit werden.
Zoonotische Bedeutung
Erkrankte Hunde scheiden das Virus nicht aus, weshalb vom Hund keine Gefahr für den Menschen ausgeht. Da Hunde jedoch oftmals infizierte Zecken im Fell tragen, können diese nach der Blutmahlzeit im Wohnhaus vom Wirt abfallen und auf den Menschen übergehen.
Quellen
- Niemand HG (Begr.). Suter PF, Kohn B, Schwarz G (Hrsg.). 2012. Praktikum der Hundeklinik. 11., überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke-Verlag in MVS Medizinverlag Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1125-3.
- Pfeffer M, Dobler G. 2011. Tick-borne encephalitis virus in dogs--is this an issue?. Parasit Vectors 4:59. DOI:10.1186/1756-3305-4-59
- Weissenböck H, Suchy A, Holzmann H. Tick-borne encephalitis in dogs: neuropathological findings and distribution of antigen. Acta Neuropathol. 1998 Apr;95(4):361-6. doi: 10.1007/s004010050811. PMID: 9560013.
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